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ASIEN/215: China unterstützt das Militärregime in Myanmar (ai journal)


amnesty journal 12/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

Ein Freund und Helfer
China unterstützt aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen das Militärregime in Myanmar.

Von Verena Harpe


Die Protestbewegung in Myanmar ist niedergeschlagen. Immer noch gehen Berichte über willkürliche Verhaftungen ein. Inhaftierte werden in unfairen Verfahren verurteilt. Militär und Polizeikräfte halten die Opposition in Schach. Das Regime sitzt weiter fest im Sattel. Mit mehr als 400.000 Soldaten und einigen zehntausend Spezialpolizeikräften sowie Grenztruppen unterhält das Land eine der größten Armeen der Welt und investiert Unsummen in seine Aufrüstung. Die Streitkräfte sind berechtigt für ihr hartes Durchgreifen, und sie sind gut ausgestattet - mit Waffen aus dem Ausland.

Staaten wie Russland, Indien, Serbien und die Ukraine liefern bedenkenlos militärische Güter in das Land, dessen Bevölkerung seit Jahrzehnten brutal unterdrückt wird. Insbesondere China verkauft der Junta Waffen in großem Stil: Die Volksrepublik hat sich in den letzten Jahren zu einem der weltweit größten Rüstungsexporteure entwickelt, und auch Myanmar steht auf der Empfängerliste.

Als das Militärregime 1988 nach der blutigen Niederschlagung von Studentenprotesten international isoliert wurde, hielt das die Regierung in Peking nicht davon ab, weiterhin Waffen an das Nachbarland zu liefern. Myanmar erhielt Panzer, Militärflugzeuge, Artillerie, Gewehre und weitere Ausrüstung - problemlos und zuverlässig. Den Vereinten Nationen wurden diese Lieferungen in den seltensten Fällen angezeigt. 1998 erklärten die chinesischen Behörden zum ersten Mal offiziell, Panzer und andere Waffen für knapp zehn Millionen Dollar an den Nachbarstaat verkauft zu haben. Doch tatsächlich hatte das Waffengeschäft eine weitaus größere Dimension: Schätzungsweise wurden zwischen 1988 und 1998 mehr als tausend Militärfahrzeuge geliefert.

Und China liefert weiter. Auf Fotos, die das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten im September dokumentieren, erkennt man Armeelastwagen mit dem Logo einer chinesischen Firma. Auch Kampfflugzeuge werden offenbar in größeren Stückzahlen an das Nachbarland verkauft. Berichten zufolge finanzierte die chinesische Regierung sogar die erste Lieferung, und sorgte nebenbei auch noch für die Ausbildung. Bis heute schweigt sich China über den tatsächlichen Umfang der Lieferungen aus. Mit den importierten Waffen werden systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen. Seit Jahrzehnten sind Armee und Polizei verantwortlich für Folter, Zwangsarbeit, Rekrutierung von Kindersoldaten und massenweise Vertreibungen.

Die Europäische Union und die USA haben zwar 1988 und 1993 Waffenembargos verhängt, doch solange China, aber auch Indien und Russland weiterhin die Aufrüstung des Militärregimes unterstützen, bleiben diese Maßnahmen wirkungslos. Hinzu kommt, dass Myanmar mit diesen mächtigen Verbündeten im Hintergrund international wenig zu befürchten hat.

Als Reaktion auf das blutige Ende der Protestbewegung konnte sich der UNO-Sicherheitsrat nach zähen Verhandlungen lediglich auf eine harmlose Erklärung einigen: Statt das brutale Vorgehen der Junta gegen die friedlichen Demonstranten scharf zu verurteilen, wurden die Ereignisse nur "nachhaltig bedauert". China und Russland hatten eine eindeutige Verurteilung in der UNO mit dem Argument blockiert, dass eine Einmischung von außen die Lage nur verschlechtern würde. Statt dessen solle die Erklärung helfen, so ein chinesischer Diplomat, "den Dialog aller Parteien zu fördern".

Doch an einem Dialog ist der Militärjunta wenig gelegen. Sie hatte zwar vor einigen Wochen ein Gesprächsangebot an die Opposition gerichtet, das jedoch an inakzeptable Bedingungen geknüpft und nicht ernst zu nehmen war. Solange Myanmars Junta den Eindruck hat, dass China ihr den Rücken freihält, muss sie sich um die Kritik aus der internationalen Gemeinschaft nicht kümmern. Das bekam auch der ständige UNO-Vertreter in Myanmar, Charles Petrie, zu spüren, der Anfang November kurzerhand des Landes verwiesen wurde. Auch die Chancen für ein dringend gebotenes UNO-Waffenembargo stehen denkbar schlecht.

Für seine Blockadehaltung wurde China zwar international heftig kritisiert. Doch diese Schelte nimmt man in Kauf, denn Pekings Interessen in Myanmar sind vielfältig. Zum einen besitzt das Land Rohstoffe, vor allem Öl und Gas, aber auch Tropenhölzer und Metalle. Chinas Wirtschaft boomt seit Jahren, das Land ist mittlerweile die viertgrößte Volkswirtschaft mit dem drittgrößten Handelsvolumen weltweit. Entsprechend ist die Abhängigkeit von Energieimporten dramatisch gestiegen. Bereits heute muss China rund 45 Prozent seines Bedarfs an Rohöl und Erdgas aus dem Ausland einführen, Tendenz steigend.

Doch es ist nicht nur der Rohstoffhunger, der das Land für die Volksrepublik interessant macht. Auch wegen seiner geographischen Lage ist es für China von Bedeutung: Über Myanmar sucht die Regierung in Peking einen schnellen Zugang zum Golf von Bengalen und damit zum Indischen Ozean. Dies ist für die Transportroute nach Westen ebenso wie für den Import von Rohstoffen eine willkommene Abkürzung, die den Umweg über das Südchinesische Meer erspart.

Für diesen Zugang unternimmt China einiges: Staatsfirmen investieren seit Jahren massiv in die Infrastruktur des Nachbarlandes, bauen Pipelines, Hafenanlagen, Eisenbahnstrecken. Doch dabei kommt China Indien ins Gehege, das seine Interessen in der Region gefährdet sieht. Das Buhlen um Myanmar bedeutet für die Opposition vor Ort nichts Gutes, denn mittlerweile schweigt auch die Regierung in Neu-Delhi zu den Machenschaften des Militärregimes, anstatt sich wie früher mit der demokratischen Bewegung zu solidarisieren.

Vor diesem Hintergrund wirtschaftlicher und geostrategischer Interessen liegt China vor allem an Stabilität in Myanmar. Gleichzeitig sieht es mit Sorge, dass das Regime dort eine Politik betreibt, die sehr wohl zu großer Instabilität führen kann. Bisher hat die Volksrepublik im Umgang mit der Krise in Myanmar auf ihr altbewährtes außenpolitisches Instrumentarium zurückgegriffen: Nichteinmischung. Wie es scheint, ist diese Strategie vorerst aufgegangen.

Doch die Erwartungen an China sind mittlerweile andere als noch vor einigen Jahren. Peking spielt eine entscheidende Rolle in der Region. Dieser Aufgabe muss es gerecht werden. China strebt heute international nach einem positiven Image und die Olympischen Spiele im nächsten Sommer sollen dazu einen eindrucksvollen Beitrag leisten. Diese Ambitionen vertragen sich schlecht mit Waffenlieferungen in Krisengebiete und einer Politik des Wegschauens.

Die Autorin ist Asien-Expertin der deutschen ai-Sektion.


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Quelle:
amnesty journal, Dezember 2007, S. 28-30
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2008