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MELDUNG/166: Internationaler Tag gegen die Todesstrafe am 10. Oktober


Amnesty International - Meldung vom 8. Oktober 2015

Internationaler Tag gegen die Todesstrafe am 10. Oktober

Todesurteile wegen Drogendelikten


08. Oktober 2015 - Die Todesstrafe wird nach wie vor als Instrument der Drogenbekämpfung eingesetzt, wie Amnesty International zum Internationalen Tag gegen die Todesstrafe am 10. Oktober kritisiert. Erschreckend viele Staaten richten Menschen hin, die wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt wurden. Dies verstößt ganz klar gegen die Bestimmungen des Völkerrechts.

In den vergangenen zwei Jahren haben mindestens elf Staaten Todesurteile wegen Drogendelikten verhängt oder Menschen deswegen hingerichtet. Dazu zählen unter anderem China, Indonesien, Malaysia und Saudi-Arabien. Viele weitere Staaten sehen ebenfalls die Todesstrafe für Drogendelikte vor.

"Es ist erschütternd, dass so viele Staaten nach wie vor an dem irreführenden Konzept festhalten, dass man Drogensucht oder Kriminalität bekämpfen kann, indem man Menschen tötet. Die Todesstrafe hilft weder bei der Bekämpfung von Kriminalität noch bei der Unterstützung und Behandlung suchtkranker Menschen", erklärt Chiara Sangiorgio, Expertin im internationalen Amnesty-Sekretariat in London zum Thema Todesstrafe.

Das Völkerrecht lässt die Todesstrafe nur für sogenannte "schwerste Verbrechen" zu. Dies bedeutet nach allgemeiner Auslegung Verbrechen, bei denen eine vorsätzliche Tötung vorliegt. Drogendelikte fallen nicht in diese Kategorie. Laut Völkerrecht sollen Staaten zudem die vollständige Abschaffung der Todesstrafe anstreben.

Dennoch rechtfertigen viele Länder die Anwendung der Todesstrafe als ein Instrument zur Bekämpfung des Drogenschmuggels oder problematischen Drogenkonsums. Sie missachten dabei die Erfahrung in vielen Ländern, dass eine Drogenpolitik, die die Menschenrechte respektiert und auf öffentliche Gesundheit setzt, inklusive Prävention und Behandlung, wirksam Todesfälle in Verbindung mit Drogenkonsum sowie die Übertragung von Krankheiten verhindern kann. Selbst wenn es um die Bekämpfung von Gewaltverbrechen geht, gibt es keinerlei Beweise, dass die Todesstrafe abschreckender wirkt als andere Strafen.

In Indonesien hat sich die Regierung unter Präsident Joko Widodo auf die Fahnen geschrieben, die Todesstrafe gegen den "nationalen Drogen-Notstand" einzusetzen. Dieses Jahr wurden bereits 14 Menschen wegen Drogendelikten hingerichtet, und die Regierung hat angekündigt, dass sie alle Gnadengesuche von Personen ablehnen wird, die wegen mutmaßlicher Drogendelikte verurteilt wurden.

"Die Verhängung von Todesurteilen für Drogendelikte ist nicht das einzige besorgniserregende Element. Shahrul Izani Suparman war beispielsweise erst 19 Jahre alt, als er in Malaysia mit mehr als 200 Gramm Cannabis erwischt wurde. Er wurde wegen Drogenschmuggels angeklagt und später zum Tode verurteilt, da das Gesetz für den Besitz von mehr als 200 Gramm Cannabis die obligatorische Todesstrafe vorsieht", so Chiara Sangiorgio.

Häufig kommt in Ländern, die für Drogendelikte die Todesstrafe verhängen, für die Angeklagten noch eine zweite Ungerechtigkeit hinzu, nämlich eine Verurteilung in äußerst unfairen Verfahren. In Ländern wie Indonesien, Iran und Saudi-Arabien haben Angeklagte oft keinen Zugang zu Rechtsbeiständen oder werden durch Folter oder andere Misshandlungen zu "Geständnissen" gezwungen, die dann als Beweise vor Gericht zugelassen werden.

Im April 2016 wird die UN-Generalversammlung zu einer Sondersitzung über Drogen und die weltweiten Ansätze zur Drogenbekämpfung zusammenkommen. In der Sitzung wird auch über die Verhängung von Todesurteilen für Drogendelikte diskutiert werden. Zuletzt fand 1998 eine derartige Sondersitzung zum Thema Drogen statt.

"Die UN-Generalversammlung im nächsten Jahr ist eine einmalige Gelegenheit für Staaten weltweit, ihre nationale und internationale Drogenpolitik so zu gestalten, dass sie internationalen Menschenrechtsnormen entspricht. Staaten sind aufgefordert, der Verhängung von Todesurteilen für Drogendelikte ein für allemal ein Ende zu setzen. Dies wäre ein erster Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe", so Chiara Sangiorgio. Länderbeispiele

• In China wurden im Jahr 2014 mehr Menschen exekutiert, als in allen anderen Ländern der Welt zusammengenommen. Die Anzahl der hingerichteten Menschen ist jedoch ein Staatsgeheimnis, weshalb es unmöglich ist, eine genaue Zahl zu nennen. Laut der von Amnesty International bestätigten Daten war ein beträchtlicher Teil der hingerichteten Personen wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden. China hat in den vergangenen Jahren vorsichtige Schritte hin zu einer geringeren Anwendung der Todesstrafe unternommen. So wurde beispielsweise die Zahl der Straftaten verringert, die mit der Todesstrafe geahndet werden. Für Drogendelikte werden jedoch nach wie vor Todesurteile verhängt.

• In Indonesien wurden in diesem Jahr 14 Personen hingerichtet, alle wegen Drogenschmuggels. Dies ist ein Rückschritt gemessen an der Tatsache, dass Indonesien noch vor wenigen Jahren von der Vollstreckung von Todesurteilen abzurücken schien und sich erfolgreich darum bemüht hat, dass Todesurteile gegen in anderen Ländern inhaftierte indonesische Staatsangehörige umgewandelt wurden. Todesurteile werden in Indonesien häufig unter Bedingungen verhängt, die nicht den internationalen Standards der Fairness entsprechen. Oft werden Angeklagte zu "Geständnissen" gezwungen oder in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt.

• Iran steht weltweit an zweiter Stelle hinter China, was die Anzahl der Hinrichtungen angeht. In den vergangenen Jahrzehnten sind dort Tausende Menschen wegen Drogendelikten exekutiert worden. Im Iran gelten sehr strenge Drogengesetze, was bedeutet, dass für den Besitz von 30 Gramm Heroin oder Kokain die Todesstrafe verhängt werden kann. Allein in diesem Jahr sind bereits mehr als 700 Todesurteile vollstreckt worden. Viele der Hingerichteten waren ausländische Staatsangehörige oder Menschen aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen.

• Drogenschmuggel wird in Malaysia obligatorisch mit der Todesstrafe geahndet. Jeder, der mit einer bestimmten Menge illegaler Substanzen erwischt wird, wird automatisch des Drogenschmuggels verdächtigt. Malaysia veröffentlicht keine Hinrichtungsstatistiken. Amnesty International vorliegende Zahlen deuten jedoch darauf hin, dass die Hälfte der Todesurteile der vergangenen Jahre wegen Drogenschmuggels verhängt wurde.

o In Saudi-Arabien war in den vergangenen drei Jahren ein steiler Anstieg der Exekutionen wegen Drogendelikten zu verzeichnen. Von den 92 Personen, die nachweislich im Jahr 2014 hingerichtet wurden, war fast die Hälfte wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden. Dem Justizsystem in Saudi-Arabien fehlt es an grundlegenden Schutzmechanismen, um das Recht der Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren zu gewährleisten. Todesurteile werden häufig in Schnellverfahren verhängt, die nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen und manchmal im Geheimen abgehalten werden.


Hintergrund

In den Jahren 2014 und 2015 hat Amnesty International in folgenden Ländern Hinrichtungen oder Todesurteile wegen Drogendelikten dokumentiert: China, Indonesien, Iran, Kuwait, Malaysia, Saudi-Arabien, Singapur, Sri Lanka, Thailand, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam.

Derzeit sehen mehr als 30 Länder die Todesstrafe für Drogendelikte vor, die Anklagen von Drogenbesitz bis Drogenschmuggel umfassen.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.

Weitere Informationen zum Thema Todesstrafe unter:
www.amnesty-todesstrafe.de

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Quelle:
Meldung vom 8. Oktober 2015
http://www.amnesty.de/2015/10/8/todesurteile-wegen-drogendelikten?destination=node%2F2817
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2015

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