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ASIEN/726: China verschärft Verfolgung von Rechtsanwälten vor Parteikongress


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 8. September 2017

China verschärft Verfolgung von Rechtsanwälten vor Parteikongress

Bundeskanzlerin soll sich für verschleppten christlichen Rechtsanwalt einsetzen


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Chinas Regierung vorgeworfen, die Verfolgung von kritischen Rechtsanwälten vor dem am 18. Oktober 2017 beginnenden Kongress der Kommunistischen Partei zu verschärfen. Die Menschenrechtsorganisation appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich für die Freilassung des Mitte August 2017 von Sicherheitskräften verschleppten christlichen Rechtsanwalts Gao Zhisheng einzusetzen. Der mehrfach inhaftierte und oft gefolterte Jurist ist einer der prominentesten Bürgerrechtsanwälte in der Volksrepublik. "Gao Zhisheng gilt als das Gewissen Chinas. Seine Verschleppung macht deutlich, wie schlimm es um die Lage engagierter Rechtsanwälte in China steht", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Die Menschenrechtsorganisation erinnerte daran, dass seit Beginn der massiven Verfolgung von Rechtsanwälten in China im Jahr 2015 mindestens 322 Juristen und Mitarbeiter von Anwaltskanzleien sowie Menschenrechtler willkürlich festgenommen, vor Gericht gestellt oder an der Ausreise gehindert wurden.

Gao Zhisheng hatte die letzten drei Jahre unter Hausarrest in der Provinz Shaanxi verbringen müssen. Seit dem 13. August 2017 hatten seine Angehörigen keinen Kontakt mehr zu ihm. Als sein Bruder Gao Zhiyi versuchte, sein Schicksal bei den Behörden zu klären, wurde er am 26. August 2017 kurzzeitig festgenommen. Nach GfbV-informationen wurde Gao Zhisheng nach seiner Verschleppung von Sicherheitskräften nach Peking gebracht, wo er noch immer festgehalten wird. "Wir gehen davon aus, dass seine Festnahme mit dem bevorstehenden Parteikongress zusammenhängt. Denn Gao Zhisheng gilt als einer der mutigsten Verfechter eines Rechtsstaates und einer Beendigung von Folter und Willkür. Solche kritischen Stimmen will man im Vorfeld des bedeutenden Parteikongresses mundtot machen, um Diskussionen und Störungen zu unterbinden", erklärte Delius.

Der 53 Jahre alte Jurist war noch zu Beginn des Jahrtausends einer der angesehensten Rechtsanwälte Chinas, weil er sich für die Opfer staatlicher Willkür und von Enteignungen einsetzte. Als er sich im Jahr 2005 weigerte, sein Mandat als Verteidiger von angeklagten Anhängern der Meditationsbewegung Falun Gong niederzulegen, begannen seine Probleme mit der chinesischen Staatssicherheit. Im August 2006 wurde er von Sicherheitskräften verschleppt und schwer gefoltert. Erst im März 2010 gab es wieder ein Lebenszeichen von ihm, doch nur wenige Monate später wurde er erneut verschleppt. Erst im August 2014 wurde er aus illegaler Haft freigelassen und stand seither unter Hausarrest. Aufgrund von Folter verlor er zeitweise seine Stimme und brauchte Jahre, um wieder zu genesen. Trotzdem hielt er aufgrund seines christlichen Glaubens an seinem Engagement für Rechtsstaatlichkeit fest. Nach seiner Freilassung schrieb er einen Entwurf für eine Verfassung eines demokratischen China sowie ein Buch über die in der Haft erlittene Folter.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 8. September 2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2017

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