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AKTION/179: Dalai Lama in Berlin - Solidaritätserklärung


Presseerklärung vom 19. Mai 2008

Dalai Lama in Berlin - Solidaritätserklärung der Gesellschaft für bedrohte Völker als Mitveranstalterin der Kundgebung am Brandenburger Tor

Rede des Generalsekretärs der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch


"Wir erwarten eine friedliche und stimmungsvolle Kundgebung", heißt es in dem Aufruf der Tibet Initiative Deutschland zu unserem heutigen Treffen am Brandenburger Tor. Bekannte Musikgruppen, große Künstler treten auf zu Ehren Tibets, 3000 Luftballons werden aufsteigen.

Doch der eigentliche Anlass dieser Kundgebung, zu der so viele Menschen zum Brandenburger Tor gekommen sind, ist ein sehr ernster und ein sehr trauriger: In diesen Wochen wurden tibetische Mönche und Jugendliche, tibetische Frauen und Männer von chinesischem Militär gejagt, geschlagen und festgenommen. Denn die Tibeter hatten sich erhoben, weil sie Verfolgung und Unterdrückung nicht mehr ertragen konnten. Mehr als 200 Menschen wurden ermordet, 5.700 verhaftet. Viele verschwanden spurlos.

Die Erregung der tibetischen Bevölkerung, dieser Volksaufstand, hat eine Vorgeschichte, die nicht vergessen werden darf: Es ist der Völkermord an 1,2 Millionen Tibetern, der 1959 begann und der andauerte bis in die Zeit von Maos Kulturrevolution. Damals wurden bereits 80 % der Klöster und nationalen Monumente in Tibet zerstört.

Wenn deutsche Politiker zu Recht immer wieder an die nationalsozialistischen Verbrechen erinnern, dann dürfen sie ihren Wählern - wenn es um China geht - auch diesen Völkermord und die andauernde heutige Verfolgung der Tibeter nicht verschweigen.

Menschenrechtsdialoge, die Kurt Beck, Gerhard Schröder oder Frank-Walter Steinmeier hinter verschlossenen Türen mit ihren chinesischen Partnern geführt haben oder führen, sind sinnlos, wenn man den Deutschen das traurige Schicksal der Tibeter verschweigt und auch kein Wort darüber verliert, dass in chinesischen Arbeitslagern bis zu zwei Millionen Häftlingen festgehalten werden, dass Tausende von friedlichen Falun-Gong-Anhängern Opfer von Zwangsorganentnahme wurden, dass Tausende Uiguren verschwunden sind und Tausende Uiguren aus politischen Gründen hingerichtet wurden.

Verantwortungsvoll und engagiert handelt dagegen Heidemarie Wieczorek-Zeul, für die Entwicklungspolitik und Menschenrechte zusammengehören. Auch der Bundeskanzlerin danken wir, für ihren Empfang und ihre Gespräche mit dem Dalai Lama.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat die Tibeter seit vier Jahrzehnten unterstützt, wie sie auch für die Menschen in Darfur, in Ruanda, in Bosnien oder in Irakisch-Kurdistan, eintritt. Dank unseres beratenden Status bei den Vereinten Nationen konnten wir für sie vor internationalen Gremien sprechen und die schweren Menschenrechtsverletzungen in Tibet zum Thema machen.

Das Engagement chinesischer Politiker für die bedauernswerten Erdbebenopfer ist ebenso wie die Gewährung von Selbstverwaltung an Hongkong ein erstes hoffnungsvolles Anzeichen für ein Umdenken in China.

Die Gesellschaf für bedrohte Völker erinnert daran, dass das tibetische Volk ein Recht auf Schutz seiner Identität, seiner Sprache, Kultur und Tradition hat und ein Recht auf Selbstbestimmung. Die Tibeter haben das Recht auf politische, kulturelle und religiöse Autonomie. Dies ist ein realistischer Weg in die Zukunft. Autonomiemodelle haben Minderheitenprobleme, haben Probleme kleinerer Völker weltweit von Nord-Irland über Katalonien und Südtirol bis nach Aceh in Indonesien oder Quebec in Kanada entschärft und gelöst.

Dieses gilt es zu unterstützen durch jeden von uns.

Statt Ängste zu schüren, sollten Außenminister Steinmeier und der SPD-Parteivorsitzende Beck die deutsche und internationale Öffentlichkeit darüber informieren, dass die Gewährung der Autonomie für Tibet ein realistischer Weg zur Lösung der chinesischen und somit internationalen Tibetkrise ist.

Tilman Zülch
Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 19. Mai 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2008