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ASIEN/640: 70 Jahre Kriegsende - Japan soll sich bei Zwangsprostituierten entschuldigen


Presseerklärung vom 14. August 2015

Kriegsende in Ostasien vor 70 Jahren - Gedenken an die Opfer (15.8.):

Japan soll sich bei Zwangsprostituierten offiziell entschuldigen


70 Jahre nach Kriegsende in Ostasien soll sich Japans Regierung unmissverständlich für den Missbrauch von rund 200.000 Zwangsprostituierten aus Korea, China und anderen Ländern entschuldigen und die Überlebenden finanziell entschädigen. Dies hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in einem an Japans Ministerpräsident Shinzo Abe gerichteten Appell gefordert. Konservative japanische Politiker und Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren die Zwangsprostitution vor und während des Krieges in von Japan besetzten Gebieten regelmäßig geleugnet. "Abe hat sich mit Rücksicht auf seine konservative Wählerschaft beharrlich geweigert, sich ohne Einschränkung öffentlich für die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit japanischer Soldaten zu entschuldigen", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Mit Spannung wird daher erwartet, wie sich der Ministerpräsident in seiner Rede zum 70. Jahrestag des Kriegsendes am Samstag zur historischen Verantwortung seines Landes äußern wird.

Eine offizielle Entschuldigung würde zum Abbau der aufgrund von Gebietsstreitigkeiten gefährlich eskalierenden Spannungen in Ostasien beitragen. Denn auch viele junge Menschen in Japans Nachbarländern reagieren auf die Geschichtsleugnung durch führende konservative japanische Politiker und Wissenschaftler mit Verständnislosigkeit und Ablehnung. "Für die Opfer ist es wahrscheinlich die letzte Chance, Gerechtigkeit zu erfahren", erklärte Delius. Denn viele Überlebende sind heute älter als 90 Jahre. Allein in Südkorea starben in diesem Jahr bereits acht ehemalige Zwangsprostituierte, davon fünf seit Juni 2015.

Ministerpräsident Abe hatte in den vergangenen Jahren mehrfach Entschuldigungen japanischer Politiker für den Missbrauch der Zwangsprostituierten kritisiert. Im Februar 2014 hat er sogar eine Historiker-Kommission berufen, um zu untersuchen, ob eine im Jahr 1993 vom damaligen Kabinettssekretär Yohei Kono ausgesprochene Entschuldigung gerechtfertigt war.

Abe zweifelt insbesondere daran, dass die Frauen zur Prostitution gezwungen wurden. Da Japans Besatzungstruppen vor ihrem Abzug die meisten Dokumente über ihre Zwangsherrschaft vernichtet haben, wurde der Nachweis der Kriegsverbrechen erschwert. Doch Forscher aus China, Taiwan, Korea und vielen anderen Staaten sowie japanische und koreanische Nichtregierungsorganisationen dokumentierten hunderte Einzelfälle. So wurden junge Frauen ab dem Alter von 15 Jahren als so genannte "Trostfrauen" in Bordellen für japanische Soldaten festgehalten. Tausende überlebten die Verbrechen nicht. Nach dem Krieg litten die meisten der schwer traumatisierten Opfer unter Ausgrenzung durch Staat und Gesellschaft. Heute leben in China und Korea nur noch wenige Dutzend ehemalige Zwangsprostituierte.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 14. August 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2015

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