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ASIEN/407: China - 33 Tote in Xinjiang - unabhängige Untersuchung in Uiguren-Region gefordert


Presseerklärung vom 1. August 2011

Pulverfass Xinjiang: Mindestens 33 Tote in zehn Tagen

Unabhängige Untersuchung von politisch motivierter Gewalt in Uiguren-Region Chinas gefordert


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat eine unabhängige und umfassende Untersuchung der politisch motivierten Gewalt im Nordwesten Chinas gefordert, der in den vergangenen zehn Tagen mindestens 33 Menschen zum Opfer fielen. "Wir sind tief besorgt über die sich zuspitzende Lage in der von Uiguren besiedelten Region Xinjiang (Ostturkestan), die immer mehr einem Pulverfass gleicht", heißt es in einem Schreiben der Menschenrechtsorganisation an die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN) Navi Pillay. "Die offiziellen Darstellungen des Geschehens sind so widersprüchlich, dass ihnen kein Glauben geschenkt werden kann. Dringend muss die UN tätig werden, damit eine weitere Gewalteskalation verhindert wird."

Zuletzt sollen am gestrigen Sonntag in der uigurischen Stadt Kashgar mindestens acht Menschen zu Tode gekommen sein, während Medienberichten zufolge bereits am Samstag sieben Personen getötet wurden. Am 21. Juli wurden in der Stadt Hotan mindestens 18 Menschen, darunter 14 Uiguren, Opfer von gewaltsamen Übergriffen. "Von den chinesischen Behörden werden immer Uiguren für die Gewalt verantwortlich gemacht", berichtete der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Die bislang vorliegenden Schilderungen des Tathergangs für die jüngsten Zwischenfälle seien jedoch äußerst widersprüchlich. "Mal sollen die Täter Bomben geworfen, mal mit Messern auf Passanten eingestochen haben oder mit einem Lastwagen gezielt in eine Menschenmenge gefahren sein." Manche offiziellen chinesischen Medien wechselten ihre Darstellungen des Geschehens innerhalb weniger Stunden.

Chinesische Behörden beschuldigten "Terroristen" der Gewalt. "Doch viele Indizien deuten darauf hin, dass diese Gewaltakte mehr Ausdruck der Verärgerung und Verzweiflung der in der Region lebenden Muslime sind als gezielt aus dem Ausland gesteuerte Terrorakte", sagte Delius. Das chinesische Regime hat in den vergangenen anderthalb Jahren 70 Prozent der traditionell nur von Uiguren bewohnten Altstadt Kashgars niederreißen lassen, um die Bevölkerungsstruktur in der Stadt zu verändern und die uigurischen Einwohner besser kontrollieren zu können. Zuvor waren dort mehrere tausend Überwachungskameras installiert worden, um jeden Protest im Keim zu ersticken.

"Wir befürchten neue Verhaftungen in Kashgar und eine weitere Zunahme der Gewalt", sagte Delius. "Die jüngsten Todesfälle markieren aber auch einen schweren Rückschlag für Chinas Bemühungen, mit verstärkten Investitionen und einer Verbesserung des Lebensstandards das Stillhalten der Uiguren zu erkaufen." So wurde Kashgar zur Freihandelszone erklärt und weltweit um Investitionen für die Stadt geworben. "Heute herrscht dort Ausnahmezustand und jeder Investor wird sich reiflich überlegen, ob die Lage in Xinjiang wirklich so "ruhig und stabil" ist, wie ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am 4. Juli 2011 erklärt hat."


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 1. August 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2011