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AFRIKA/222: Somalia - Scharfe Kritik an Somalia-Politik der Bundesregierung


Presseerklärung vom 9. April 2010

Außenminister Westerwelle besucht Djibouti (11.4.)

Scharfe Kritik an Somalia-Politik der Bundesregierung


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Außenminister Guido Westerwelle "mangelnden Realismus" in der Somalia-Politik vorgeworfen. "Statt die Ursachen der Piraterie vor Somalias Küste nachhaltig zu bekämpfen, übt sich Berlin mit der Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte im leeren Aktivismus", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Dabei zeigten Erfahrungen der Vergangenheit gleich mehrfach bewiesen, dass es keine militärische Lösung für Somalia gebe. "Dringend muss die Europäische Union neue diplomatische Initiativen entwickeln, um eine Friedenslösung zu fördern", forderte Delius.

Erfahrungen mit vorangegangenen Ausbildungsprogrammen für Soldaten in Somalia hätten gezeigt, dass die meisten neu ausgebildeten Sicherheitskräfte schon nach wenigen Monaten von oppositionellen Kriegsfürsten abgeworben würden. Auch die zivile Ausbildung von Sicherheitskräften - die Ausbildung von Polizisten - ist ein Konfliktherd. Gemeinsam mit Italien fördert Deutschland finanziell die Ausbildung von somalischen Polizisten im Nachbarland Äthiopien. Damit macht Berlin den Bock zum Gärtner. Denn Äthiopiens Regierung wird wegen massiver Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land und in Somalia heftig kritisiert. Die äthiopische Armee verübte während ihrer militärischen Besetzung Somalias (Dezember 2006 - Januar 2009) Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die bis heute nicht juristisch geahndet wurden.

"Das Engagement Berlins gehe in die falsche Richtung", so Delius. "Statt Kontakt zu allen politischen Kräften im Land zu suchen, setzt Berlin ausschließlich auf eine somalische Übergangsregierung, die die militärische Kontrolle über weite Landesteile verloren hat." Die Truppen der somalischen Übergangsregierung sind trotz internationaler Unterstützung ineffektiv und korrupt, erklärten die Vereinten Nationen in einem im März 2010 veröffentlichten Bericht. "Nicht neue Soldaten braucht Somalia, sondern vor allem mehr Entwicklung und Wiederaufbau", erklärte Delius. "Nur mit Friedensgesprächen und mehr Wiederaufbau-Hilfe kann der Vormarsch radikal-islamischer Milizen aufgehalten und der Flüchtlingsstrom von immer mehr Menschen aus Somalia verringert werden." Seit Januar 2010 flohen mehr als 100.000 Somalis vor der Gewalt aus ihren Siedlungsgebieten. Die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung wird immer katastrophaler.

Minister Westerwelle besucht am kommenden Sonntag das somalische Nachbarland Djibouti, um sich über die Beteiligung der Bundesmarine an der Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias zu informieren. Neben dieser Operation Atalanta unterstützt Deutschland mit 13 Bundeswehrangehörigen im Rahmen eines EU-Projektes die Ausbildung von 5.000 neuen somalischen Soldaten die im Mai 2010 in Uganda beginnen wird.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 9. April 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2010