Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

ASIEN/252: Afghanistan-Konferenz - Machtmißbrauch der Warlords nimmt rapide zu


Presseerklärung vom 11. Juni 2008

Afghanistan-Konferenz in Paris (12. Juni):

Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zieht Bilanz nach zwei Jahren Afghanistan-Pakt
Machtmissbrauch der Warlords nimmt rapide zu


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am heutigen Mittwoch eindringlich vor einem Scheitern des Afghanistan-Paktes gewarnt. "Zwei Jahre nach der Unterzeichnung des von der internationalen Gemeinschaft und der afghanischen Regierung ausgearbeiteten Abkommens sind die meisten darin gegebenen Versprechen nicht eingelöst", sagte GfbV-Asienreferent Ulrich Delius, der gemeinsam mit dem prominenten afghanischen Journalisten Yacub Ibrahimi in Hamburg einen 31seitigen Menschenrechtsreport zur dramatischen Lage in Afghanistan vorlegte. Anlass ist die morgen in Paris stattfindende Afghanistan-Konferenz, während der die Geberländer Afghanistans und die Kabuler Regierung über Fortschritte bei der Umsetzung des Paktes zur Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit beraten werden.

Nachdrücklich appellierte die GfbV an die Teilnehmer der Konferenz, die Lage in Afghanistan nicht länger zu beschönigen, sondern sich offen über die bestehenden Probleme auszutauschen. "Statt der im Pakt zugesicherten "guten Regierungsführung" behindern Vetternwirtschaft und Korruption die Funktionsfähigkeit von Regierung und Verwaltung", kritisierte Delius. Dies sei eines der Kernprobleme des Landes, das auch die Menschenrechtsverletzungen begünstige. Ohne eine wirksame Bekämpfung der Korruption könne auch der Drogenanbau und -handel nicht spürbar eingedämmt werden. "Nur mit neuen finanziellen Zuwendungen und größerem militärischem Engagement alleine ist den Menschen in Afghanistan nicht geholfen", erklärte Ulrich Delius. Stattdessen müsse die internationale Gemeinschaft konsequent auf eine Einhaltung des Paktes drängen.

Besonders dramatisch sei die Menschenrechtslage von Frauen und Kindern. 87 Prozent der Frauen gäben an, Opfer von Gewalt geworden zu sein. Mehrere hundert Frauen würden sich jedes Jahr aus Verzweiflung verbrennen. Zwangsheiraten von Mädchen im Alter ab sechs Jahren, Entführungen und Fälle von Schuld-Sklaverei würden immer häufiger registriert. Die Hälfte aller Eheschließungen seien heute Zwangsheiraten mit Gläubigern, weil die Familie ihre Schulden nicht mehr bezahlen könne.

Der Warlord-Experte Ibrahimi wies auf den ungebrochenen Einfluss der Kriegsfürsten hin, die ungehindert Frauen und Mädchen entführten, ihre Milizen mit neuen Waffen aufrüsteten und selbst nach schwersten Menschenrechtsverletzungen straflos blieben. Nachdrücklich forderte Ibrahimi die sofortige Freilassung seines Bruders Sayed Parvez Kaambakhsh, der in einem unfairen Gerichtsverfahren im Januar 2008 zum Tode verurteilt worden war. Mit der Verurteilung versuchte man den engagierten Journalisten und Warlord-Kritiker Ibrahimi mundtot zu machen.


*


Quelle:
Presseerklärung Hamburg / Göttingen, 11. Juni 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2008