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EUROPA/475: Empörung über Vernichtung von Beweisstücken der Opfern von Srebrenica


Presseerklärung vom 11. Mai 2009

Empörung und Entsetzen über Vernichtung von Beweisstücken der Opfer von Srebrenica


Mit Empörung und Entsetzen hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zur Kenntnis nehmen müssen, dass das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Beweismaterial aus Massengräbern der Opfer von Srebrenica vernichtet hat. "Die unwiederbringliche Zerstörung persönlicher Gegenstände, die bei der Exhumierung der Gräber geborgen wurden, ist ein ungeheuerlicher Skandal", erklärte der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, am Montag in Göttingen. "Mit der Vernichtung von Ausweispapieren, Fotos und Kleidungsstücken Ermordeter wurde den Überlebenden, die über das Schicksal ihrer Angehörigen oft jahrelang im Ungewissen waren, ein zweites Mal schweres Unrecht und Leid zugefügt."

"Wer es gewagt hätte, die Unterlagen des Frankfurter Auschwitzprozesses zu vernichten, hätte einen weltweiten Proteststurm ausgelöst. Zu diesem Proteststurm für die überlebenden Frauen und Kinder von Srebrenica möchten wir jetzt aufrufen", erklärten Tilman Zülch für die GfbV International und Sharon Silber (New York) für Jews Against Genocide. Zahlreiche jüdische Organisationen und Persönlichkeiten, unter ihnen Simon Wiesenthal, Marek Edelman, Ernst Tugendhat, Roy Gutman, Susan Sontag, Alain Finkielkraut, André Glucksmann, Bernard Levi, Milan Stern, Marcel Ophüls, Daniel Cohn-Bendit und David Kamphi, hatten ihre Stimme für die bedrohten bosnischen Muslime erhoben und betont, dass die Vernichtung von 8.373 muslimisch-bosnischen Männern und Jungen an Verbrechen des Dritten Reiches erinnern. Mehrere der Täter von Srebrenica wurden vom Kriegsverbrechertribunal wegen Völkermordes verurteilt.

Der Hauptankläger des Tribunals, Serge Brammertz, hat einem Bericht der niederländischen Nachrichtenagentur ANP zufolge während seines Besuchs in Sarajevo in der vergangenen Woche zugegeben, dass rund 1.000 Gegenstände exhumierter Srebrenica-Opfer vernichtet worden sind. Zuvor seien sie für das Archiv fotografiert worden. "Dabei stehen in der Gedenkstätte von Potocari bei Srebrenica große Hallen der ehemaligen Akkumulatorenfabrik, die früher den niederländischen UN-Blauhelmen als Stützpunkt dienten, als Museum zur Aufnahme von Dokumenten und Beweismaterial zur Verfügung", sagte Zülch.

Die GfbV hatte die Verbrechen in Bosnien bereits Ende 1992 mit dem weltweit ersten Buch über den Genozid dokumentiert, 1995 einen Weltkongress in Bonn über den Völkermord veranstaltet und die eingeschlossenen Bosnier während des gesamten Krieges mit unzähligen politischen und humanitären Initiativen unterstützt.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 11. Mai 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2009