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AKTION/969: Urgent Action - Israel - Palästinensische Gefangene im Hungerstreik


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-071/2012, AI-Index: MDE 15/010/2012, Datum: 2. März 2012 - gs

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Palästinensische gefangene im Hungerstreik


HANA SHALABI, 30 Jahre alt

Die palästinensische Gefangene Hana Shalabi verweigert seit dem 16. Februar 2012 die Nahrungsaufnahme. Mit ihrer Aktion protestiert sie gegen ihre anhaltende Inhaftierung durch die israelischen Behörden ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Der Rechtsanwalt von Hana Shalabi hat beantragt, seine Mandantin in ein Krankenhaus zu verlegen, damit sie dort medizinisch versorgt werden kann. Eine Antwort der Behörden auf diesen Antrag steht weiterhin aus. Die gesundheitliche Verfassung von Hana Shalabi wird derweil offenbar immer kritischer.

Am 16. Februar 2012 nahmen israelische SoldatInnen Hana Shalabi in ihrer Wohnung in der Ortschaft Burquin im Westjordanland fest und brachten sie zur Vernehmung zunächst in das Haftzentrum Salem. Tags darauf wurde die Palästinenserin in das im Norden Israels gelegene Haftzentrum Hasharon eingeliefert. Am 23. Februar erging gegen Hana Shalabi eine sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung, unterschrieben von einem Militärbefehlshaber. Ein Militärrichter überprüfte die Anordnung am 29. Februar, gab jedoch keine Entscheidung bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass der Richter die Anordnung bestätigen, die Haftdauer aber möglicherweise verkürzen wird.

Noch am Tag ihrer Festnahme trat die 30 Jahre alte Hana Shalabi nach Auskunft ihres Rechtsanwalts in den Hungerstreik, um auf diese Weise gegen ihre Misshandlung und aus ihrer Sicht willkürliche Festnahme durch die israelischen Behörden zu protestieren. Es heißt, die gesundheitliche Verfassung der Palästinenserin sei zunehmend angegriffen, ansonsten sei sie aber guter Dinge. Der Rechtsanwalt von Hana Shalabi beantragte beim Gefängnisdienst (Israeli Prison Service - IPS), seine Mandantin in das Gefängniskrankenhaus von Ramleh zu verlegen, damit sie dort medizinisch versorgt werden kann. Außerdem stellte er den Antrag, MitarbeiterInnen der NGO Ärzte für Menschenrechte zu Hana Shalabi vorzulassen. Eine Antwort des IPS auf die beiden Ersuchen steht noch aus.

Nach Auskunft des Rechtsanwalts von Hana Shalabi wie auch der Nichtregierungsorganisation Addamer (Ärzte für Menschenrechte in Israel) ist Hana Shalabi zwischen dem 16. und 27. Februar, als der Gefängnisdienst ihr eine Gemeinschaftszelle mit anderen Häftlingen zuwies, überwiegend in Einzelhaft gehalten worden. Die Familie von Hana Shalabi hat die 30-Jährige seit ihrer Festnahme noch nicht besuchen dürfen und wartet derzeit auf eine entsprechende Genehmigung der israelischen Behörden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Hana Shalabi stammt aus Burqin, einer Ortschaft am Rande der Stadt Jenin im Westjordanland. Nach Auskunft ihrer Familie hatte sie vor ihrer jüngsten Festnahme die Absicht, am Kolleg Al-Rawda in Nablus eine Ausbildung zur Krankenpflegerin zu beginnen. Die israelischen Behörden hatten Hana Shalabi am 14. September 2009 schon einmal festgenommen und 25 Monate lang ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten.

Am 18. Oktober 2011 war Hana Shalabi im Zuge eines zwischen Israel und Hamas vereinbarten Gefangenenaustauschs wenige Tage vor Ablauf ihrer Verwaltungshaftanordnung freigekommen. Die Vereinbarung hatte im Gegenzug für die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit zur Haftentlassung von 1083 palästinensischen Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen geführt. Gegen Hana Shalabi ist keine Strafanklage erhoben worden.

Am 16. Februar 2012 wurde Hana Shalabi erneut festgenommen und Verwaltungshaft gegen sie angeordnet. Nach Angaben ihres Rechtsanwalts werfen die israelischen Behörden der Palästinenserin vor, sie sei in Aktivitäten verwickelt, welche die Sicherheit Israels gefährden. Hana Shalabi wird auf der Grundlage "geheimer Beweise" in staatlichem Gewahrsam gehalten, deren Bekanntgabe die israelischen Behörden unter Verweis auf Sicherheitsinteressen ablehnen. Da weder den Gefangenen selbst noch ihren RechtsanwältInnen Einblick in die Unterlagen gewährt werden, ist ihnen auch die Möglichkeit entzogen, die Inhaftierungsgründe anzufechten. Gegen Hana Shalabi liegt keine Strafanklage vor. Ebenso wenig besteht eine realistische Chance, dass sie in einem Gerichtsverfahren die Möglichkeit erhält, ihre Unschuld zu beweisen.

Nach Artikel 9 und 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), zu dessen Vertragsstaaten Israel zählt, haben inhaftierte Menschen einen verbrieften Anspruch unter anderem auf folgende Rechte: das Recht auf sofortige und umfassende Bekanntgabe der Haftgründe; das Recht, bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten; das Recht, Fragen an die BelastungszeugInnen zu stellen oder stellen zu lassen; das Recht auf öffentliche Verhandlung.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie höflich auf, unverzüglich sicherzustellen, dass Hana Shalabi angemessen medizinisch versorgt und menschlich behandelt wird. Sie darf keinesfalls wegen des von ihr begonnenen Hungerstreiks bestraft werden.

- Ich bitte um die sofortige Freilassung von Hana Shalabi und der übrigen in Verwaltungshaft befindlichen PalästinenserInnen, sofern sie nicht umgehend einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt und unter Wahrung internationaler Standards in einem fairen Prozess vor Gericht gestellt wird

- Ich fordere Sie höflich auf, dafür Sorge zu tragen, dass Hana Shalabi regelmäßig zu ihren RechtsanwältInnen sowie zu Ärzten und ihrer Familie Kontakt erhält.


APPELLE AN

GENERALANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Judge Advocate General /Sehr geehrter Herr Generalanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avimn@idf.gov.il

KOMMANDEUR DES ZENTRALKOMMANDOS DER STREITKRÄFTE - WESTJORDANLAND
Major-General Avi Mizrahi
GOC Central Command
Military Post 01149, Battalion 877
Israel Defence Forces, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Major-General Avi Mizrahi/ Sehr geehrter Herr Generalmajor)
Fax: (00 972) 2 530-5724

STELLVERTRETENDER MINISTERPRÄSIDENT UND VERTEIDIGUNGSMIINISTER
Ehud Barak
Ministry of Defence
37 Kaplan Street, Hakirya
Tel Aviv 61909
ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Minister/ Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 3 69-169 40 oder 3 69-627 57


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76, 14193 Berlin
Fax: (030) 8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Israeli authorities to give Hana Shalabi immediate access to adequate medical care, and to ensure she is treated humanely at all times, and not punished in any way for her hunger strike.

- Calling on the Israeli authorities to immediately release Hana Shalabi and other Palestinians held in administrative detention, unless they are promptly charged with internationally recognizable criminal offences and brought to trial in full conformity with international fair trial standards.

- Call on the Israeli authorities to allow her regular access to her lawyers, doctors and family.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

All diese Rechte werden von den israelischen Behörden durchgängig verletzt. Um die Gründe für ihre Inhaftierung zu erfahren, steht Verwaltungshäftlingen vielfach nur die Möglichkeit offen, eine Berufungsverhandlung zu beantragen. Bis eine solche Verhandlung anberaumt wird, können Wochen, wenn nicht sogar Monate verstreichen. Die Beweislage gegen Verwaltungshäftlinge wird in nicht-öffentlicher Sitzung geprüft und weder den Gefangenen selbst noch ihren VerteidigerInnen zur Kenntnis gebracht. Somit haben sie keine Möglichkeit, die Beweise anzufechten.

Amnesty International bekräftigt ihre seit vielen Jahren an die israelischen Behörden gerichtete Forderung, die Praxis der Verwaltungshaft einzustellen. Verwaltungshäftlinge, die einzig und allein aufgrund ihrer politischen Überzeugungen und gewaltfreien Aktivitäten in Gefangenschaft gehalten werden, müssen unverzüglich frei gelassen werden. Besteht der Verdacht einer Straftat, so müssen die betreffenden Personen einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt und unter Beachtung international anerkannter Grundsätze für einen fairen Prozess umgehend vor Gericht gestellt werden. Nach Angaben der israelischen Strafvollzugsbehörden befanden sich am 30. Januar 2012 insgesamt 309 PalästinenserInnen in Verwaltungshaft, seitdem könnte die Zahl noch angestiegen sein. Zu den derzeit in Verwaltungshaft einsitzenden PalästinenserInnen zählen auch 21 Abgeordnete des palästinensischen Parlaments. Ein Gefangener befindet sich mittlerweile bereits seit fünf Jahren in Verwaltungshaft.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-071/2012, AI-Index: MDE 15/010/2012, Datum: 2. März 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2012