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AKTION/183: Menschenrechte in China - Appell an Altkanzler Schröder


Presseerklärung vom 16. Juli 2008

Appell an Altkanzler Gerhard Schröder

Wer Menschenrechtspolitik verunglimpft, hätte private und öffentliche Interessen trennen müssen!


Sehr geehrter Herr Altkanzler,

Außenpolitik ist nicht nur Interessenspolitik. Bei Völkermord und Minderheitenverfolgungen sollten auch Bundeskanzler nicht schweigen. Das gebieten deutsche und andere furchtbare Vergangenheiten.

Sie werden in Peking bei den Olympischen Spielen zu Gast sein. Denken Sie daran, dass bis vor zwei Jahren mehr als zehntausend Chinesen Opfer von Organzwangsentnahmen geworden sind, das dort Jahr für Jahr Tausende exekutiert, zu Tode gefoltert werden oder einfach verschwinden. Denken Sie an die Hunderttausenden in den Zwangsarbeitslagern.

Die Tibeter waren in den 50-er Jahren Opfer von Genozid. Sie können als ethnische und kulturelle Gemeinschaft bis heute nicht frei atmen. Chinas autoritäres Regime unterstützt den Genozid in Darfur. Seit vorgestern ermittelt der Internationale Gerichtshof gegen Sudans Präsident wegen Planung und Ausführung von Völkermord. Bis zu 400.000 Menschen sind dort vernichtet worden.

Sie, Herr Altkanzler, plädierten in de Donnerstagsausgabe der "Zeit" dafür, zu Menschenrechtsverletzungen zu schweigen und wegzusehen. Sie haben den Völkermord an 80.000 Tschetschenen während Ihrer Amtszeit verdrängt und tabuisiert. Damals haben Sie die Täter eingeladen, mit Ihnen eine Gedenkstätte für NS-Opfer in Hannover zu besuchen. Sie nannten den Hauptverantwortlichen für die Niederwalzung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny einen lupenreinen Demokraten. Das alles hat sich für Sie persönlich ausgezahlt. Heute vertreten Sie den größten Gas-Konzern weltweit.

Deshalb sind Sie unglaubwürdig, wenn Sie Ihren Nachfolgern vorwerfen, dass sie ihre Pflicht auch in Sachen Menschenrechte tun. Sie, sehr geehrter Herr Schröder, hätten private und öffentliche Interessen rechtzeitig trennen müssen.

Und schließlich: Werfen Sie noch einmal einen Blick in die idealistischen Erklärungen Ihrer jungen Jahre bei den JUSOS. Wir meinen, dass eine große Mehrheit der Menschen, nicht nur in Deutschland, beeindruckt war, dass zwei angesehene deutsche Politikerinnen Angela Merkel und Heidemarie Wieczorek-Zeul, den Dalai Lama als Fürsprecher seines Volkes, aber auch als Anwalt einer humaneren Welt empfangen haben.

Mit freundlichen Grüßen

Tilman Zülch
(Präsident)


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 16. Juli 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2008