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ASIEN/656: Nepal bekommt trotz Versagen bei Erdbebenhilfe Vizevorsitz von UNICEF übertragen


Presseerklärung vom 10. Januar 2016

Scharfe Kritik an UN-Kinderhilfswerk

Nach Erdbeben in Nepal: Drei Millionen Kinder warten seit neun Monaten vergeblich auf Wiederaufbau
UNICEF belohnt Nepal mit Vizevorsitz (9.1.)


Nach der Wahl Nepals zum Vizevorsitz des UN-Kinderhilfswerks hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) scharfe Kritik an der UNICEF geübt. "Drei Millionen Kinder sind durch das Versagen der Behörden Nepals beim Wiederaufbau nach der Erdbeben-Katastrophe akut bedroht. Es ist ein falsches Zeichen, wenn Nepal nun für sein Versagen mit dem Vize-Vorsitz des UN-Kinderhilfswerks belohnt wird", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. "Bei der Besetzung von Führungspositionen in der UNICEF muss es auch darum gehen, ob Staaten die Interessen von Kindern berücksichtigen." Nepals UN-Botschafter Durga Prasad Bhattarai war am gestrigen Samstag als Vizedirektor des UNICEF-Verwaltungsrats für die Zeit von 2016 bis 2018 gewählt worden. Der aus Delegierten von 36 Nationen bestehende Verwaltungsrat ist das oberste Organ der UNICEF und entscheidet über Haushalt, Leitlinien und Ausrichtung der Programme des Kinderhilfswerks.

"Nepals Regierung hat sich zumindest nicht durch ihr Engagement für die unter den Folgen der Erdbeben besonders leidenden Kinder für dieses bedeutende Amt qualifiziert", erklärte Delius. Im Gegenteil, auch neun Monate nach den verheerenden Erdbeben warten Nepals Kinder noch immer auf den offiziellen Beginn des Wiederaufbaus. Stattdessen frieren 200.000 Familien bei Schnee und Minusgraden in Zelten und anderen behelfsmäßigen Unterkünften. Am letzten Freitag hat die Regierung angekündigt, der Wiederaufbau werde am 16. Januar beginnen. "Nepals Umgang mit dem vier Milliarden Euro teuren Hilfsprogramm der internationalen Staatengemeinschaft ist katastrophal und skandalös. Statt schneller Hilfe für die Not Leidenden, wird um Posten und Macht in der mit dem Wiederaufbau betreuten Behörde geschachert."

Auch versagen die Behörden bei der Schlichtung der Proteste benachteiligter ethnischer Minderheiten. Wegen ihrer unzureichenden Berücksichtigung in der neuen Verfassung des Landes blockieren die Madhesis und Tharus seit 111 Tagen die Grenze zu Indien. Die Grenzblockade erschwert massiv die Versorgung der Bevölkerung und den Wiederaufbau. "Nepals Politiker versagen und handeln verantwortungslos, wenn es ihnen in 25 Verhandlungsrunden mit den Demonstranten noch immer nicht gelungen ist, einen Kompromiss auszuhandeln und die Grenzblockade friedlich zu beenden."

Bei den zwei Erdbeben im April/Mai 2015 und den 424 Nachbeben wurden 602.000 Häuser zerstört und 284.000 Häuser beschädigt. Die UNICEF schätzt, dass aufgrund der Naturkatastrophe mehr als 200.000 Familien in Höhenlagen über 1.500 Metern unter winterlichen Bedingungen in behelfsmäßigen Unterkünften leben.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. Januar 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2016

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