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ASIEN/607: Indien - Hindu-Nationalisten bedrängen Christen und Muslime


Gesellschaft für bedrohte Völker e. V. - Presseerklärung vom 6. Februar 2015

Hindu-Nationalisten ernten Spott und Häme für geplante Zwangsverheiratung von Liebespaaren am Valentins-Tag

Indiens Hindu-Extremisten bedrängen Andersgläubige - Christen und Muslime protestieren gegen Übergriffe


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat vor dem wachsenden Einfluss von Hindu-Nationalisten in Indien gewarnt, die gezielt Christen und Muslime ausgrenzen und ein Klima der Einschüchterung und Gewalt gegen Andersgläubige fördern. "Indiens Demokratie steht an einem Scheideweg. Wenn Premierminister Narendra Modi nicht endlich entschlossen gegen Hindu-Extremisten vorgeht, droht Indiens Ruf als Rechtsstaat schwerer Schaden", erklärte der GfbV-Asien-Experte Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Denn immer häufiger werden Kirchen oder Moscheen in Brand gesetzt oder Gläubige zwangsweise zum Hinduismus bekehrt. Christen und Muslime in Indien fordern nicht nur einen besseren Schutz, sondern auch klare Worte und Taten des Premierministers, um in Asiens größter Demokratie die Religionsfreiheit zu gewährleisten. Nachdrücklich verlangte die GfbV Straffreiheit für 350 Christen, die gestern in New Delhi festgenommen wurden, weil sie an einer nicht angemeldeten Demonstration gegen Angriffe auf Kirchen teilgenommen hatten.

Weltweite Aufmerksamkeit hatten Hindu-Nationalisten diese Woche mit ihrer Ankündigung erregt, Liebespaare zwangsweise zu verheiraten, die sich am Valentinstag in der Öffentlichkeit zeigen. Der absurde Aufruf der Partei Akhil Bharatiya Hindu Mahasabha fand viel Resonanz, vor allem aber Spott und Häme. Homosexuelle zeigten sich in sozialen Medien von dem Vorschlag begeistert. Andere flachsten, so erspare man sich aufwändige Hochzeitsfeiern und das Aufbringen einer Mitgift. "Doch diese Partei ist brandgefährlich, da sie Volksverhetzung zu ihrem Programm gemacht hat", warnte Delius. So hatte sie zuvor schon Muslime und Christen als "Ungläubige" bezeichnet, leichtbekleidete Bollywood-Schauspielerinnen als Prostituierte diffamiert und angekündigt, dem Mörder des Staatsgründers Mahatma Gandhi ein Denkmal zu widmen.

Die nationalistischen Hindu-Bewegungen Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) und Vishva Hindu Parishad (VHP), die Modis Partei Bharatiya Janata Party (BJP) nahe stehen, fühlen sich durch das Schweigen der Regierung ermutigt, Andersgläubige auszugrenzen und gewaltsam zu konvertieren. So zwangen RSS-Anhänger 57 muslimische Familien im Dezember 2014 zur Konversion zum Hinduismus. Andersgläubige setzen sie überall im Land unter Druck, um sie zum Hinduismus zu bekehren. Auch greifen sie Kirchen und Moscheen tätlich an. Seit Januar 2014 gab es mindestens 149 Übergriffe auf Christen in Indien. In mehr als der Hälfte der Fälle wurden Christen bedroht, eingeschüchtert oder zwangsweise konvertiert. In einem Viertel aller Vorkommnisse wurden christliche Einrichtungen oder Christen tätlich angegriffen. Muslime wurden im Rahmen einer Kampagne "Liebe den Jihad" fälschlicherweise beschuldigt, junge Hindu-Frauen zu umwerben, um sie zum Islam zu konvertieren. Für jede Hindu-Frau, die sich Muslimen zuwende, müssten 100 Muslime zum Hinduismus bekehrt werden, verlangen die Nationalisten.

Rund 80 % der 1,2 Milliarden Inderinnen und Inder sind Hindu, 14 % sind Muslime und 2,3 % Christen (rund 1,6 % der Gesamtbevölkerung sind Katholiken).

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. Februar 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2015

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