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AKTION/761: Urgent Action - Syrien - Menschenrechtler ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-264/2011, AI-Index: MDE 24/046/2011, Datum: 1. September 2011 - gs

Syrien
Menschenrechtler ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft


Herr MOHAMED IYYAD TAYYARA, 42 Jahre alt

Der syrische Menschenrechtsverteidiger Mohamed Iyyad Tayyara ist am 28. August 2011 in seiner Wohnung in der im Westen des Landes gelegenen Stadt Homs festgenommen worden. Seitdem befindet er sich ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Es besteht erhebliche Gefahr, dass Mohamed Iyyad Tayyara gefoltert oder misshandelt wird. Nach Angaben eines anderen Menschenrechtsaktivisten ist am Abend des 28. August der 42-jährige Mohamed Iyyad Tayyara von mehreren bewaffneten Männern aus seiner Wohnung geholt worden. Die Männer, die sich als Angehörige der Armee auswiesen, nahmen den nur mit einem Schlafanzug bekleideten Mohamed Iyyad Tayyara mit sich. Seine Familie erfuhr Stunden später vom Bürgermeister der Stadt Homs, dass der Menschenrechtler vom militärischen Geheimdienst in Homs in Haft gehalten wird. Tags darauf suchte ein Verwandter, der ein hohes Regierungsamt bekleidet, die Zweigstelle des Geheimdienstes in Homs auf, um nach dem Menschenrechtler zu schauen. Er wurde zwar nicht zu Mohamed Iyyad Tayyara vorgelassen, sorgte aber dafür, dass ihm einige Kleidungsstücke ausgehändigt wurden.

Die syrischen Behörden haben nach Kenntnis von Amnesty International weder Gründe für die Inhaftierung von Mohamed Iyyad Tayyara genannt noch über seinen rechtlichen Status oder seinen Gesundheitszustand Auskunft erteilt. Mohamed Iyyad Tayyara hat in Homs verübte Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und die von ihm recherchierten Informationen an Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International weitergeleitet. Darüber hinaus hat er an friedlichen Kundgebungen für Reformen in Syrien teilgenommen, was auch der Auslöser für die Festnahme von Mohamed Iyyad Tayyara gewesen sein könnte. In diesem Fall würde es sich bei ihm um einen gewaltlosen politischen Gefangenen handeln, der nur deshalb verhaftet wurde, weil er seine Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrgenommen hat. Amnesty International würde sich somit für seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung einsetzen.

Um die Sicherheit von Mohamed Iyyad Tayyara muss gebangt werden. Zahlreiche mittlerweile wieder frei gelassene Personen berichteten, Folterungen und anderweitige Misshandlungen seien verbreitet als Sanktion, zur Abschreckung anderer potentieller ProtestteilnehmerInnen oder als Mittel eingesetzt worden, um "Geständnisse" zu erpressen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Demonstrationen für Reformen setzten im Februar 2011 ein und entwickelten sich Mitte März zu landesweiten Massenprotesten. Die Teilnehmenden fordern zumeist mehr Rechte und Freiheiten und verlangen ein Ende der Herrschaft von Präsident Bashir al-Assad. Obwohl die Regierung mit äußerster Härte gegen die Demonstrierenden vorgeht und bereits mehrere hundert Menschen getötet wurden, ist ein Abebben der Proteste nicht in Sicht. Die Demonstrationen sind bislang weitgehend friedlich verlaufen, und dennoch haben die syrischen Behörden sie auf brutale Weise niederzuschlagen versucht. Die Sicherheitskräfte sind wiederholt mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen ProtestteilnehmerInnen vorgegangen. Beispielsweise haben Scharfschützen in Ansammlungen friedlich demonstrierender Menschen geschossen, und mit Panzern wurden Wohngebiete unter Beschuss genommen. Die Regierung versucht, den Einsatz von Gewalt unter Hinweis auf Anschläge bewaffneter Gruppen zu rechtfertigen. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 1900 Menschen vor, die seit März während oder im Zusammenhang mit den Protesten gestorben sind. Viele sind vermutlich infolge des Einsatzes scharfer Munition bei friedlichen Protesten oder im Zuge der Beisetzung von Menschen getötet worden, die bei früheren Demonstrationen erschossen worden waren.

Tausende weitere Menschen sind festgenommen und großenteils an geheim gehaltenen Orten ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten worden. In solchen Hafteinrichtungen sollen Folterungen und Misshandlungen an der Tagesordnung sein. Zwischen dem 1. April und dem 15. August 2011 sind mindestens 88 männliche Gefangene unter höchst fragwürdigen Umständen gestorben. 52 der Todesfälle sind vermutlich auf Folter zurückzuführen, zumindest könnte die Folter mitursächlich für den Tod der Gefangenen gewesen sein. Berichte der vergangenen Monate über weit verbreitete Folterungen an InsassInnen der syrischen Hafteinrichtungen erhärten derartige Befürchtungen. Einige der Opfer, unter ihnen Minderjährige, wurden vor ihrem Tod oder nach Eintritt des Todes auf besonders grausame Weise verstümmelt. Damit sollten offenbar die Familien, denen die Leichen übergeben wurden, terrorisiert werden. Die Opfer scheinen ausnahmslos im Zuge der Proteste festgenommen worden zu sein, über die Umstände ihrer Verhaftung liegen jedoch kaum verlässliche Angaben vor. Ihr Tod soll im Gewahrsam der Sicherheitskräfte in Gefängnissen oder anderen offiziellen und inoffiziellen Hafteinrichtungen oder im Krankenhaus eingetreten sein. Einige der Toten wiesen Schussverletzungen auf, was vermuten lässt, dass sie außergerichtlich hingerichtet worden sind. Viele der Todesfälle wurden erst dadurch bekannt, dass die Behörden den Familien der Opfer die Leichen übergaben oder ihnen mitteilten, sie könnten ihre verstorbenen Angehörigen im Leichenschauhaus abholen. Aus Syrien werden seit vielen Jahren immer wieder Todesfälle in Haft bekannt, die durch Folterungen herbeigeführt worden sein sollen oder bei denen Folter zumindest mitursächlich gewesen ist.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bin angesichts von Berichten besorgt, denen zufolge Mohammad Iyyad Tayyara seit dem 28. August ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten wird. Dadurch befindet er sich in großer Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

- Lassen Sie Mohammad Iyyad Tayyara unverzüglich und bedingungslos frei, falls er allein deswegen inhaftiert ist, weil er sich gewaltfrei für die Menschenrechte engagiert hat.

- Sorgen Sie bitte dafür, dass Mohammad Iyyad Tayyara weder gefoltert noch misshandelt wird, dass er unverzüglich zu seiner Familie und einem Rechtsanwalt eigener Wahl Kontakt aufnehmen kann und bei Bedarf medizinisch versorgt wird.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 34 10

VERTEIDIGUNGSMINISTER
General Dawood Rajiha
Ministry of Defence
Omayyad Square, Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 666 24 60


KOPIEN AN

INNENMINISTER
Ibrahim al-Shaar
Ministry of Interior
'Abd al-Rahman Shahbandar Street
Damascus, SYRIEN
Fax: (00 963) 11 311 05 54

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herr Radwan Loutfi
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 73 11
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Expressing concern that Mohamed Iyyad Tayyara has been held incommunicado since 28 August, putting him at grave risk of torture and other ill-treatment.

- Expressing concern that Mohamed Iyyad Tayyara is being held solely for his peaceful human rights activities, in which case he would be a prisoner of conscience and should be released immediately and unconditionally.

- Urging the authorities to ensure that Mohamed Iyyad Tayyara is protected from torture and other ill-treatment, allowed immediate contact with his family and a lawyer of his choice, and provided with any medical attention he may require.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-264/2011, AI-Index: MDE 24/046/2011, Datum: 1. September 2011 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2011