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NAHOST/204: Israel beendet Übersiedlung jüdischer Falaschas aus Äthiopien


Presseerklärung vom 22. August 2013

Israel beendet Übersiedlung jüdischer Falaschas aus Äthiopien (28.8.)

Kritik an mangelnder Integration: Viele äthiopische Juden fühlen sich in Israel als Menschen zweiter Klasse



Zum Abschluss eines seit mehreren Jahrzehnten betriebenen Übersiedlungsprogramms jüdischer Falaschas aus Äthiopien nach Israel zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine kritische Bilanz und fordert eine bessere Integration der Neubürger in Israel. "Für viele äthiopische Juden ist Israel heute nicht mehr das gelobte Land, da sie unter Rassismus, Verarmung und Diskriminierung leiden", kritisierte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Die Umsiedlung von rund 120.000 Falaschas war kein Erfolgsprogramm, weil Vorurteile und mangelnde Ausbildung die Integration der Einwanderer behinderten."

Am 28. August werden noch einmal 400 jüdischen Migranten im Auftrag der offiziellen israelischen Einwanderungsorganisation Jewish Agency nach Israel geflogen. Es ist bis auf weiteres das letzte Kontingent äthiopischer Juden, das nach Israel umsiedeln wird. Sie gehören einer Gruppe von 7.846 Falasch Muras an, deren Übersiedlung die israelische Regierung im November 2010 genehmigt hatte. Als Falasch Muras werden ähtiopische Juden bezeichnet, die im 18. und 19. Jahrhundert zwangsweise zum Christentum bekehrt wurden. Trotz ihrer Konvertierung haben sie an ihren jüdischen Riten festgehalten. Doch im Gegensatz zu den Falaschas verweigern ihnen einige Rabbiner die Anerkennung als Juden.

Zehntausende Falaschas sind im Rahmen der spektakulären Operationen Moses (1984), Joshua (1985) und Salomon (1991) nach Israel übergesiedelt. Zuletzt trafen monatlich rund 200 äthiopische Juden in ihrem neuen Land ein. Die Falaschas (übersetzt: Migranten) bezeichnen sich selbst als Beta Israel (Haus Israels). Lebten 1977 erst rund 100 äthiopische Juden in Israel, nahm ihre Zahl aufgrund der offiziell geförderten Einwanderung in den 80er- und 90er-Jahren sprunghaft zu.

Viele Juden aus Äthiopien leben heute in Israel in Ghettos oder illegalen Siedlungen. Unter ihnen ist die Armutsrate dreimal höher und die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie unter der Mehrheitsbevölkerung. Diejenigen, die eine Arbeitsstelle haben, sind zu 90 Prozent in schlecht zahlenden Jeans-Fabriken beschäftigt. Folge ihrer katastrophalen sozialen Lage sind auch eine hohe Zahl von Selbstmorden sowie viele Fälle häuslicher Gewalt. Als 2012 die sozialen Proteste in Israel zunahmen, gingen auch tausende Beta Israel auf die Straße. Sie forderten mehr Chancengleichheit und ein Ende des Rassismus. Auch dem Staat wird Diskriminierung der Minderheit vorgeworfen. Das Gesundheitsministerium musste im Januar 2013 einräumen, dass Einwanderinnen ohne ihr Wissen empfängnisverhütende Injektionen verabreicht worden waren. Ultra-orthodoxe jüdische Politiker schlugen sogar vor, den Neubürgern Geld zu bieten, damit sie wieder auswandern.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 22. August 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2013