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AFRIKA/269: Libysche Regierung lügt - Verfolgte afrikanische Toubou kämpfen nicht für Gaddafi


Presseerklärung vom 23. Februar 2011

Einsatz von Söldnern wird geleugnet

Libysche Regierung lügt - Verfolgte afrikanische Toubou kämpfen nicht für Gaddafi


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wirft der libyschen Regierung vor, in der Diskussion um den Einsatz von Söldnern bewusst zu lügen, um den Verdacht zu entkräften, dass ausländische Sicherheitskräfte zur Zerschlagung der Protestbewegung angeheuert wurden. "Entgegen der Darstellung der Regierung Libyens handelt es sich bei den dunkelhäutigen Sicherheitskräften, die in den vergangenen Tagen verstärkt gegen Demonstranten eingesetzt wurden, nicht um schwarzafrikanische Toubou aus dem eigenen Land", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Die Angehörigen dieser Minderheit wären die Letzten in Libyen, die einen Finger rühren würden, um das verhasste Gaddafi-Regime zu retten. Denn die Toubou werden von staatlichen Stellen massiv verfolgt und in das Nachbarland Tschad deportiert." Die GfbV engagiert sich schon seit mehreren Jahren für ein Ende der Verfolgung dieser Volksgruppe.

Augenzeugen hatten in den vergangenen Tagen aus verschiedenen Landesteilen Libyens über den Einsatz von dunkelhäutigen Sicherheitskräften berichtet, die sich nur auf Französisch verständigen konnten. "Gaddafi dürfte keine Probleme haben, Söldner aus anderen afrikanischen Staaten anzuwerben, da er Dutzende Freiheits- und Aufstandsbewegungen in Afrika finanziell, politisch und mit Waffenlieferungen unterstützt", sagte Delius. Von Tuareg-Bewegungen in Mali und Niger, über Rebellengruppen im sudanesischen Darfur, im Tschad sowie in der Zentralafrikanischen Republik unterhält Gaddafi ein dichtes Netz von Kämpfern, die von seiner Großzügigkeit abhängig sind. "Es ist eines der dunkelsten Kapitel der Schreckensherrschaft Gaddafis, wie er diese Freiheitsbewegungen systematisch instrumentalisiert hat." So kam es immer wieder vor, dass Aufständischen plötzlich die Unterstützung entzogen wurde, weil der libysche Staatschef wieder einmal eine Kehrtwendung in seiner Politik vollzog.

Die Toubou leben vor allem im Südosten Libyens. Die Angehörigen dieser schwarzafrikanischen Minderheit werden seit November 2009 systematisch vertrieben. Mehrere Dutzend Toubou wurden verhaftet, weil sie dagegen protestierten. Sie kamen erst frei, als sie öffentlich zusicherten, nichts gegen die Zerstörung ihrer Häuser zu unternehmen. Wer Widerstand gegen die Vertreibung leistete, wurde von Sicherheitskräften geschlagen. Mehr als 3.800 Toubou mussten bislang ihre Siedlungen verlassen.

Schon seit Dezember 2007 entzieht Libyen den Toubou Schritt für Schritt die Bürgerrechte. Ihre Kinder dürfen die Schule nicht mehr besuchen, in Krankenhäusern werden Toubou nicht mehr behandelt. Außerdem weigern sich die libyschen Behörden, Pässe der schon seit langem in Libyen lebenden Toubou-Bauern und -Halbnomaden zu verlängern oder neue Ausweisdokumente auszustellen.

Die rund 500.000 Toubou gelten neben den Tuareg als die bedeutendste Bevölkerungsgruppe in der Sahara. Verstreut über eine Fläche von 1,3 Millionen Quadratkilometern leben die meisten von ihnen in den Nachbarländern Libyens, im Tschad und in Niger.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 23. Februar 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2011