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MELDUNG/135: INTERPOL darf nicht zum Handlanger chinesischer Staatssicherheit werden


Presseerklärung vom 10. November 2016

Früherer Sicherheitsminister Chinas wird INTERPOL-Präsident:

INTERPOL darf nicht zum Handlanger chinesischer Staatssicherheit werden


Mit Unverständnis hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf die heutige Wahl des früheren stellvertretenden Sicherheits-Ministers Chinas, Meng Hongwei, zum INTERPOL-Präsidenten reagiert. "Wir befürchten, dass INTERPOL von dem neuen Präsidenten zur Verfolgung von Regimekritikern missbraucht werden könnte", erklärte der GfbV-China-Experte Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Zudem könnte er sein Amt dazu nutzen, den Machtkampf in der Kommunistischen Partei fortzusetzen, der unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung betrieben wird, und missliebige Gegner auszuschalten." Meng Hongwei wurde heute auf einer Tagung der internationalen Polizei-Organisation in Bali (Indonesien) für vier Jahre zum Präsidenten der INTERPOL gewählt. Er war von 2004 bis 2013 stellvertretender Minister für Öffentliche Sicherheit Chinas.

Die chinesische Staatssicherheit hat INTERPOL bereits genutzt, um chinesische Menschenrechtler im Ausland mundtot zu machen. So wurde gegen den in Deutschland lebenden uigurischen Menschenrechtler Dolkun Isa bereits im Jahr 2003 eine "rote Notiz" der INTERPOL erwirkt. Der heutige Generalsekretär des in München ansässigen Weltkongresses der Uiguren wurde daraufhin trotz eines deutschen Reisepasses im Jahr 2009 bei der Einreise nach Südkorea kurzzeitig festgenommen und später nach Deutschland abgeschoben. Im Jahr 2016 verweigerte man ihm in Indien die Einreise.

"Mit den "roten Notizen" schränkt die chinesische Staatssicherheit die Bewegungsfreiheit von kritischen Menschenrechtlern gezielt ein", sagte Delius. Die "roten Notizen" entsprechen zwar keinem internationalen Haftbefehl, sondern informieren andere Staaten nur darüber, dass ein INTERPOL-Mitgliedsland einen Haftbefehl gegen die entsprechende Person erlassen hat. Eine unabhängige rechtliche Überprüfung der Vorwürfe durch die INTERPOL erfolgt nicht. Verfolgerstaaten können dieses Mittel deshalb leicht nutzen, um kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft einzuschüchtern oder sogar mundtot zu machen.

China hat allein im Jahr 2015 rund 100 "rote Notizen" veranlasst. Die meisten betreffen ehemals hochrangige chinesische Funktionäre, die öffentlich der Korruption bezichtigt werden. "Es gibt jedoch große rechtliche Bedenken, ob die Beschuldigten in China einen fairen Gerichtsprozess bekommen und ob die Ermittlungen nicht vor allem politisch motiviert sind, um den Machtkampf in der chinesischen Führung zugunsten des Parteivorsitzenden Xi Jinping zu entscheiden", erklärte Delius. "China ist kein Rechtsstaat und besitzt keine unabhängige Justiz. So lange in chinesischen Polizeistationen gefoltert und Bürgerrechtler sowie kritische Rechtsanwälte unter einem Vorwand zu Straftätern erklärt werden, sollte INTERPOL nicht von einem führenden Politiker aus der Volksrepublik geführt werden."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. November 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2016

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