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ASIEN/335: Chinas Diffamierungskampagne gegen uigurische Menschenrechtler


Presseerklärung vom 25. November 2009

Spionage-Ermittlungen gegen Chinesen in München

Chinas Diffamierungskampagne gegen uigurische Menschenrechtler begann vor sechs Jahren - Bundesregierung muss handeln!


Als traurigen Höhepunkt einer langjährigen Diffamierungskampagne gegen uigurische Menschenrechtler in Deutschland hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Chinas Ausspähungsversuche bei dem in München ansässigen Weltkongress der Uiguren (WUC) verurteilt. "Das Maß des Erträglichen ist nun voll", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius in Göttingen. "Die führenden Repräsentanten des WUC sind deutsche Staatsbürger, die seit mehreren Jahren systematisch von Chinas Behörden in ihrer Bewegungs- und Meinungsfreiheit eingeschränkt werden. Wenn sich der Spionage-Verdacht erhärtet, dann muss die Bundesregierung handeln und sich bei der chinesischen Regierung jeden Eingriff in unsere demokratische Grundordnung verbitten."

Begonnen habe die Diffamierungskampagne Chinas gegen Uiguren in Deutschland bereits im Dezember 2003. Damals hatte das chinesische Außenministerium die Vorgänger-Organisation des WUC, den in München ansässigen Welt-Jugend-Kongress der Uiguren zur "terroristischen Organisation" erklärt. Die Bundesregierung solle sein Büro schließen, die Bankkonten sperren und alle Mitglieder nach China abschieben. Das bayerische Innenministerium und der Bayerische Verfassungsschutz hatten der GfbV damals auf Nachfrage versichert, man habe keine Bedenken gegenüber der Tätigkeit der Menschenrechtler. Die Uiguren hatten sich um größtmögliche Transparenz bemüht und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes regelmäßig über ihre Arbeit informiert.

Im April 2005 wurde der Generalsekretär des WUC, Dolkun Isa, unmittelbar vor einem Vortrag in der UN-Menschenrechtskommission beim Betreten des UN-Geländes in Genf in Gewahrsam genommen. Später entschuldigte sich die UN-Polizei für den Zugriff, der auf ungeprüften chinesischen Angaben beruhte.

Im November 2006 stellte die bayerische Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause "Strafanzeige gegen Unbekannt wegen geheimdienstlicher Tätigkeit". Der chinesische Generalkonsul war bei ihr erschienen, um sie von einem nicht öffentlichen Treffen mit Uiguren abzuhalten. Dabei hatte er eine Liste mit zwölf Namen von grünen Politikern vorgelegt, die dazu eingeladen waren. Das Konsulat habe "eigene Informationskanäle", hatte er erklärt. Das Verfahren wurde nach wenigen Monaten eingestellt.

Im September 2009 wurde Dolkun Isa auf Intervention Chinas an der Einreise nach Südkorea gehindert. Erst nach mehreren Tagen kam er frei und konnte nach Deutschland zurückreisen. China lässt über INTERPOL nach Dolkun Isa wegen "terroristischer Aktivitäten" fahnden. Seit mehreren Jahren verbreitet Peking weltweit "schwarze Listen" mit Namen führender uigurischer Menschenrechtler und fordert alle Regierungen auf, diesen Personen die Einreise zu verweigern. Auch die Bewegungsfreiheit der WUC-Vorsitzenden Rebiya Kadeer wird systematisch eingeschränkt. Erst jüngst verweigerte ihr Taiwan auf chinesischen Druck die Einreise. Australien und Neuseeland zögerten lange mit der Erteilung von Visa. Chinesische Hacker zerstörten die Homepage von Filmfestivals in Australien und Taiwan, die Filmporträts von Rebiya Kadeer zeigten. Mehrfach forderte die chinesische Regierung das Europaparlament ultimativ dazu auf, keine Repräsentanten des WUC zu empfangen. Als Frau Kadeer auf Einladung der GfbV im Oktober 2009 die Frankfurter Buchmesse besuchte, fotografierten zwei Mitarbeiter der chinesischen Botschaft jeden Messestand, der sie empfing.

In den offiziellen chinesischen Medien wird der WUC zum Staatsfeind und "Drahtzieher" der Unruhen in Xinjiang (Ostturkestan) im Juli 2009 stilisiert. "So wird gezielt ein Sündenbock aufgebaut, um von eigenen Fehlern in der Nationalitätenpolitik abzulenken", kritisierte Delius.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 25. November 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2009