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ASIEN/441: Hacker-Angriffe aus China auf uigurische Menschenrechtler


Presseerklärung vom 3. Juli 2012

Drei Jahre nach den Unruhen in Urumtschi (5. Juli 2009)

Hacker-Angriffe aus China auf uigurische Menschenrechtler



Kurz vor dem dritten Jahrestag schwerer Unruhen in Urumtschi greifen Hacker aus China gezielt Computersysteme uigurischer Menschenrechtler im Exil an. So wollen sie Gedenkveranstaltungen für die mehr als 200 Opfer der Auseinandersetzungen vom 5. Juli 2009 behindern. Hacker aus China versandten in den vergangenen Tagen gezielt mit Trojanern verseuchte Mails an führende Menschenrechtler des Weltkongresses der Uiguren (WUC), um Einblick in ihre Kommunikation zu bekommen, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag in Göttingen. Auch werden gefälschte Mails im Namen uigurischer Menschenrechtler an Dritte versandt. "Dies ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein massiver Eingriff in die Internetfreiheit", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Die Attacke zeigt, dass Chinas Staatssicherheit nicht an den Landesgrenzen Halt macht, sondern auch in Europa Menschenrechtler gezielt mundtot machen will."

Von den Hacker-Angriffen betroffen sind alle führenden Vertreter des in München ansässigen WUC. Vor der vierten Generalversammlung des WUC in Tokio im Mai 2012 waren bereits erste Hacker-Angriffe in diesem Jahr registriert worden. Nun wurden die Angriffe mit verseuchten E-Mails nochmals intensiviert. Dies bestätigten Computer-Fachleute des Kaspersky Lab in Moskau, eines weltweit führenden Anbieters von IT-Sicherheitslösungen. Sie konnten einwandfrei feststellen, dass die betreffenden Mails von IP-Adressen in China versandt wurden. Chinesische Sicherheitsbehörden unterhalten eine gut organisierte staatstreue para-militärische "Hackerarmee", die von geheimen militärischen Sonderverbänden geführt wird. Auch gibt es junge Hacker, die aus "Patriotismus" versuchen, Kritiker im Ausland zum Schweigen zu bringen. "Die genaue Zeitplanung der Attacken deutet darauf hin, dass staatliche Sicherheitsbehörden zumindest als Auftraggeber der Hacker aktiv geworden sind", sagte Delius.

Der WUC will mit Veranstaltungen in München und Hauptstädten in aller Welt am 5. Juli der Opfer der Unruhen in Urumtschi gedenken. "Auch drei Jahre nach den schweren Auseinandersetzungen zwischen Uiguren, Han-Chinesen und Bereitschaftspolizisten ist die Lage im Nordwesten Chinas explosiv", berichtete Delius. "Trotz offizieller Beschwörungen der Harmonie der Völker wurden Sicherheitsvorkehrungen in Urumtschi und anderen Städten der Region in den vergangenen Tagen massiv verschärft. Gläubige Muslime werden als potentielle Terroristen behandelt." So dürfen neuerdings Frauen mit Kopftuch und Männer mit Bart keine Einkaufszentren und Märkte mehr besuchen. "Das ist eine grobe Verletzung der Religionsfreiheit und blanker Rassismus." Erst Ende Juni war in der Stadt Hotan ein Uigure zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er religiöse Schriften verbreitet haben soll.

Scharf kritisierte die GfbV, dass trotz der anhaltenden Übergriffe uigurische Flüchtlinge noch immer aus Europa nach China abgeschoben werden. Denn in China droht ihnen jahrelange Haft oder die Todesstrafe. Schweden und die Niederlande wollen in den nächsten Tagen mehrere Uiguren nach China abschieben. "Wer Menschenrechte für China will, darf Uiguren nicht ihren Verfolgern ausliefern", forderte Delius, "denn allein ein Asylantrag in Europa macht Uiguren für Chinas Staatssicherheit schon verdächtig."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/München, den 3. Juli 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2012