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LATEINAMERIKA/054: Brasilien - Baustop für Flußumleitung aufgehoben


Presseerklärung vom 20. Dezember 2007

Schwerer Rückschlag für indianische und afro-brasilianische Gemeinschaften:

Oberster Gerichtshof Brasiliens hebt Baustopp für Flussumleitung auf


Als "schweren Rückschlag für die indianischen und afro-brasilianischen Gemeinschaften" hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) das Urteil des Obersten Gerichtshofes von Brasilien bezeichnet, der am Mittwoch die Fortsetzung der Bautätigkeiten zur Umleitung des Sao Francisco-Stroms in Nordostbrasiliens erlaubt hat. "Die Begründung des Gerichts, den am 10. Dezember verhängten Baustopp für die so genannte Transposiçao wieder aufzuheben, weil das Projekt Gebiete der Ureinwohner nicht berühre, ist vollkommen unverständlich", sagte Yvonne Bangert; Mitarbeiterin im GfbV-Referat indigene Völker am Donnerstag in Göttingen. "34 indianische Gebiete und 153 Siedlungen der Quilombolas (Afro-Brasilianer) liegen in seinem Einzugsbereich." Viele Angehörigen dieser Gemeinschaften seien Fischer und Reisbauern. Ihre Existenz sei in Gefahr, denn die Umleitung werde den Rio Sao Francisco, der bereits unter den Staudämmen von Sobradinho und Itaparica leidet, noch stärker austrocknen. Zudem werde der Nord-Kanal bei Cabrobró gerade dort angestochen, wo seit Jahren das Volk der etwa 1.800 Kirirí um sein angestammtes Territorium kämpft. Auch die zusammen etwa 9.000 Tumbalalá- und Truka-Indianer hätten schon mit Landbesetzungen gegen die Flussumleitung protestiert.

Die Transposiçao ist ein Prestigeprojekt der Regierung Lula da Silva. Zwei Kanäle mit zusammen 700 Kilometern Länge sollen über mehrere große Pumpstationen das Wasser des Flusses nach Norden befördern, wo es vor allem für den Zuckerrohranbau, Obstplantagen und die Garnelenzucht sowie für die Stahlindustrie im Großraum Fortaleza genutzt werden soll.. Magere vier Prozent des Wassers sollen auch in die bedürftigen privaten Haushalte gelangen.

Indianische Flussanrainer, Quilombolas, Landlose und Umweltschützer bilden mit großen brasilianischen Menschenrechtsorganisationen wie dem Indianermissionsrat (CIMI) und der Kommission für Landpastoral (CPT-PB) eine breite Opposition gegen das Projekt. Spektakulär ist dabei das Zeichen, das der Bischof der Diözese Barra im brasilianischen Bundesstaat Bahia, Dom Luiz Flávio Cappio, gesetzt hat. Seit dem 27. November hat er gefastet und gebetet, um die Regierung zu einem neuen Dialog darüber zu veranlassen, wie das Wasser des Rio Sao Francisco umweltverträglicher und zum Nutzen der Landbevölkerung, nicht der Großindustrie, verwendet werden kann. Nach Bekanntwerden des Urteils brach Dom Cappio zusammen und musste in ein Krankenhaus eingewiesen werden.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 20. Dezember 2007
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2007