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ASIEN/230: Indien - Gewalt gegen Christen und Ureinwohner 2007 auf Rekordniveau


Presseerklärung vom 14. Januar 2008

Indien: Gewalt gegen Christen und Ureinwohner 2007 auf Rekordniveau


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Montag vor einer weiteren Zunahme der Gewalt gegen Christen in Indien gewarnt. Nach Angaben des "All India Christian Council" wurden im Jahr 2007 mit mehr als 1.000 Übergriffen mehr Gewaltakte als in jedem anderen Jahr seit der Staatsgründung vor 60 Jahren registriert. "Die jüngsten beschwichtigenden Erklärungen des indischen Premierministers schaffen unter den Christen nur wenig Vertrauen", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. So hielten sich im Bundesstaat Orissa nach den Angriffen zu Weihnachten noch immer Christen in den Wäldern versteckt. Zu groß sei der Einfluss fanatischer Hindu in vielen Bundesstaaten Indiens.

In Orissa hatten radikale Hindu zu Weihnachten 2007 mindestens 730 Häuser von Christen und 95 Kirchen niedergebrannt. "Am meisten leiden unter der Gewalt in diesem Bundesstaat Adivasi-Ureinwohner", erklärte Delius. Die ohnehin aufgrund ihrer ethnischen Abstammung oft diskriminierten und marginalisierten Ureinwohner würden nun auch noch wegen ihres Glaubens verfolgt. Adivasi stellen nicht nur viele Christen in Orissa, sondern auch ein Viertel der 37 Millionen Bewohner des Bundesstaates und mit 84 Millionen Menschen rund acht Prozent der Gesamtbevölkerung Indiens. Die Christen machen nur 2,3 Prozent der Bevölkerung aus, 80,5 Prozent sind Hindu.

"Seit 1996 nimmt der Druck fanatischer Hindu-Organisationen auf christliche Adivasi nicht nur in Orissa, sondern auch in anderen Bundesstaaten immer mehr zu", sagte Delius. Diese Hindu-Gruppen sehen in den Ureinwohnern eine bedeutende Zielgruppe der Arbeit christlicher Missionare und wollen mit massivem Druck auf die Adivasi neue Taufen verhindern. So habe sich die radikale "Vishwa Hindu Parishhad-Bewegung" (VHP) im Jahr 2004 vorgenommen, bis zum Jahr 2011 in 100.000 Adivasi-Dörfern Projekte durchzuführen, um den Einfluss der christlichen Kirchen einzudämmen. Die fanatische Hindu-Bewegung gibt vor, bis zu 60.000 Freiwillige für diese "Projektarbeit" mobilisieren zu können.

"Die Adivasi betrachten hingegen die christlichen Kirchen als eine der wenigen Stätten, in denen sie frei von Diskriminierung als gleichberechtigte Bürger behandelt werden", berichtete Delius. Für sie sei das Engagement in christlichen Kirchen eine Chance, um sich von Jahrhunderte alter Unterjochung in der Kastengesellschaft Indiens zu befreien.

Nicht zum ersten Mal sei die Gewalt zu Weihnachten eskaliert. So gab es 1999 im Bundesstaat Gujarat die bislang schlimmsten Ausschreitungen gegen Christen. Öffentlich mobilisiert werde für die Überfälle auf Kirchen oft bei Großveranstaltungen radikaler Hindu-Gruppen, die ganz gezielt mit offizieller Genehmigung während der christlichen Weihnachtsfeiertage stattfänden. Auf einem solchen Treffen sei auch im Jahr 2004 zu Übergriffen auf Gotteshäuser aufgerufen worden, die sich in den darauf folgenden Tagen in verschiedenen Regionen Indiens ereigneten. Auch am ersten Weihnachtstag 2006 hatten radikale Hindu zu einer Großveranstaltung nach Orissa eingeladen, um gegen die Verhaftung von fünf Personen zu protestieren, die Christen geschlagen hatten. Vergeblich hatten Priester ein Verbot der Veranstaltung gefordert, die in neue Übergriffe auf Christen einmündete.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 14. Januar 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2008