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NAHOST/178: Ägypten - Blasphemie-Anzeigen gegen Kopten nehmen nach Mohammed-Video deutlich zu


Presseerklärung vom 4. Oktober 2012

Christliche Minderheit leidet unter Folgen des islamfeindlichen Mohammed-Videos

In Ägypten nehmen Blasphemie-Anzeigen gegen Kopten deutlich zu - sogar Kinder sind betroffen



Das islamfeindliche Mohammed-Video hat die Lage der christlichen Kopten in Ägypten weiter erschwert. So hat die Zahl der Blasphemie-Anzeigen gegen Angehörige der Minderheit seit der Veröffentlichung des Videos deutlich zugenommen, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Donnerstag in Göttingen. "Mindestens 17 Verfahren wegen Blasphemie wurden seitdem gegen Kopten eröffnet", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Am vergangenen Dienstag wurden sogar zwei neun und zehn Jahre alte Kinder in eine Jugendhaftanstalt überstellt, weil ihnen Gotteslästerung vorgeworfen wurde. Einen Tag zuvor wurde eine koptische Geschichtslehrerin von der Staatsanwaltschaft vernommen, weil ein Schüler sie beschuldigte, das Ansehen des Propheten Mohammed beeinträchtigt zu haben.

Der neun Jahre alte Nabil Nady Rizk und der zehn Jahre alte Mina Nady Farag aus Benni Suef (Ober-Ägypten) werden beschuldigt, auf zwei Exemplaren des Koran uriniert zu haben. Die Kinder, die nicht lesen und schreiben können, sollen die Bücher beim Spielen in einer Tüte in der Straße gefunden haben und ihre Bedeutung nicht gekannt haben, berichten Familienangehörige. Der örtliche Imam hatte den Vorfall den Behörden angezeigt.

Die koptische Geschichtslehrerin Nevine al-Sayed wurde am vergangenen Montag von der Staatsanwaltschaft in der Stadt Assiut in Mittel-Ägypten wegen des Vorwurfs verhört, sie habe in ihrem Unterricht davon gesprochen, der Prophet Mohammed sei in einer verarmten Familie aufgewachsen. Nach dem Verhör kehrte sie nicht in ihre Wohnung zurück, da sie um ihre Sicherheit fürchtet.

Gemäß Artikel 98 des ägyptischen Strafgesetzbuches kann Blasphemie mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Erst Ende September 2012 war der koptische Englischlehrer Beshoy Kamel wegen der Veröffentlichung von Karikaturen und der Beleidigung von Staatspräsident Mohamed Morsy zu insgesamt sechs Jahren Haft verurteilt worden. Drei Jahre Haft verhängte das Gericht wegen Blasphemie, die anderen drei Jahre muss er wegen Beleidigung absitzen.

"Der Blasphemie-Paragraph öffnet Willkür Tür und Tor", kritisierte Delius. "Vielen Anzeigen liegen nur persönliche Streitigkeiten zugrunde. Auch wer unberechtigt beschuldigt wurde, muss um sein Leben fürchten. Mit großer Sorge verfolgen wir, dass radikal-islamische Parteien die Blasphemie-Gesetzgebung benutzen, um sich als Verteidiger des Islam zu profilieren." So schlugen radikale Islamisten nun in Ägypten vor, ein eigenes Gesetz zum Schutz des Propheten zu erlassen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 4. Oktober 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2012