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NAHOST/126: Yezidische Gedenkfeier in Hannover von Attentat im Irak überschattet


Presseerklärung vom 14. August 2009

Jahrestag des verheerenden Attentats von Sinjar mit 336 Toten (14.08.2007)

Neues Selbstmordattentat im Irak überschattet Gedenkveranstaltung der yezidischen Gemeinschaft in Deutschland


Ein Selbstmordattentat in der überwiegend von yezidischen Kurden bewohnten Stadt Sinjar im Nordwesten des Irak überschattet eine für den kommenden Sonntag in Hannover geplante Gedenkveranstaltung der in Niedersachsen lebenden Yeziden. Am Donnerstag (13.8.2009) sprengten sich zwei Terroristen in einem gut besuchten Cafe im Zentrum von Sinjar in die Luft. Mindestens 18 Menschen fanden den Tod, 32 wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich am Vortag des zweiten Jahrestages eines verheerenden Attentats extremistischer Islamisten auf zwei Siedlungen der Yeziden, bei dem am 14. August 2007 insgesamt 336 Menschen getötet und rund 1000 Familien obdachlos wurden.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit der Bergregion Sinjar, dem Hauptsiedlungsgebiet der Yeziden. Dort leben 550.000 Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft. Die überwiegende Mehrheit der Yeziden in Sinjar befürwortet einen Anschluss an den nordirakischen Bundesstaat Kurdistan. Denn diese Region ist befriedet. Die dortigen Sicherheitskräfte sind in der Lage, die Bevölkerung vor terroristischen Angriffen zu schützen.

Zur Gedenkveranstaltung in der niedersächsischen Landeshauptstadt, die von in Hannover lebenden Yeziden organisiert wird, werden Hunderte von Yeziden aus ganz Niedersachsen erwartet. Bei dem Anschlag am 14. August 2007 waren zwei yezidische Wohnsiedlungen total zerstört worden. Islamistische Extremisten hatten mehrere LKW, darunter auch einen als Wasserwagen getarnten Benzintankwagen, mit Sprengstoff beladen, in die beiden Ortschaften gefahren und zeitgleich zur Explosion gebracht.

Die Gedenkveranstaltung am Sonntag, den 16.08.200, beginnt um 12.00 Uhr in Hannover, Schaufelder Str.30 (Bürgerschule). Dort spricht der Vorsitzende der GfbV, Tilman Zülch.

Die Yeziden bilden unter den mehrheitlich muslimischen Kurden eine religiöse Minderheit. Sie sind eine Jahrtausende alte nahöstliche Glaubensgemeinschaft und sprechen die Kurmanci-Variante des Kurdischen. Ihre Gesamtzahl wird nach Angaben der GfbV auf rund 800.000 Angehörige im Nahen Osten und der europäischen Diaspora geschätzt. Während es im Irak mehr als eine halbe Million Yeziden gibt, sind in Armenien noch rund 18.000 Yeziden ansässig, in Syrien etwa 5000 und in Georgien noch 1.200. Die rund 50.000 Yeziden in Deutschland kamen meist als Religionsflüchtlinge aus der Türkei. Dort wird ihre Zahl heute auf etwas mehr als 400 geschätzt.

In der Provinz Niniveh gab es in jüngster Zeit mehrere Anschläge auf Kurden (Muslime und Yeziden), Turkmenen, Shabak und christliche Assyro-Chaldäer. Die GfbV warnt davor, dass der islamistische und arabisch-nationalistische Terror in dieser multiethnischen und multireligiösen Provinz einen neuen Bürgerkrieg anzetteln will. Die irakische Zentralregierung in Bagdad instrumentalisiere den Terror, um arabisch-irakische Truppen in die zwischen Kurden und Arabern umstrittenen Gebiete zu verlegen, in denen eine Mehrheit den Anschluss an den Bundesstaat Kurdistan befürwortet. Diese Truppen seien oft von Terroristen unterwandert, wie die Erfahrung aus Bagdad zeige. Deshalb seien sie ein großes Risiko für Kurdistan. Viele Offiziere der alten irakischen Armee von Saddam Hussein seien wieder im Dienst. Das friedliche Irakisch-Kurdistan sei ihnen als Anhänger des alten totalitären Regimes, das für den Völkermord an den Kurden mit mindestens 500.000 Toten verantwortlich war, ein Dorn im Auge.


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Quelle:
Presseerklärung Hannover/Göttingen, den 14. August 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2009