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AKTION/867: Urgent Action - Guatemala - Bevölkerung durch Bergbau in Gefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-352/2011, AI-Index: AMR 34/016/2011, Datum: 12. Dezember 2011 - gs

Guatemala
Bevölkerung durch Bergbau in Gefahr


BEWOHNERINNEN IM DEPARTMENT SANTA ROSA

Der im guatemaltekischen Kabinett für Bergbau zuständige Minister muss bis zum 11. Januar 2011 entscheiden, ob er einem Bergbauunternehmen die Genehmigung für den Abbau von Metallen und Mineralien im Department Santa Rosa im Südwesten des Landes erteilt. Die Bevölkerung vor Ort ist zu den Plänen bislang nicht angehört worden.

Bei der Firma, die den Metall- und Mineralienabbau plant, handelt es sich um die Minera San Rafael S.A., ein Tochterunternehmen der kanadischen Tahoe Resources Inc. Die Firma hat bereits eine entsprechende Genehmigung zum Abbau der Bodenschätze in der Gemeinde San Rafael Las Flores eingeholt. Die Genehmigung muss alle zwei Jahre neu beantragt werden, während die Abbaurechte selbst für einen Zeitraum von 25 Jahren vergeben werden. Die Bevölkerung vor Ort ist unter Verstoß gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen Guatemalas nicht in den Vergabeprozess eingebunden worden. Auch erhielten weder die ortsansässigen Menschen noch Umweltschutzorganisationen Einblick in die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung, die vorgenommen worden sein soll, um den Genehmigungsantrag von Minera San Rafael S.A zu unterstützen. Am 1. Dezember 2011 beantragte die Umweltschutzorganisation Madre Selva beim Ministerium für Umwelt und Naturschutz Einblick in die entsprechenden Unterlagen.

Ein Großteil der in der Nähe der Mine siedelnden Menschen verdienen ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Feldfrüchten. Es wird befürchtet, dass bei dem geplanten Abbau von Metallen und Mineralien Zyanid und andere toxische Chemikalien zum Einsatz kommen, die das Wasser verunreinigen könnten, mit dem die Felder bewässert werden. Von Ortsansässigen hat Amnesty International erfahren, dass eine Firma bereits Vorbehalte gegen den weiteren Ankauf von Früchten angemeldet hat, falls der Abbau von Bodenschätzen an der dafür vorgesehenen Stelle tatsächlich stattfinden sollte.

Am 29. November gab das Ministerium für Bergbau und Energie im Amtsblatt Diario de Centroamericana und in der Tageszeitung Nuestro Diario den Antrag auf Abbaugenehmigung bekannt. Keines der beiden Blätter wird im Department Santa Rosa vertrieben. Nach Veröffentlichung des Antrags verbleiben dem Ministerium 30 Arbeitstage, um die Abbaulizenz zu erteilen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die guatemaltekischen Behörden vor der Vergabe von Abbaulizenzen für Mineralien die örtliche Bevölkerung nur unzulänglich in die Entscheidungsprozesse einbezogen haben. Der UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten indigener Völker hat nach einem Besuch in Guatemala im Juni 2010 auf ihm zur Kenntnis gebrachte Vorwürfe hingewiesen, dass die guatemaltekische Regierung vielfach Lizenzen zum Abbau von Rohstoffen auf Ländereien der indigenen Völker erteilt hat, ohne zuvor den notwendigen Konsultationsprozess mit den betroffenen Gemeinschaften eröffnet zu haben.

Mögliche nachteilige Auswirkungen des Rohstoffabbaus auf die Menschenrechte müssen mit der davon betroffenen Bevölkerung besprochen und abzuwenden versucht werden. Sie müssen rechtzeitig im Vorfeld ermittelt und bekannt gemacht werden, damit eine sorgfältige Prüfung unter Beachtung des Verbots der Diskriminierung und des Grundsatzes des freien Zugangs zu Informationen stattfinden kann. Nur so ist eine effektive Teilhabe der örtlichen Bevölkerung am Entscheidungsprozess möglich, so dass sie ihre Zustimmung ohne äußere Zwänge und in Kenntnis der Sachlage erteilen kann. Das Versagen der Behörden, die Menschenrechte von Gemeinschaften zu schützen, auf deren Lebenssituation der Abbau von Rohstoffen Einfluss hat, ist von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission kritisch kommentiert worden. Im Mai 2010 hat die Kommission, bei der es sich um ein zwischenstaatliches Gremium handelt, die guatemaltekische Regierung aufgefordert, den Betrieb der Marlin-Mine im Westen des Landes einzustellen. Darüber hinaus hat die Kommission von Guatemala verlangt, bis zu ihrer rechtskräftigen Entscheidung über eine Petition örtlicher Gemeinden Maßnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden zu ergreifen. Am 23. Juni 2010 gab die guatemaltekische Regierung bekannt, dem Ansinnen der Menschenrechtskommission entsprechen und den Abbau von Bodenschätzen vorläufig aussetzen zu wollen. Tags darauf wies die Regierung jedoch darauf hin, dass eine solche Maßnahme Zeit benötige, da rechtliche und administrative Verfahren eingehalten werden müssten. Der Betrieb der Marlin-Mine dauert bis heute an.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass die Behörden die vom Betrieb der Mine im Department Santa Rosa voraussichtlich betroffenen Gemeinschaften nicht zu dem Vorhaben konsultiert haben.

- Ich erwarte, dass dem Unternehmen Tahoe Resources Inc. Abbaurechte erst dann erteilt werden, wenn sämtliche relevanten Informationen offen gelegt sind und mit allen von der Maßnahme voraussichtlich betroffenen Menschen ein zielführender Konsultationsprozess stattgefunden hat.

- Stellen Sie bitte sicher, dass die Beratungen zu dem laufenden wie auch zu zukünftigen Abbauprojekten eine sorgfältige Prüfung der Auswirkungen auf die betroffenen Gemeinschaften umfasst. Die Gemeinschaften müssen wirksam in die Beratungen eingebunden werden und frei sowie in Kenntnis der Sachlage zu einer Entscheidung finden können.


APPELLE AN

MINISTER FÜR ENERGIE UND BERGBAU
Alfredo Pokus Yaquilan
Ministerio de Eenergia y Minas
Diagonal 17 29-78, zona 11, Colonia Las Carchas
Ciudad de Guatemala, GUATEMALA (korrekte Anrede: Dear Minister / Estimado Sr. Ministro / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 502) 2476 3175

MINISTER FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ
Dr. Luis Zurida Tablada
Ministerio de Ambiente y Recursos Naturales
20 calle 28-58 zona 10
Ciudad de Guatemala, GUATEMALA
(korrekte Anrede: Dear Minister/ Estimado Sr. Ministro/ Sehr geehrter Herr Minister)
E-Mail: ministro.ambientern@marn.gob.gt


KOPIEN AN

MENSCHENRECHTSORGANISATION
MADRESEL VA.
Colectivo MadreSelva
6a avenida 2-60, zona 2
Ciudad de Guatemala
GUATEMALA
E-Mail: colectivomadreselva@gmail.com

BOTSCHAFT DER REPUBLIK GUATEMALA
S.E. Herrn Carlos Jiménez Licona
Joachim-Karnatz-Allee 45-47, 2. OG.
10557 Berlin
Fax: 030-2064 3659
E-Mail: embaguate.alemania@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. Januar 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Expressing concern that the authorities have not consulted with the communities likely to be impacted by the operation of the mine in the department of Santa Rosa.

- Requesting that no exploitation license be granted to Tahoe Resources Inc. until there has been full disclosure of relevant information and a meaningful consultation with those potentially affected has taken place.

- Calling for assurances that the consultation on this mining project and future mining projects will allow for a careful examination of the impact on communities affected, in a manner that means the communities can participate effectively, and determine their free, prior and informed consent.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Nach dem Völkerrecht ist die guatemaltekische Regierung verpflichtet, indigene Völker in Entscheidungsprozesse über Investitionsvorhaben einzubinden. Eine solche Verpflichtung ergibt sich unter anderem aus der von Guatemala unterstützten UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker von 2007 sowie aus dem Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern, das die guatemaltekische Regierung 1996 ratifiziert hat. Die Verpflichtung bezieht sich unter anderem auf Projekte, die mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen auf Ländereien indigener Völker einhergehen.

Darüber hinaus ist Guatemala als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verpflichtet, das Recht sowohl von Einzelpersonen als auch Gemeinschaften auf Teilhabe an Entscheidungsprozessen zu achten, welche die Wahrnehmung ihrer Menschenrechte berühren. Damit eine solche Teilhabe effektiv wahrgenommen werden kann, müssen die Menschen über anstehende Entscheidungen rechtzeitig und umfassend sowie unter Wahrung der Grundsätze auf Zugang zu Informationen und Verhütung von Diskriminierung in Kenntnis gesetzt werden.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-352/2011, AI-Index: AMR 34/016/2011, Datum: 12. Dezember 2011 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2011