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MELDUNG/127: Abschiebung langjährig Geduldeter ist auch Vertreibung - Kinder der Kosovo-Roma nicht entwurzeln


Presseerklärung vom 20. Juni 2016

Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung (20. Juni)

Menschenrechtler mahnen: Abschiebung langjährig geduldeter Flüchtlinge ist Vertreibung!
"Unsere" Roma-Kinder dürfen nicht entwurzelt werden!


Während der Feierstunde der Bundesregierung zum Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung im Deutschen Historischen Museum am Montag in Berlin hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gemeinsam mit langjährig geduldeten Roma aus dem Kosovo gegen die geplante Abschiebung dieser Minderheitenangehörigen protestiert. "Das Schicksal der deutschen Vertriebenen beklagen wir. Doch wir müssen ihr Vermächtnis ernst nehmen: Jeder Mensch, der gewaltsam aus seinem Zuhause gerissen wird, wird entwurzelt und für sein Leben gezeichnet. Deshalb müssen wir die hier geborenen und aufgewachsenen Roma-Kinder vor einer Abschiebung bewahren. Deutschland ist ihre Heimat, sie dürfen nicht vertrieben werden!", forderte der GfbV-Generalsekretär, Tilman Zülch, während der Mahnwache.

In einem Appell an Innenminister Thomas de Maizière kritisierte der Menschenrechtler, dass zwar mehr als einer Million Flüchtlingen die Tür nach Deutschland geöffnet wurde. Doch den hier schon lange ansässigen Flüchtlingskindern und Jugendlichen verwehrten die Innenminister und -senatoren das Bleiberecht. Für die nur noch rund 4.400 langjährig in Deutschland geduldeten Roma aus dem Kosovo müsse es eine Kontingentlösung geben. Sie dauerhaft aufzunehmen wäre ein Zeichen des guten Willens für diese existenziell bedrohte Minderheit. Kosovo sei für die hier aufgewachsenen Roma-Kinder ein fremdes, abweisendes Land. Dort bekämen Roma keine Arbeit, im Krankheitsfall fänden sie so gut wie keine medizinische Hilfe und ihre Kinder würden in Schulen gehänselt und ausgegrenzt.

Zülch erinnerte daran, dass Deutschland nicht nur eingedenk der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma durch das NS-Regime, sondern auch durch seine Beteiligung an der Nato-Sicherheitstruppe im Kosovo (KFOR) eine besondere Verantwortung für die Roma-Flüchtlinge hat. "Mehr als 100.000 Angehörige der Roma-Minderheiten wurden während und nach dem Krieg im Kosovo 1998/1999 vor den Augen auch deutscher Bundeswehrsoldaten, die zur KFOR gehörten, von nationalistischen Albanern vertrieben. 70 von 75 ihrer Dörfer und Stadtteile wurden geplündert und zerstört. Nur ganz wenige ihrer Häuser wurden wiederaufgebaut", heißt es in dem GfbV-Appell. "Wir appellieren an Sie, bitte sorgen Sie dafür, dass diese Flüchtlingskinder und ihre Angehörigen endlich in ihrer Heimat - Deutschland - bleiben dürfen und wie die russlanddeutschen und jüdischen Aussiedler schnell eingebürgert werden."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 20. Juni 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2016

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