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AKTION/683: Urgent Action - Saudi-Arabien - Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-180/2011, AI-Index: MDE 23/012/2011, Datum: 15. Juni 2011 - gs

Saudi-Arabien
Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt


Herr FADEL MAKKI AL-MANASEF

Der Menschenrechtsverteidiger Fadel Makki al-Manasef ist am 1. Mai im Zusammenhang mit Protesten in der Ostprovinz festgenommen worden. Seit dem 18. Mai befindet er sich ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft und läuft somit Gefahr, gefoltert oder in anderer Weise misshandelt zu werden. Bei Fadel Makki al-Manasef handelt es sich möglicherweise um einen gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung friedlich wahrgenommen hat.

Am 30. April 2011 erhielt Fadel Makki al-Manasef eine Vorladung, sich bei der Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums von al-'Awwamiya zu melden, einer Stadt in der Ostprovinz des Landes. Als er tags darauf die Wache aufsuchte, wurde er festgenommen. Noch am selben Tag brachte man Fadel Makki al-Manasef zunächst zu einer Polizeistation in die Stadt al-Qatif und von dort zu einer Wache im nahe gelegenen Bezirk al-Thuqbah. In al-Thuqbah blieb er mindestens drei Tage lang inhaftiert, bevor er in das ebenfalls in der Ostprovinz gelegene Gefängnis von al-Khobar überstellt wurde. Am 18. Mai verlegten die Behörden Fadel Makki al-Manasef erneut, dieses Mal in die Haftanstalt des Geheimdienstes General Intelligence in der benachbarten Provinzhauptstadt Dammam.

Während seiner Haft im Gefängnis von al-Khobar hatten die Familie und sein Rechtsanwalt Zugang zu Fadel al-Manasef. Sie durften ihn zwei Mal pro Woche besuchen. Seit seiner Verlegung in das Haftzentrum von Damman ist Fadel Makki al-Manasef hingegen ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Es muss deshalb befürchtet werden, dass ihm Folter und Misshandlung drohen.

Die konkreten Gründe für die Festnahme und Inhaftierung von Fadel Makki al-Manasef sind nicht bekannt. Vermutlich haben die Behörden ihn in Haft genommen, weil er sich für die Menschenrechte engagiert und zur Teilnahme an Protesten für Reformen aufgerufen hat. Nach saudischen Quellen hat Fadel Makki al-Manasef das Vorgehen gegen Angehörige der schiitischen Glaubensgemeinschaft in Saudi-Arabien kritisiert und insbesondere die Diskriminierung von Gläubigen und ihre langjährige Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren angeprangert. Möglicherweise handelt es sich bei Fadel Makki al-Manasef um einen gewaltlosen politischen Gefangenen, der allein deshalb in Haft gehalten wird, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung in friedlicher Weise wahrgenommen hat.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Demonstrationen werden in Saudi-Arabien im Allgemeinen nicht geduldet. Wer Protestveranstaltungen zu organisieren oder daran teilzunehmen versucht, wird meist festgenommen und ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Kaum einer der Gefangenen erhält die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung vor Gericht anzufechten.

Nach einer Demonstration gegen die von den israelischen Streitkräften am 27. Dezember 2008 im Gaza-Streifen gestarteten Militäroffensive soll ein Sprecher des saudischen Innenministeriums am 30. Dezember 2008 erklärt haben, in Saudi-Arabien seien Protestveranstaltungen fortan nicht mehr erlaubt. Nach Protesten Anfang März 2011 in al-Qatif (siehe UA-061/2011 vom 7. März 2011) gab das Innenministerium angesichts offenbar weiterer geplanter Protestkundgebungen am 5. März bekannt, das Demonstrationsverbot gelte auch weiterhin. In der Erklärung des Ministeriums hieß es, die Sicherheitskräfte würden "alle erforderlichen Maßnahmen" gegen Personen ergreifen, welche die öffentliche Ordnung zu stören versuchten.

Tags darauf unterstrich der Rat der Religionsgelehrten (Ulema) abermals das Demonstrationsverbot. Neben Demonstrationen wurden auch vor der Ausübung weiterer Mittel gewarnt, die dem Religionsgelehrtenrat zufolge zu Uneinigkeit und Spaltungen in der Gesellschaft führen würden und daher keine geeigneten Ausdrucksformen für Reformforderungen oder Hinweise an die Regierung seien. Noch am selben Tag hob der Shura-Rat (ein vom König ernanntes Beratergremium) hervor, dass Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit im Königreich oberste Priorität hätten. Der Rat forderte die Bevölkerung auf, Aufrufe zu Demonstrationen, Sitzblockaden und Protestmärschen zu ignorieren und bezeichneten sie als unvereinbar mit den Grundprinzipien des Islamischen Rechts.

KritikerInnen der saudi-arabischen Regierung drohen im Gewahrsam der Sicherheitsdienste des Innenministeriums schwere Menschenrechtsverletzungen. Oft werden sie ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklage in Haft, manchmal auch Einzelhaft, gehalten und können weder RechtsanwältInnen noch die Gerichte einschalten, um die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten. Folterungen und Misshandlungen werden ebenfalls oftmals angewendet und dienen dem Zweck, Geständnisse zu erzwingen oder Gefangene, die keine Reue zeigen, zu bestrafen oder sie von weiteren kritischen Äußerungen über die Regierung abzuhalten. Oftmals werden Menschen so lange von der Außenwelt abgeschnitten in Haft gehalten, bis sie schließlich ein Geständnis ablegen. Der Zeitraum kann Monate, wenn nicht sogar Jahre betragen.


EMPFOHLENE AKTIONEN: SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, sicherzustellen, dass Fadel Makki al-Manasef weder gefoltert noch misshandelt wird, regelmäßig von seiner Familie und rechtlichen Vertretungen besucht werden darf und angemessen medizinisch versorgt wird.

- Ich fordere die umgehende und bedingungslose Freilassung von Fadel Makki al-Manasef, falls er nur deshalb in Haft gehalten wird, weil er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung in friedlicher Weise Gebrauch gemacht hat.

- Veröffentlichen Sie sämtliche gegen Fadel Makki al-Manasef erhobenen Anklagepunkte und stellen Sie sicher, dass eventuelle Verfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren genügen.


APPELLE AN

KÖNIG
His Majesty King 'Abdullah Bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Majesty / Eure Majestät)
Fax: (00 966) 1 403 3125

INNENMINISTER
His Royal Highness Prince Naif bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud, Ministry of the Interior
P.O. Box 2933, Airport Road, Riyadh 11134
SAUDI-ARABIEN (korrekte Anrede: Your Royal Highness / Eure Königliche Hoheit)
Fax: (00 966) 1 403 3125


KOPIEN AN

VORSITZENDER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Bandar Mohammed 'Abdullah al-Aiban
President, Human Rights Commission
P.O. Box 58889, King Fahad Road, Building No. 373, Riyadh 11515, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Dear Dr al-Aiban / Sehr geehrter Herr Dr. al-Aiban)
E-Mail: hrc@haq-ksa.org

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34, 10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. Juli 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE SEND APPEALS IMMEDIATELY

- Urging the authorities to ensure that Fadel Makki al-Manasef is protected from torture and other ill-treatment, and given regular access to his family, lawyers and any medical attention he may require.

- Calling on them to release him immediately and unconditionally if he is being held solely for peacefully exercising his right to freedom of expression.

- Asking them to make public the details of any charges he faces, and ensure that any legal proceedings against him conform to international fair trial standards.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Saudi-Arabien ist Vertragsstaat des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das die Verwendung von durch Folter oder Misshandlung herbeigeführten Aussagen als Beweismittel verbietet. In Artikel 15 heißt es wörtlich: "Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass Aussagen, die nachweislich durch Folter herbeigeführt worden sind, nicht als Beweis in einem Verfahren verwendet werden, es sei denn gegen eine der Folter angeklagte Person als Beweis dafür, dass die Aussage gemacht wurde."

Für nähere Informationen siehe Amnesty Internationals Bericht Saudi Arabia: Assaulting human rights in the name of counter-terrorism, vom 22. Juli 2009
(http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/report/saudi-arabia-human-rights-abuses-name-fighting-terrorism-20090722), und die Aktualisierung: Saudi Arabia: Countering terrorism with repression vom 11. September 2009
(http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/025/2009/en).


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-180/2011, AI-Index: MDE 23/012/2011, Datum: 15. Juni 2011 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2011