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AKTION/796: Urgent Action - Äthiopien - Drohende Folter


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-282/2011, AI-Index: AFR 25/008/2011, Datum: 19. September 2011 - ns

Äthiopien
Drohende Folter


Herr ESKINDER NEGA
Herr ANDUALEM ARAGE
Herr NATHANIAL MEKONNEN
Herr ASAMINEW BERHANU
Herr ZEMENE MOLLA
Herr SILESHI HAGOS

Vier Oppositionelle und zwei Journalisten wurden der Teilnahme an terroristischen Aktivitäten beschuldigt und in Addis Abeba festgenommen. Ihnen drohen Folter und andere Misshandlungen. Amnesty International geht davon aus, dass sie nur aufgrund der Ausübung ihres legitimen Rechts auf freie Meinungsäußerung als Journalisten und Politiker festgenommen wurden.

Der Journalist Eskinder Nega und die oppositionellen Politiker Andualem Arage, Nathanial Mekonnen und Asaminew Berhanu, die der Partei Unity for Democracy and Justice (Einheit für Demokratie und Gerechtigeit, UDJ) angehören, sowie der Generalsekretär der nationaldemokratischen Partei Ethiopian National Democratic Party wurden am 14. September festgenommen. Der Journalist Sileshi Hagos wurde am 9. September festgenommen. Sie wurden alle aufgrund von Beschuldigungen der Teilnahme an Aktivitäten der von der Regierung verbotenen Partei Ginbot 7 festgenommen. Die Festgenommenen befinden sich im Gefängnis von Maikelawi, wo ihnen unmittelbar Folter sowie andere Misshandlungen drohen.

Die sechs Männer erschienen am 15. September vor Gericht und sollen weitere 28 Tage in Untersuchungshaft bleiben. Als Eskinder Nega vor Gericht gestellt wurde, durften weder Familienangehörige noch JournalistInnen den Gerichtssaal betreten. Dies bekräftigt die Vermutungen über Folter und Misshandlungen während seiner Haft. Gefangenen in Maikelawi wird während der Untersuchungshaft üblicherweise der Kontakt zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen verweigert. Ein Regierungssprecher konnte nicht bestätigen, dass die Politiker und Journalisten Zugang zu Rechtsbeiständen und ihren Familien haben.

Seit März wurden mindestens 100 Oppositionelle und sechs Journalisten in Äthiopien festgenommen. Sie alle wurden terroristischer Aktivitäten beschuldigt. Amnesty International befürchtet, dass die äthiopische Regierung mutwillig Personen festnimmt, die die Regierung kritisieren.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Zemene Molla bat vor Kurzem um die Genehmigung einer Demonstration in Addis Abeba. Eskinder Nega verfasste letzte Woche einen Artikel zum Neujahr in Äthiopien, in dem stand: "Vielleicht könnte 2004 das Jahr sein, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerdung und Versammlung respektiert wird...vielleicht könnte 2004 das Jahr sein, in dem Äthiopier nicht mehr für ihre politischen Ansichten festgenommen werden". Die Partei UDJ rief im neuen Jahr auf zu einem "friedlichen Kampf...der dem äthiopischen Volk den allseitigen Frieden bringt". Sileshi Hagos arbeitete für den Radiosender 96.3 FM in Addis Abeba. Er ist zudem der Lebensgefährte von Reyot Alemu, der im Juni festgenommen und Anfang September im Rahmen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes angeklagt wurde. Sileshi Hagos gab an, dass die Behörden kurz nach Reyot Alemus Festnahme seinen Laptop konfisziert und ihn verhört haben.

In Äthiopien werden Mitglieder der Opposition oftmals schikaniert und festgenommen. Zudem wird das Recht von JournalistInnen auf freie Meinungsäußerung häufig missachtet.

Anfang September wurde auch der bekannte Schauspieler und Mitglied der Opposition Debebe Eshetu festgenommen. In der gleichen Woche wurden fünf Journalisten, drei Äthiopier und zwei Schweden im Rahmen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes angeklagt. Zerihun Gebre-Egzabiher, Vorsitzender der äthiopischen nationaldemokratischen Partei, wurde im selben Fall wie die drei Journalisten angeklagt. Ein weiterer Journalist, Argaw Ashine, verließ das Land fluchtartig, nachdem er in einem Wikileaks-Bericht erwähnt und von den Behörden des Kommunikationsministeriums der Regierung als auch der Staatspolizei zu einer Befragung hinsichtlich seiner Kontaktpersonen zitiert wurde.

Ende August und Anfang September wurden neun Angehörige der Oppositionspartei zusammen mit 20 weiteren Personen aufgrund von Terrorismusanschuldigungen festgenommen. Darunter waren auch Bekele Gerba, Dozent an der Universität in Addis Abeba und stellvertretender Vorsitzender der Oppositionspartei Oromo Federalist Democratic Movement, und Olbana Lelisa, Mitglied der ebenfalls oppositionellen Partei Oromo People's Congress. Beide Mitglieder hatten sich kurz vor ihren Festnahmen mit Delegierten von Amnesty International getroffen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Bitte sorgen Sie dafür, dass die sechs Gefangenen weder gefoltert noch misshandelt werden.

- Sorgen Sie außerdem dafür, dass sie sofort Kontakt zu Rechtsbeiständen sowie Familienangehörigen aufnehmen dürfen.

- Eskinder Nega, Andualem Arage, Nathanial Nekonnen, Asaminew Berhanu, Zemene Molla und Sileshi Hagos müssen sofort freigelassen werden, wenn es keine glaubwürdigen Anklagepunkte gegen sie gibt. Sollte dies der Fall sein, müssen sie unverzüglich vor ein Gericht gestellt werden, das den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren entspricht.

- Ich fordere Sie dazu auf, keine Personen nur aufgrund ihrer politischen Ansichten festzunehmen.


APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT
Meles Zenawi
PO Box 1031,
Addis Ababa, ÄTHIOPIEN
Fax: (00 251) 11 552 030
(korrekte Anrede: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident / Dear Prime Minister)

JUSTIZMINISTER
Berhanu Hailu
PO Box 1370,
Addis Ababa, ÄTHIOPIEN
(korrekte Anrede: Sehr geehrter Herr Minister / Dear Minister)
Fax: (00 251) 115 517 775

POLIZEICHEF
Gebeyehu Workineh
PO Box 29507
Addis Ababa, ÄTHIOPIEN
Fax: (00 251) 11 551 1213
(korrekte Anrede: Sehr geehrter Herr Polizeichef/ Dear Commissioner)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER DEMOKRATISCHEN BUNDESREPUBLIK ÄTHIOPIEN
S.E. Herrn Kassahun Ayele Tesemma
Boothstraße 20 a, 12207 Berlin
Fax: 030-772 0624
E-Mail: Emb.ethiopia@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Amharisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Call on the Ethiopian authorities to ensure that the six detainees are not subjected to torture and other-ill treatment.

- Urge the Ethiopian authorities to grant them immediate access to lawyers and to their families.

- Urging that Eskinder Nega, Andualem Arage, Nathanial Mekonnen, Asaminew Berhanu, Zemene Molla and Sileshi Hagos should be immediately released unless there is a credible basis for charging them promptly and trying them in accordance with international standards of fair trial.

- Urge the Ethiopian authorities to stop the practise of arresting those who hold different political opinions.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN (FORTSETZUNG)

Im März diesen Jahres wurden mindestens 89 Mitglieder der beiden Oromo-Parteien festgenommen. Viele von ihnen waren ehemalige Mitglieder des Parlaments und hatten sich für den Wahlkampf von 2010 aufstellen lassen.

Alle oppositionellen Politiker und Journalisten, die in diesem Jahr festgenommen wurden, wurden terroristischer Aktivitäten beschuldigt. Alle Politiker, die der Volksgruppe der Oromo angehören, wurden beschuldigt, Teil der bewaffneten Oromo-Befreiungsfront (Oromo Liberation Front) zu sein. Dies wird seitens der Regierung oftmals behauptet, wenn es sich um Mitglieder der Oromo-Parteien handelt. Diejenigen, die einer anderen Volksgruppe angehören, werden entweder beschuldigt, der verbotenen Ginbot 7-Partei anzugehören oder an unabhängigen terroristischen Plänen beteiligt zu sein. Amnesty International befürchtet, dass diese Festnahmen und die legitime Einschränkung der Meinungsfreiheit im Rahmen des Terrorismusbekämpfungsgesetz einen andauernden Trend in Äthiopien darstellen. In den Bestimmungen des Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2009 werden terroristische Aktivitäten so weit ausgelegt, dass dies Anlass zur Sorge darüber gibt, dass auf diese Weise die Meinungsfreiheit und friedliche Versammlungen kriminalisiert werden. Im Jahr 2010 stimmte Äthiopien der Empfehlung im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung des UN-Menschenrechtsrates zu, "alle nötigen Schritte zu ergreifen, um einen freien und unabhängigen Medienapparat zu schaffen, der die Vielfalt aller Meinungen widerspiegelt".


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-282/2011, AI-Index: AFR 25/008/2011, Datum: 19. September 2011 - ns
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2011