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ASIEN/380: China - Staatsbesuch in Berlin - Bundesregierung soll politischen Gefangenen helfen


Presseerklärung vom 5. Januar 2011

Hochrangiger Staatsbesuch aus China in Berlin erwartet

Bundesregierung soll sich für politische Gefangene in China einsetzen


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle aufgefordert, sich bei ihren Gesprächen mit dem chinesischen Vizeministerpräsidenten Li Keqiang für eine Freilassung politischer Gefangener in China einzusetzen. Gleichzeitig appellierte die Menschenrechtsorganisation an die Bundesregierung, am Waffenembargo der EU gegen China festzuhalten, auch wenn der hochrangige Gast auf eine Aufhebung der Sanktionen drängen sollte. Li Keqiang, der sich vom 6. bis 9. Januar in Deutschland aufhält, gilt als aussichtsreichster Kandidat für den im Jahr 2012 neu zu besetzenden Posten des Ministerpräsidenten Chinas.

"Vor allem in Tibet und im benachbarten Xinjiang hat sich die Menschenrechtslage in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Innerhalb von nur 20 Monaten ist die Zahl der aus politischen Gründen inhaftierten Tibeter um das 16-Fache gestiegen. In Xinjiang, das von den dort lebenden Uiguren Ostturkestan genannt wird, wurden mehr als ein Dutzend Blogger und Journalisten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt."

Zurzeit sind fast 1.700 Tibeter aus politischen Gründen in Haft. Erst am gestrigen Dienstag wurde bekannt, dass im Oktober 2010 wieder drei tibetische Schriftsteller zu jeweils vier Jahren Gefängnis verurteilt wurden, weil sie die Staatsordnung untergraben hätten. Am 16. Dezember 2010 wurde eine dreijährige Haftstrafe gegen den Mönch Sungrab Gyatso verhängt, weil er eine Demonstration organisiert haben soll. In Xinjiang wurden seit April 2010 mindestens sechs Redakteure uigurischer Internetdienste in Geheimverfahren zu jeweils 15 Jahren Haft verurteilt. Drei uigurische Blogger müssen sogar lebenslange Gefängnisstrafen verbüßen. "Internetfreiheit ist für Uiguren und Tibeter zum Fremdwort geworden", kritisierte Delius. "China unterdrückt systematisch jede freie Meinungsäußerung von Angehörigen dieser Nationalitäten im Internet."

Es wird erwartet, dass Li Keqiang bei seinen Gesprächen mit der Bundesregierung auch auf eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen sein Land drängen wird. Die chinesische Regierung fordert seit Jahren ein Ende der als ungerechtfertigt empfundenen Sanktionen. "Durch den Aufkauf von Staatsschulden in Griechenland, Portugal, Spanien und Irland sichert sich Peking immer mehr Einfluss in der EU und scheint so seinem Ziel immer näher zu kommen", sagte Delius.

Kurz vor Silvester war bekannt geworden, dass die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton auf der Tagung der EU-Außenminister am 17. Dezember 2010 ein vertrauliches Memorandum vorgestellt hat, in dem sie die Beendigung der Sanktionen empfahl. Die EU muss sich einstimmig für die Aufhebung des Embargos aussprechen. Deutschland hatte bislang immer bekräftigt, angesichts der schlechten Menschenrechtslage an den Sanktionen festhalten zu wollen. "Jedes Einknicken wäre jetzt ein falsches Zeichen an die chinesischen Machthaber, die Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte mit Füßen treten."


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 5. Januar 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2011