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ASIEN/561: Indien - Wahlsieg von Hindu-Nationalisten gefährdet Minderheiten


Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. - Presseerklärung vom 17. Mai 2014

Indien: Wahlsieg von Hindu-Nationalisten gefährdet Minderheiten

Christen, Muslime und indigene Völker befürchten Einschränkung ihrer Rechte



Nach dem Sieg des Hindu-Nationalisten Narendra Modi bei den Parlamentswahlen warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor einer Einschränkung der Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten in Indien. "Modi und seine BJP-Partei sind nicht nur für das Massaker an Muslimen im Bundesstaat Gujarat im Jahr 2002 verantwortlich, sondern auch für Pogrome gegen Christen im Bundesstaat Orissa im Jahr 2008, für Anti-Konversions-Gesetze sowie für die zunehmende Gewalt gegen Adivasi-Ureinwohner und für die systematische Verletzung der Rechte indigener Völker", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Samstag in Göttingen. "Die 200 Millionen Angehörigen religiöser Minderheiten und die 95 Millionen Adivasi sind die Verlierer dieser Wahl. Denn bislang haben Hindu-Nationalisten in allen Bundesstaaten, in denen sie zur Macht kamen, den ethnischen und religiösen Minderheiten das Leben zur Hölle gemacht."

Die positiven wirtschaftlichen Impulse, die von der BJP erwartet werden, dürften vor allem für die Adivasi zum Bumerang werden. Denn in den Bundesstaaten Jharkand und Chhattisgarh setzten BJP-Regionalregierungen auf Großprojekte indischer Konzerne, die massive Landverluste der Adivasi zur Folge hatten. "Die BJP war immer ein guter Partner der Bergbau- und Stahlindustrie und hat schnell die Versprechen vergessen, die sie im Wahlkampf den Ureinwohnern gegeben hatte." Auch setzen BJP-Regionalregierungen in Adivasi-Siedlungsgebieten auf einen bedingungslosen Krieg gegen maoistische Rebellen, in dem die Ureinwohner regelmäßig zwischen den Konfliktparteien zerrieben werden.

Auf den Andamanen-Inseln, auf denen die ältesten und am meisten bedrohten indigenen Völker der Welt leben, kündigte der BJP-Kandidat im Wahlkampf an, sich für eine Assimilation der bewusst isoliert von der Außenwelt lebenden Jarawa und anderen indigenen Völker einzusetzen. "Dies würde nicht nur die von Indien erlassenen Bestimmungen zum Schutz dieser Völker verletzen, sondern käme einer gezielten Vernichtung dieser einzigartigen ethnischen Gemeinschaften gleich", sagte Delius.

Zwar bemühten sich die christlichen Kirchen und Verbände in ihren ersten Stellungnahmen, die wenigen positiven Aspekte der Wahl (Korruptionsbekämpfung) herauszustellen, doch in vielen Gemeinden geht die Angst um. "Denn Extremisten der extremistischen Hindu-Jugendbewegung RSS schüchtern regelmäßig Gläubige und Priester ein, zerstören Kirchengebäude oder drohen mit Anzeigen wegen angeblicher Verstöße gegen Anti-Konversions-Gesetze." Gezielt hat die BJP in den letzten zehn Jahren in allen von ihr regierten Bundesstaaten diese umstrittenen Gesetze verabschieden lassen, die Glaubensübertritte vom Hinduismus mit Haftstrafen von bis zu vier Jahren ahnden.

Muslime befürchten, die BJP könne ihre in Gujarat praktizierte Apartheid-ähnliche Politik der Ghettoisierung der Minderheit nun auch auf nationaler Ebene umsetzen. Auch eine Zuspitzung des Konflikts in der Stadt Ayodhya um den Bau eines hinduistischen Tempels ist zu befürchten. Die Hindu-Nationalisten drängen seit Jahren, einen hinduistischen Tempel auf einem Gelände in Ayodhya zu errichten, auf dem sich bis zu ihrer Zerstörung durch Hindu-Nationalisten im Jahr 1992 eine Moschee befand.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 17. Mai 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2014