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MELDUNG/129: Internationaler Tag der indigenen Völker - Ureinwohnern drohen durch Klimawandel neue Krankheiten


Presseerklärung vom 8. August 2016

Internationaler Tag der indigenen Völker (9. August):
Indigene Gemeinschaften durch Klimawandel von neuen Krankheiten bedroht - Industrienationen müssen schnelle Hilfe anbieten


Indigenen Gemeinschaften drohen durch den Klimawandel neue Gefahren: Unter den Ureinwohnern oder ihren Tieren könnten Krankheiten ausbrechen, die bislang unbekannt sind oder als überwunden gelten wie der oft tödlich verlaufende Milzbrand in Westsibirien, warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Die Industrienationen sind für die rasante Beschleunigung der Erderwärmung verantwortlich. Deshalb müssen sie auch den indigenen Gemeinschaften, die erste Opfer des Klimawandels werden, schnelle Hilfe anbieten", forderte die Menschenrechtsorganisation anlässlich des internationalen Tages der indigenen Völker (9. August) am Montag in Göttingen. Ureinwohner leben häufig in ökologisch sensiblen Rückzugsgebieten, in denen besonders gravierende Auswirkungen des Klimawandels befürchtet werden. Zudem leiden sie vielerorts ohnehin schon unter unzureichender medizinischer Versorgung. Auch deshalb liegt die Lebenserwartung der Ureinwohner meist weit unter dem Durchschnitt der Mehrheitsbevölkerung.

Weltweit gibt es nach Angaben der GfbV rund 5.000 indigene Völker mit etwa 450 Millionen Angehörigen. Ihr Überleben ist in vielen Ländern auch durch skrupellose Großgrundbesitzer, ehrgeizige Projekte zur Öl-, Gas- und Kohle-Förderung, die Errichtung von Staudämmen, die Ausbeutung wertvoller Bodenschätze, rücksichtslosen Holzeinschlag, aber auch Drogenschmuggel und Bürgerkrieg bedroht.

In Westsibirien ist Ende Juli aufgrund einer ungewöhnlichen Hitzewelle mit Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius zum ersten Mal seit 1941 Milzbrand ausgebrochen. Der Erreger stammt wahrscheinlich von einem toten Rentier, dessen Kadaver seit 75 Jahren im jetzt aufgetauten Permafrostboden unschädlich eingefroren war. Ein zwölfjähriger Junge vom Volk der Nenzen erlag bereits der Infektionskrankheit. Viele andere Angehörige seines Volkes sind ebenfalls erkrankt. Rund 90 befinden sich in Quarantäne. Auch mehr als 2.000 Rentiere starben an der Krankheit und durch die Hitze. Kurz zuvor waren in Schweden ebenfalls mehrere Tiere an Milzbrand verendet. Dabei wird von einem ähnlichen Ursprung wie auf der Jamal-Halbinsel ausgegangen.

"Es ist nicht auszudenken, welche gesundheitlichen Risiken für Mensch und Tier noch im auftauenden Permafrostboden schlummern", sagt die GfbV-Referentin für indigene Völker, Yvonne Bangert. "Ureinwohner sind als Nomaden, Jäger und Sammler oder Gartenbauer besonders auf eine intakte und saubere Umwelt angewiesen. Sie verlieren ihre Existenzgrundlage, wenn die Natur aus dem Gleichgewicht gerät. Jede Kultur und Lebensweise, die zerstört wird und untergeht, ist ein großer Verlust für die gesamte Menschheit."

Auch in den Tropen sind indigene Gemeinschaften durch den Klimawandel neuen Krankheiten ausgesetzt wie beispielsweise das Zika-Virus oder Malaria, die von Stechmücken übertragen werden. Einige Forscher befürchten, dass sich der Lebensraum von Mücken durch Regenwaldabholzung und Klimaerwärmung ausweiten könnte. Durch die Erderwärmung erschließen sich ihnen neue Regionen auch in höheren Lagen, die bisher zu kalt waren. Wärmeres Klima bedeutet allgemein eine höhere Überlebenschance für Stechmücken.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 8. August 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2016

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