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AKTION/822: Urgent Action - Israel / besetzte palästinensische Gebiete - Drohende Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-297/2011, AI-Index: MDE 15/036/2011, Datum: 5. Oktober 2011 - ns

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Drohende Zwangsräumung


Beduinenfamilien von:
SALEH ABU AMER
GHALEB FUQHA
MAHMOUD AYOUB

Am 18. September erwirkte das israelische Militär drei Anordnungen zur Einstellung von Tätigkeiten in vier Gebäuden in Tubas im Westjordanland. Diese Gebäude gehören drei palästinensischen Beduinenfamilien und könnten jederzeit zerstört werden, da diesen Anordnungen Abrissverfügungen folgen. Die Dörfer, in denen die Gebäude sich befinden, liegen in "Zone C", wo die israelischen Behörden praktisch jegliche Bebauung seitens der PalästinenserInnen unterbinden.

Die Anordnungen wurden für die Dörfer Tell al-Himma und al-Farisiya in der Gegend von Tubas im Westjordanland erteilt, da die Familien über keine Baugenehmigung verfügen, obwohl die Gebäude bereits fertiggestellt wurden.

In al-Farisiya wurde die Anordnung für ein Viehhaltungsgebäude der Familie Saleh Abu Amers erteilt und hat damit Auswirkungen auf sechs Personen, darunter zwei Kinder. In Tell al-Himma sind zwei Ställe der Familien von Ghaleb Fuqha und Mahmoud Ayoub, sowie ein weiteres Gebäude, das für Treffen und gesellschaftliche Anlässe genutzt wird und ebenfalls Familie Ayoub gehört, betroffen. Insgesamt sind 13 Personen, darunter neun Kinder, betroffen. Berichten zufolge wurden die Gebäude in Tell al-Himma vor drei Jahren von der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) gespendet.

Ghaleb Fuqha hat seinen Stall selbst abgebaut. Er gab an, dass er befürchte "wenn sie dies jetzt abreißen, wird als nächstes mein Haus dran sein". Seine Herde, bestehend aus 50 Schafen, wird somit der starken Sonneneinstrahlung und dem bevorstehenden Winter schutzlos ausgeliefert sein.

Beide Dörfer befinden sich in "Zone C", die 60 Prozent des besetzten Westjordanlandes ausmacht. Der Bau von Häusern und anderen Gebäuden ist in diesem Gebiet praktisch untersagt. Bauanträge werden ausnahmslos abgelehnt, da das Land größtenteils für die nach dem Völkerrecht rechtswidrigen israelischen Siedlungen oder Militärgebiete vorgesehen ist.

Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) in den besetzten palästinensischen Gebieten teilte mit, dass seit Juli 2010 insgesamt 117 Gebäude, darunter auch Wohnhäuser, in al-Farisiya zerstört wurden. Daraufhin mussten 129 Menschen, darunter auch 63 Kinder, umgesiedelt werden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Ein lokales Ratsmitglied teilte Amnesty International mit, dass seit der Zerstörung eines Backsteinhauses durch die israelische Armee im Jahr 1989 keine Abrisse in Tel al-Himma stattgefunden hätten. Die besetzten palästinensischen Gebiete wurden aufgrund der historischen Entwicklung während der Osmanischen Epoche, in der BewohnerInnen ihr Land gewöhnlich nicht eintragen ließen, zu israelischem Staatsgebiet erklärt. Im Gegensatz zum Großteil des Landes, werden Landstücke in Tel al-Himma als privates Eigentum eingetragen.

Am 6. August 2010 veröffentlichte Amnesty International die Urgent Action UA-148/2010-2 im Namen von 92 PalästinenserInnen aus dem Dorf Hmayyir in der Gegend al-Farisiya, deren Unterkünfte am Tag zuvor zerstört worden waren (MDE 15/018/2010, 6.August 2010). Dabei wurden 27 Zelte, die als Unterkunft dienten, und zehn landwirtschaftliche Gebäude abgerissen. Die Zelte waren gerade erst aufgestellt worden. Das Internationale Rote Kreuz und das Ministerium für Kommunalverwaltung der palästinensischen Autonomiebehörde hatte sie den Familien zur Verfügung gestellt, nachdem die israelische Armee 74 Grundstücke und Gebäude, darunter auch Wohnhäuser von Familien, zerstört hatte. Über 100 Personen waren davon betroffen. Tubas liegt innerhalb von "Zone C" und steht somit unter israelischer Kontrolle. Für PalästinenserInnen, die in dieser Zone wohnen, herrschen strenge Bauvorschriften und es kommt wiederholt zum Abriss ihrer Gebäude. Die palästinensische Bevölkerung im Jordantal wohnte bereits lange Zeit vor der Besetzung des Westjordanlandes durch das israelische Militär im Jahr 1967 dort. Als die ärmste und schutzloseste Bevölkerungsgruppe sind sie ständig Opfer von diskriminierenden politischen Maßnahmen im Bereich der Planung, des Baus sowie dem Zugang zu Land und Wasser und stehen unter besonders starkem Druck. Den BewohnerInnen von Tubas sowie den im Jordantal und Westjordanland lebenden PalästinenserInnen droht die ständige Gefahr der Zwangsräumungen ihrer Unterkünfte und Grundstücke durch die israelische Armee. Außerdem herrschen für sie strenge Vorschriften im Hinblick auf Umzüge.

Am 29. Juli veröffentlichte der UN-Menschenrechtsausschuss seine Beobachtungen, nachdem er den israelischen Bericht zur Umsetzung seiner Verpflichtungen aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Israel ist, begutachtet hatte. Der Ausschuss brachte seine Sorge zum Ausdruck über Israels "häufigen behördlichen Abriss von Eigentum, Wohnraum sowie Schulen im Westjordanland und Ostjerusalem aufgrund fehlender Baugenehmigungen, die den PalästinenserInnen häufig verwehrt werden" und diskriminierender kommunaler Planung, besonders in der "Zone C" des Westjordanlandes sowie in Ostjerusalem, die die jüdische Bevölkerung dieser Gegenden in unverhältnismäßiger Weise bevorzugt. Israel wurde aufgefordert, "seine Wohnungspolitik und Ausstellung von Baugenehmigungen zu überdenken und Baugenehmigungen in Hinblick auf die Umsetzung des Prinzips der Nichtdiskriminierung von Minderheiten, insbesondere PalästinenserInnen, zu erteilen" (siehe
http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/docs/CCPR.C.ISR.CO.3.doc).


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, sicherzustellen, dass die Anordnungen zum "Arbeitsstopp" in Tell al-Himma und al-Farisiya mit sofortiger Wirkung zurückgezogen werden. Außerdem möchte ich meine Sorge darüber äußern, dass der Abriss der Gebäude die Nutztiere der Familien stark gefährden würde.

- Ich bitte um den unverzüglichen Erlass eines Moratoriums für den Abriss von Häusern und Gebäuden sowie die Zwangsräumungen im Westjordanland. Bitte überprüfen Sie Ihre Wohnungspolitik sowie die Ausstellung von Baugenehmigungen, sodass diese den Empfehlungen des UN-Menschenrechtskomitees entsprechen.


APPELLE AN

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Ehud Barak
Ministry of Defence
37 Kaplan Street, Hakirya,
Tel Aviv 61909, ISRAEL (korrekte Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 3 691 6940 oder 3 696 2757
E-Mail: minister@mod.gov.il

MILITÄRRICHTER
Major General Avihai Mandelblit
6 David Elazar Street, Hakirya,
Tel Aviv, ISRAEL (korrekte Anrede:Dear Judge Advocate General / Sehr
geehrter Herr Militärrichter)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avimn@idf.gov.il

STABSCHEF DER ISRAELISCHEN VERTEIDIGUNGSSTREITKRÄFTE (IDF)
Lieutenant-General Benny Gantz
c/o Ministry of Defence
7 A' Street, Hakirya
Tel Aviv, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 3 6916940 oder 6976218


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Yoram Ben Zeev
Auguste-Viktoria-Straße 74-76,
14193 Berlin
Fax: (030) 8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. November 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Israeli authorities to ensure that the "stop work" orders in Tell al-Himma and al-Farisiya are immediately withdrawn and express concern that the destruction of the properties would pose a serious threat to the livelihoods of the families.

- Calling on the authorities to place an immediate moratorium on house demolitions and forced evictions in the West Bank and to review its housing policy and issuance of construction permits in accordance with the UN Human Rights Committee's recommendations.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-297/2011, AI-Index: MDE 15/036/2011, Datum: 5. Oktober 2011 - ns
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2011