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AKTION/849: Urgent Action - USA (Idaho) - Hinrichtungstermin am 18. November


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-325/2011, AI-Index: AMR 51/089/2011, Datum: 4. November 2011 - gs

USA (Idaho)
Hinrichtungstermin: 18. NOVEMBER


Herr PAUL RHOADES, 54 Jahre alt

Im US-Bundesstaat Idaho ist erstmals seit 1994 eine Hinrichtung anberaumt worden. Es wäre die zweite Hinrichtung in diesem Bundesstaat innerhalb von über 50 Jahren. Am 18. November soll nach den Plänen der Behörden der 54 Jahre alte Gefangene Paul Rhoades durch die Giftspritze hingerichtet werden. Er sitzt seit März 1988 im Todestrakt.

Paul Rhodes war am 25. März 1987 im Alter von 30 Jahren festgenommen und angeklagt worden, in den Monaten zuvor drei Menschen ermordet zu haben. Bei den Opfern handelt es sich um die Lehrerin Susan Michelbacher sowie um Stacy Baldwin und Nolan Haddon, zwei Kaufhausangestellte. Paul Rhoades wurde in zwei getrennten Verfahren wegen Mordes an Stacy Baldwin und Susan Michelbacher jeweils zum Tod verurteilt. Im Zusammenhang mit dem Mord an Nolan Haddon erging gegen ihn eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Paul Rhoades hat einen Antrag auf Umwandlung des Todesurteils in eine lebenslange Gefängnisstrafe ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung eingereicht. In seinem Antrag führt er aus: "Ich habe den Tod von drei Menschen zu verantworten... Ich kann den Verlust und die Schmerzen, die ich ihnen und ihren Familien zugefügt habe, nicht wiedergutmachen... In den zurückliegenden 24 Jahren habe ich gelernt, dass ich meine Schuld und meine Bußfertigkeit nur zeigen kann, indem ich Reue für meine Taten empfinde. Ich muss Wege der Wiedergutmachung finden, auch wenn meine Bemühungen im Lichte der vor mir begangenen Verbrechen belanglos erscheinen mögen... Ich versuche, Wiedergutmachung zu leisten, indem ich anderen Menschen helfe, ihre Wut in Versöhnung umzuwandeln... Ich hoffe, anderen Menschen zeigen zu können, dass ein sinnhafteres Leben, ob innerhalb der Gefängnismauern oder draußen in der Welt, in der Zuwendung zu unseren Mitmenschen besteht."

Zahlreiche ehemalige und noch einsitzende Gefangene, darunter auch Todestraktinsassen, haben in Briefen an den Begnadigungsausschuss von Idaho geschildert, wie Paul Rhoades ihr Leben verändert hat, indem er ihnen Unterstützung zukommen ließ und sie davon überzeugte, der Gewalt abzuschwören.

Die Kindheit von Paul Rhoades war von körperlicher Gewalt und psychologischem wie emotionalem Missbrauch geprägt. Zu seinem weiteren Familienkreis zählen Menschen, die straffällig geworden sowie geistig und in ihrer sonstigen Entwicklung zurückgeblieben sind, die drogenabhängig sind, unter Depressionen leiden und versucht haben, sich das Leben zu nehmen. Im Jahr 2006 kam ein Psychologe zu der Einschätzung: "Paul Rhoades ist in einer Familie aufgewachsen, die ihm keine normale Entwicklung ermöglicht hat. Er war wiederholt Gewalt sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch ausgesetzt... Paul Rhoades hat in seiner Entwicklung Schäden davongetragen und kaum Chancen erhalten, zu einem gesunden Menschen heranzuwachsen". Die ersten Drogen hat er im Alter von 13 oder 14 Jahren eingenommen. Zum Zeitpunkt der von ihm begangenen Verbrechen war er bereits seit mehr als zehn Jahren hochgradig von Methamphetaminen und anderen Drogen abhängig". In den Monaten vor den Taten hat er seinen Konsum an Methamphetaminen in einem vom Körper fast nicht mehr ertragbaren Maß gesteigert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Eine mit dem Fall von Paul Rhoades befasste Psychiaterin hat in einer eidesstattlichen Versicherung, die sich auf zum Zeitpunkt der Urteilsfindung noch nicht verfügbare Erkenntnisse gründet und die dem Gnadengesuch von Paul Rhoades beigefügt ist, erklärt: "Die genetischen Vorgaben und die soziale Entwicklung haben ein perfektes Zusammenspiel an Risikofaktoren für Drogenmissbrauch bewirkt... Herr Rhoades hat regelmäßig Drogen eingenommen und den Konsum in den Monaten vor den Taten erheblich gesteigert. Die ununterbrochene Einnahme von Methamphetaminen schädigt das Gehirn." Der extrem hohe Drogenkonsum von Paul Rhoades, so die Psychiaterin weiter, "birgt die Gefahr einer signifikanten Schädigung der Gehirnfunktionen" mit der möglichen Folge einer Beeinträchtigung der Gedächtnisleistungen, des Urteilsvermögens, komplexer Entscheidungsprozesse und der Impulssteuerung. Jüngste Erhebungen, auch darauf verweist die Psychiaterin in ihrem Gutachten, zeigen, dass ein Gefängnisinsasse, der über Jahre hinweg Methamphetamine zu sich genommen hat, mit neunmal höherer Wahrscheinlichkeit ein Tötungsdelikt begangen hat als ein von der Droge unbelasteter Mensch. Die RichterInnen, die Paul Rhoades zum Tod verurteilten, hatten keine umfassenden Informationen über den Lebenshintergrund und die schwere Drogenabhängigkeit des Angeklagten. Ebenso wenig konnten sie um das schwere Abhängigkeitspotential von Methamphetaminen und die Gehirnleistung verändernde Wirkung der Droge wissen. Auch die Tatsache, dass Tötungsdelikte vermehrt unter der Einnahme von Methamphetaminen begangen werden, war den RichterInnen nicht bekannt. In den Todestrakten des Bundesstaates Idaho sitzen derzeit 13 Männer und eine Frau ein. Die seit 1957 erste und bis heute letzte Hinrichtung in Idaho hat 1994 stattgefunden. Damals war Keith Wells exekutiert worden, nachdem er darauf verzichtet hatte, Rechtsmittel gegen sein Todesurteil einzulegen.


Nähere Informationen zu Paul Rhoades finden sie auf Englisch unter
http://www.fdsidaho.org/clemency/rhoades/home.html.

EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE, FAXE ODER E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich beobachte mit Sorge, dass der US-Bundesstaat Idaho allem Anschein nach seine erste Hinrichtung seit 17 Jahren vollziehen will.

- Mir ist die Schwere der begangenen Verbrechen und das dadurch ausgelöste Leid durchaus bewusst.

- Ich möchte aber auch die schwere Kindheit von Paul Rhoades in Erinnerung rufen und verweise auf seine Bemühungen in der Haft, Wiedergutmachung für das von ihm begangene Unrecht zu leisten.

- Ich möchte Sie höflich darauf hinweisen, dass sich auch innerhalb der USA immer mehr Menschen gegen die Todesstrafe aussprechen. Die USA stehen mit dem Festhalten an der Todesstrafe zunehmend alleine da.

- Ich bitte Sie dringend, vom Vollzug der Todesstrafe an Paul Rhoades abzusehen.


APPELLE AN

BEGNADIGUNGSAUSSCHUSS
3056 Elder Street
Boise, ID 83705, USA
Fax: (00 1) 208 334 3501

GOUVERNEUR VON IDAHO
Governor C.L. 'Butch' Otter
Office of the Governor
State Capitol
PO Box 83720
Boise, ID 83720, USA
Fax: (001) 208 334 3454

KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S.E. Herrn Philip Dunton Murphy
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm

RECHTSANWALT VON PAUL RHOADES
Oliver_Loewy@fd.org


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle vor dem 18. November 2011.
Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern that the State of Idaho is due to carry out its first execution in 17 years.

- Explain that you are not seeking to downplay the seriousness of these crimes or the suffering caused.

- Note Paul Rhoades' difficult background, and his positive efforts in prison to try to make amends for his crimes.

- Note the growing concern in the USA about the death penalty, and the isolation of the USA on this issue;

- Call for clemency to be granted to Paul Rhoades.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

In den vergangenen vier Jahren haben mit New Jersey, New Mexico und Illinois drei Bundesstaaten der USA die Todesstrafe abgeschafft. Als die dortigen Gouverneure den entsprechenden Gesetzen mit ihrer Unterschrift Rechtskraft verliehen, hoben sie die Risiken hervor, die der Todesstrafe innewohnen. Sie verwiesen auf die Gefahr nicht wieder gut zu machender Fehlurteile und die Unfairness der Todesstrafe, auf ihre diskriminierende Anwendung und ihre Kosten zu Lasten der Verbrechungsverhütung und der Hilfe für die Opfer von Straftaten. Die Gouverneure betonten, dass eine abschreckende Wirkung der Todesstrafe niemals nachgewiesen werden konnte, dass von ihr vielmehr ein brutalisierender Effekt auf die Gesellschaft ausgeht. Im Jahr 2008 erklärte Richter John Paul Stevens, seinerzeit dienstältestes Mitglied des Obersten Gerichtshofs der USA, seine 33-jährige Tätigkeit als Oberster Richter habe ihn gelehrt, dass "die Todesstrafe nichts anderes als die sinnlose und nutzlose Auslöschung von Menschenleben bedeutet".

Internationale Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte wie beispielsweise Artikel 6 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte nehmen zwar zur Kenntnis, dass einige Staaten noch an der Todesstrafe festhalten, verweisen aber zugleich darauf, dass dieser Istzustand nicht dazu herangezogen werden darf, "um die Abschaffung der Todesstrafe durch einen Vertragstaat zu verzögern oder zu verhindern". Die USA haben den Pakt vor inzwischen fast 20 Jahren ratifiziert. Der UN-Menschenrechtsausschuss, ein mit der Überwachung der Einhaltung des Pakts betrautes Sachverständigengremium, hat sich dahingehend geäußert, dass sich Artikel 6 "allgemein auf die Abschaffung der Todesstrafe in einer Weise bezieht, die sehr nahe legt, dass die Abschaffung der Todesstrafe wünschenswert ist" und dass "alle Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe als Fortschritt im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Leben betrachtet werden sollten". Seit der letzten Hinrichtung in Idaho vor 17 Jahren haben rund 40 Staaten die Todesstrafe abgeschafft. Derzeit beläuft sich die Zahl der Staaten, die die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft haben, auf 139.

Die RechtsanwältInnen von Paul Rhoades haben auf der Ebene der Bundesgerichtsbarkeit Klage gegen die Praxis der Hinrichtung per Giftspritze eingereicht. In den zurückliegenden Monaten und Jahren hat Amnesty International in verschiedenen Veröffentlichungen zur Menschenrechtssituation in den USA Hinrichtungen durch die Giftspritze und die Beschaffung der dafür notwendigen Injektionsmittel dokumentiert und angeprangert (siehe An embarrassment of hitches, Juli 2011, http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/058/2011/en). Amnesty International wendet sich ungeachtet der Art des Verbrechens, der Person des Täters oder der Hinrichtungsmethode bedingungslos gegen die Todesstrafe. Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 1977 sind in den USA 1273 Menschen von Staats wegen getötet worden, 39 von ihnen im laufenden Jahr.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-325/2011, AI-Index: AMR 51/089/2011, Datum: 4. November 2011 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2011