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AKTION/785: Urgent Action - Syrien - Tod in Gewahrsam


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-250/2011-1, AI-Index: MDE 24/054/2011, Datum: 14. September 2011 - bs/gs

Syrien
Tod in Gewahrsam

Weitere Informationen zu UA-250/2011 (MDE 24/041/2011, 18. August 2011)


In Gefahr:
Herr KHAIRO AL-DABBAS, 52 Jahre alt
Herr ISLAM AL-DABBAS, 21 Jahre
Herr 'ALAA AL-DABBAS, 24 Jahre
Herr 'ABD AL-SATTAR AL-KHOLANI, 32 Jahre
Herr MAJD AL-DIN AL-KHOLANI, 22 Jahre

In Haft gestorben:
Herr GHAYATH MATTAR, 26 Jahre

Fünf Männer, die sich an Protestkundgebungen in Syrien beteiligt hatten, werden seit ihrer Festnahme im Juli bzw. August nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Es besteht Anlass zu großer Sorge um das Leben der Männer, nachdem ein Mann, der in der selben Stadt wohnt und sich ebenfalls für Reformen in Syrien eingesetzt hat, im Gewahrsam der Sicherheitskräfte gestorben ist. Amnesty International liegen nach wie vor keine offiziellen Informationen über den Haftort oder den Gesundheitszustand von Khairo al-Dabbas (Festnahme am 2. Juli), Islam al-Dabbas, 'Alaa al-Dabbas und 'Abd al-Sattar al-Kholani (alle am 22. Juli festgenommen) oder Majd al-Din al-Kholani (Festnahme am 8. August) vor. Bis auf Khairo al-Dabbas, der möglicherweise vor kurzem an einen anderen Haftort verlegt wurde, sollen sich die Männer in einer Einrichtung des Luftwaffengeheimdienstes in Mezza, einem Stadtteil von Damaskus, befinden.

Die Sorge um die Sicherheit der Männer ist sehr groß, denn ein anderer junger Mann aus derselben Stadt, der sich ebenfalls an den Protestkundgebungen beteiligt hatte, ist nach Kenntnis von Amnesty International in der Haft gestorben. Die Leiche des 26-jährigen Ghayath Mattar wurde seiner Familie am 10. September übergeben, vier Tage nach seiner Festnahme. Ghayath Mattar soll ebenso wie Khairo al-Dabbas und die übrigen vier oben genannten Männer vom Geheimdienst der Luftwaffe festgenommen und inhaftiert worden sein. Amnesty International liegen mittlerweile die Namen von 95 in der Haft gestorbenen Menschen vor.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit Beginn der Massenproteste in Syrien Mitte März haben die Sicherheitskräfte im gesamten Land Tausende Menschen festgenommen. Amnesty International liegen zahlreiche Berichte vor, denen zufolge Gefangene gefoltert und misshandelt worden sind. Mehrere Dutzend sollen in der Haft gestorben sein, viele offenbar infolge der Folterungen und Misshandlungen.

Laut Angaben von MenschenrechtsverteidigerInnen überwacht der Luftwaffengeheimdienst Festnahmen in Daraya, einem Stadtteil von Damaskus. Angehörige des Luftwaffengeheimdienstes und anderer syrischer Geheimdienste nehmen regelmäßig Personen fest, die sie verdächtigen, in Opposition zur Regierung zu stehen. Die Gefangenen werden über lange Zeiträume ohne Kontakt zur Außenwelt in Hafteinrichtungen festgehalten, in denen bekanntermaßen Menschen gefoltert und auf andere Weise misshandelt werden.

Amnesty International hat von AktivistInnen aus Daraya erfahren, dass alle, die an der Organisation der Demonstrationen beteiligt waren, kurz nach dem Ausbruch der Massenproteste Mitte März untergetaucht sind und nur noch an die Öffentlichkeit gingen, um an Protestkundgebungen teilzunehmen.

Der 52 Jahre alte Khairo al-Dabbas wurde am 2. Juli in der Wohnung eines Freundes in Daraya festgenommen, vermutlich von MitarbeiterInnen des Luftwaffengeheimdienstes. Seine Familie teilte Amnesty International mit, bei der Festnahme habe man den Freund von Khairo al-Dabbas wissen lassen, dieser habe die Proteste in Daraya finanziell unterstützt. Der Familie wurde erklärt, Khairo al-Dabbas käme erst wieder frei, wenn sich sein 21-jähriger Sohn Islam al-Dabbas den Behörden stellt und schriftlich zusichert, nicht mehr an Demonstrationen teilzunehmen. Islam al-Dabbas hielt sich zu jenem Zeitpunkt versteckt. Er ist einer der Organisatoren der Proteste in Daraya, welche von wenigen Ausnahmen abgesehen friedlich verlaufen sind. In dem Bemühen, Angriffe auf die TeilnehmerInnen der Proteste zu verhindern, hat Islam al-Dabbas den anwesenden SoldatInnen Wasserflaschen überreicht, in die Blumen eingesteckt waren.

Am 22. Juli wurden Islam al-Dabbas, sein 24-jähriger Vetter 'Alaa al-Dabbas und der 32-jährige 'Abd al-Sattar al-Kholani von Personen festgenommen, bei denen es sich vermutlich um Angehörige des Geheimdienstes der Luftwaffe handelt. AktivistInnen aus Daraya berichteten, Islam und 'Alaa al-Dabbas seien während einer Protestveranstaltung verhaftet worden. 'Abd al-Sattar al-Kholani wurde offenbar festgenommen, weil er dem Geheimdienst der Luftwaffe nicht den Aufenthaltsort seines 22-jährigen Bruders Majd al-Din al-Kholani mitteilen wollte, der ebenfalls zu den Organisatoren der Protestveranstaltung in Daraya zählt und sich zu jenem Zeitpunkt versteckt hielt. Am 8. August wurde Majd al-Din al-Kholani schließlich doch festgenommen, vermutlich vom Geheimdienst der Luftwaffe.

Zum Kreis derjenigen Personen, die sich im April gezwungen sahen unterzutauchen, zählen die Brüder Yahya und Ma'an Shurbaji sowie Mohamed Tayseer Khoulani, Mazen Zyadeh und Ghayath Mattar. Sie alle wurden am 6. September dem Vernehmen nach vom Geheimdienst der Luftwaffe festgenommen. Vier Tage später übergab man der Familie von Ghayath Mattar dessen Leiche. Von offizieller Seite hieß es, er sei von "bewaffneten Banden" erschossen worden. Nach Angaben von AugenzeugInnen und durch Videoaufnahmen dokumentiert wies der Körper von Ghayath Mattar jedoch Spuren von Schlägen und anderweitigen Misshandlungen auf (s. UA-268/2011).


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Khairo al-Dabbas, Islam al-Dabbas, 'Alaa al-Dabbas, 'Abd al-Sattar al-Kholani und Majd al-Din al-Kholani werden den mir vorliegenden Informationen zufolge nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Bitte geben Sie umgehend den Aufenthaltsort der Männer bekannt und sorgen Sie dafür, dass sie umgehend Kontakt zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und ihren Familien aufnehmen dürfen und weder gefoltert noch misshandelt werden. Zudem müssen sie medizinisch versorgt werden, wenn dies erforderlich ist.

- Lassen Sie die Männer sofort und bedingungslos frei, wenn sie allein deswegen inhaftiert sind, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace, al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs
al-Rashid Street, Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6251


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herrn Radwan Loutfi
Rauchstr. 25
10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 26. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern about the continuing incommunicado detention of Khairo al-Dabbas, Islam al-Dabbas, 'Alaa al-Dabbas, 'Abd al-Sattar and Majd al-Din al-Kholani and urge the Syrian authorities to immediately disclose their whereabouts, allow them immediate access to their families, lawyers and any medical care they need, and to protect them against possible torture or other ill-treatment;

- Urge that the five detainees are released immediately and unconditionally if they are prisoners of conscience, detained solely for peacefully exercising their rights to freedom of expression and assembly.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-250/2011-1, AI-Index: MDE 24/054/2011, Datum: 14. September 2011 - bs/gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2011