Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/768: Urgent Action - Syrien - Syrer "verschwunden


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-224/2011-1, AI-Index: MDE 24/049/2011, Datum: 6. September 2011 - ns

Syrien
Syrer "verschwunden"


Herr GEORGE SABRA, 64 Jahre alt

Der politisch engagierte Syrier George Sabra wird seit seiner Festnahme am 20. Juli in Qatana an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Berichten zufolge ist er Opfer des Verschwindenlassens und ihm drohen Folter und andere Misshandlungen. Die syrischen Behörden haben seit seiner Festnahme vor 6 Wochen keine weiteren Informationen bekannt gegeben. Sein in Frankreich lebender Sohn Chadi Sabra erfuhr von einem Mitgefangenen, der kürzlich von der Staatssicherheit in Damaskus freigelassen worden war, dass George Sabra am 11. August von Sicherheitskräften in ein Auto gezwungen worden sei. Einer weiteren Quelle zufolge wurde George Sabra vor Kurzem bei der Luftwaffeneinheit in Damaskus gesichtet und ist vielleicht immer noch dort inhaftiert. Es können jedoch keine dieser Berichte bestätigt werden und es ist derzeit noch unklar, wo genau George Sabra sich befindet.

George Sabra ist Opfer des Verschwindenlassens durch die syrischen Behörden und ihm drohen Folter und anderweitige Misshandlungen. Es sind keine Anklagen gegen George Sabra seitens der syrischen Regierung bekannt. Berichten zufolge wurde er in Verbindung mit den Massenprotesten, die seit Mitte März in Syrien stattfinden, inhaftiert. Laut seinem Sohn unterstützte George Sabra die friedlichen Proteste in Qatana und wurde daraufhin festgenommen. Amnesty International betrachtet George Sabra als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich allein wegen der Wahrnehmung seiner Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Haft befindet und fordert die unverzügliche und bedingungslose Freilassung des Inhaftierten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Demonstrationen für Reformen in Syrien begannen im Februar 2011 und entwickelten sich Mitte März zu Massenprotesten. Seitdem hat sich diese erstmalige Demonstrationswelle mit einer derartigen Wucht im gesamten Land verbreitet, dass trotz der Unterdrückung seitens der Regierung und der daraus resultierenden Hunderten von Toten kein Ende in Sicht ist. Die Demonstrierenden fordern mehr Rechte und Freiheiten und das Ende des Regimes von Präsident Bashar-al Assad. Obwohl die Demonstrationen größtenteils friedlich verlaufen, reagieren die syrischen Behörden in ihrem Bestreben, die Demonstrationen niederzuschlagen, mit großer Brutalität. Die Sicherheitskräfte haben wiederholt exzessive Gewalt angewendet. Sie lassen Scharfschützen in eine Menge von friedlichen Demonstrierenden schießen und setzen Armeepanzer ein, um Wohngegenden zu bombardieren, während sie sich damit rechtfertigen, dass die Regierung von bewaffneten Banden angegriffen wird. Amnesty International verfügt über die Namen von mehr als 1.900 Menschen, die laut Berichten im Zusammenhang mit den Demonstrationen seit Mitte März starben oder getötet wurden. Vermutlich sind viele von ihnen unter Einsatz von scharfer Munition von Sicherheitskräften getötet worden, während sie an friedlichen Demonstrationen oder Beerdigungen der Opfer teilnahmen. Tausende weitere Menschen sind festgenommen und größtenteils an geheim gehaltenen Orten ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten worden. In solchen Hafteinrichtungen sollen Folterungen und Misshandlungen auf der Tagesordnung stehen. Zwischen dem 1. April und dem 15. August 2011 sind mindestens 88 männliche Gefangene unter höchst fragwürdigen Umständen gestorben. Berichten zufolge sind mindestens 52 der Todesfälle auf Folter zurückzuführen oder zumindest könnte die Folter mitursächlich für den Tod der Gefangenen gewesen sein. Berichte der vergangenen Monate über weit verbreitete Folterungen an InsassInnen der syrischen Hafteinrichtungen erhärten derartige Befürchtungen. Einige der Opfer, unter ihnen Minderjährige, wurden vor ihrem Tod oder nach Eintritt des Todes auf besonders grausame Weise verstümmelt. Damit sollten offenbar die Familien, denen die Leichen übergeben wurden, terrorisiert werden. Die Opfer scheinen ausnahmslos im Zuge der Proteste festgenommen worden zu sein, über die Umstände ihrer Verhaftung liegen jedoch kaum verlässliche Angaben vor. Ihr Tod soll im Gewahrsam der Sicherheitskräfte in Gefängnissen oder anderen offiziellen und inoffiziellen Hafteinrichtungen oder im Krankenhaus eingetreten sein. Einige der Toten wiesen Schussverletzungen auf, was vermuten lässt, dass sie außergerichtlich hingerichtet worden sind. Viele der Todesfälle wurden erst dadurch bekannt, dass die Behörden den Familien der Opfer die Leichen übergaben oder ihnen mitteilten, sie könnten ihre verstorbenen Angehörigen im Leichenschauhaus abholen. Aus Syrien werden seit vielen Jahren immer wieder Todesfälle in Haft bekannt, die durch Folterungen herbeigeführt worden sein sollen oder bei denen Folter zumindest mitursächlich gewesen ist (siehe englischen Bericht: Deadly Detention: Details in custody amid popular protest in Syria, MDE 24/035/2011).


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge darüber ausdrücken, dass George Sabra ein Opfer des Verschwindenlassens ist und seit dem 20. Juli ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wird.

- Bitte geben Sie bekannt, wo George Sabra festgehalten wird und was ihm zur Last gelegt wird. Gewähren Sie ihm umgehend Zugang zu seiner Familie, Rechtsbeiständen seiner Wahl, der notwendigen medizinischen Versorgung und schützen Sie ihn außerdem vor Folter und Misshandlung.

- Ich fordere Sie auf, George Sabra unverzüglich und bedingungslos freizulassen, sofern er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich allein wegen der Wahrnehmung seiner legitimen Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie weiterer Menschenrechte in Haft befindet.

- Bitte geben Sie die Namen und den Aufenthaltsort aller im Zusammenhang mit den derzeitigen Protesten festgenommenen Gefangenen bekannt. Gewähren Sie ihnen umgehend Zugang zu ihren Familien, Rechtsbeiständen ihrer Wahl und der notwendigen medizinischen Versorgung und schützen Sie sie außerdem vor Folter und Misshandlung.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs
al-Rashid Street,
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6251


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herr Radwan Loutfi
Rauchstr. 25
10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern that George Sabra appears to be a victim of enforced disappearance and that he has been held incommunicado at an unknown location since 20 July 2011.

- Urge the Syrian authorities to immediately disclose his whereabouts and legal status, allow him access to his family and a lawyer of his choice, and ensure he is fully protected against torture or other ill-treatment, and provided with any medical attention he may require.

- Call for George Sabra to be released immediately and unconditionally if he is a prisoner of conscience detained solely for the legitimate exercise of freedom of expression or other human rights.

- Urge the Syrian authorities to take immediate steps to publicly disclose the names, whereabouts and legal status of all detainees arrested in connection with ongoing protests, to give them immediate access to lawyers of their choosing and their families and any medical treatment they may require, and to safeguard them from torture and other ill-treatment.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-224/2011-1, AI-Index: MDE 24/049/2011, Datum: 6. September 2011 - ns
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2011