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EUROPA/459: Afghanistaneinsatz - Mandat verlängern, Luftangriffe einstellen


Presseerklärung vom 7. Oktober 2008

Bundestag berät über Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr

Appell: Mandat verlängern, Luftangriffe einstellen, von Kabul gute Regierungsführung einfordern!


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat zum Auftakt der Afghanistan-Debatte im Deutschen Bundestag am Dienstag in einem Schreiben an die Abgeordneten appelliert, für eine Fortführung des Bundeswehreinsatzes zu stimmen. Nun auf halbem Wege die Mission abzubrechen, sei keine glaubwürdige Alternative, da ohne die Schutztruppe die Sicherheit der Zivilbevölkerung nicht gewährleistet sei. Warlords hätten die sieben Jahre seit dem Sturz der Taliban genutzt, um sich mit neuen Waffen auszurüsten, mit denen sie bei einem Abzug der internationalen Truppen übereinander herfallen würden. Das Schreckensszenario der 90er Jahre, als zehntausende Zivilisten Opfer mordender Warlords wurden, dürfe sich nicht wiederholen.

Dringend sei eine ehrliche Debatte im Bundestag über die Ziele und eine neue Strategie des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr erforderlich, erklärte die GfbV. So müsse die Bundeswehr darauf dringen, dass die Luftangriffe internationaler Truppen eingestellt werden, da die stark zunehmende Zahl ziviler Opfer die Präsenz der Schutztruppe und den Wiederaufbau gefährde. Nur eine Einstellung jeglicher Luftangriffe biete die Gewähr, dass nicht weiterhin unschuldige Zivilisten zu Tode kommen. Denn trotz offiziell erklärter Null-Toleranz gegenüber Angriffen auf zivile Ziele würden immer mehr unbeteiligte Afghanen von Bomben getötet.

Auch sei eine Rückbesinnung auf den Petersberger Prozess dringend notwendig. Denn gemäß dem Petersberger Abkommen vom Dezember 2001 solle die ISAF nicht nur die Durchsetzungsfähigkeit der afghanischen Zentralregierung stärken, sondern auch die Etablierung demokratischer Strukturen fördern. Dieses Ziel schwinde immer mehr aus dem Blickfeld. Von einer guten Regierungsführung sei das Land noch weit entfernt. Korruption und Vetternwirtschaft behinderten einen wirksamen Wiederaufbau. Opfer der Gewalt von Warlords warteten vergeblich auf Gerechtigkeit. Stattdessen bauten die Kriegsfürsten im Parlament sowie im gesamten Land mit Unterstützung der ISAF ihren Einfluss weiter aus. Dies sei langfristig die größte Gefahr für die Demokratisierung und den Aufbau eines Rechtsstaates. Schon heute würden immer häufiger Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit verletzt, es fehle an einer unabhängigen und berechenbaren Justiz, und Regimekritiker Karzais würden eingeschüchtert und verfolgt. Vor solchen Fehlentwicklungen dürfe die ISAF nicht die Augen verschließen.

Die GfbV bedauere auch, dass das im Parlament zur Beratung anstehende ISAF-Mandat nicht die Drogenbekämpfung umfasse, obwohl dies von der NATO gewünscht worden sei. Zwar werde in den Einsatzgebieten der Bundeswehr im Norden und Nordosten des Landes nicht mehr viel Mohn angebaut, aber sie seien eine Drehscheibe für den Drogen- und Waffenhandel, in den auch die lokale Verwaltung und die alltäglichen Partner der Bundeswehr verstrickt seien.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 7. Oktober 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2008