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RUSSLAND/086: Kriegsverbrecher wird Präsident in Tschetschenien


Presseerklärung vom 16. Februar 2007

Putin macht Kriegsverbrecher zum Präsidenten in Tschetschenien


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, den bisherigen Premierminister Tschetscheniens zum Übergangspräsidenten der Kaukasusrepublik zu ernennen, am Freitag scharf kritisiert. "Ramsan Kadyrow gehört vor ein internationales Kriegsverbrechertribunal und nicht in ein Regierungsamt", erklärte die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke. Noch Recherchen der Menschenrechtsorganisation sind Ramsan Kadyrow und seine Leibgarde direkt für unzählige Morde, Vergewaltigungen und Entführungen tschetschenischer Zivilisten verantwortlich, unter ihnen viele Kinder. Kadyrow unterhalte illegale Gefängnisse beispielsweise in seinem Heimatdorf Tsenteroi. Dort würden Menschen, die verdächtigt werden, den tschetschenischen Kampfverbänden anzugehören, gefoltert, um ihnen Geständnisse abzupressen. Seit er das Sagen habe, seien immer mehr unschuldige Angehörige angeblicher oder tatsächlicher Kämpfer verschleppt worden.

Ramsan Kadyrow, der Sohn des 2004 bei einem Anschlag getöteten früheren tschetschenischen Präsidenten Achmad Kadyrow, habe in Tschetschenien eine Atmosphäre der Angst aufgebaut. Verschleppungen und Misshandlungen würden den Behörden nicht mehr gemeldet aus Angst vor Sippenhaft und anderer grausamer Bestrafung. Die Zivilbevölkerung fürchte seine "Kadyrowtsy", persönlich auf den 30-Jährigen eingeschworene Todesschwadronen und so genannte Sicherheitkräfte, mehr als die russischen Soldaten. Er werde zwar zur Person hochstilisiert, der nach zehn Jahren Krieg der Wiederaufbau Tschetscheniens zu verdanken sei. Doch die humanitäre und soziale Lage in Tschetschenien sei nach wie vor katastrophal. So kämen aufgrund der unzureichenden medizinischen Versorgung nach offiziellen Angaben über die Hälfte der tschetschenischen Kinder krank auf die Welt und die Arbeitslosigkeit läge über 80 %.


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Hintergrund:

Seit dem Jahr 2000 setzt der Kreml in Tschetschenien auf die so genannte Tschetschenisierung des Konfliktes, d.h. er überlässt Moskau-treuen Tschetschenen die Bekämpfung der bewaffneten tschetschenischen Opposition. Putin stützte sich dabei bis 2004 auf Achmad Kadyrow, den ehemaligen Mufti Tschetscheniens. Dieser baute eine paramilitärische Organisation auf, die ihm direkt unterstellt und von seinem Sohn geleitet wurde. Ihr gehörten bis zu 14.000 Männer an, die sich hauptsächlich aus tschetschenischen Kämpfern rekrutierten. Persönliche Loyalität Ramsan Kadyrow gegenüber wurde häufig durch brutalste Methoden erzwungen. Als Treuebeweis musste ein neuer Kadyrowtsy zum Beispiel sein Heimatdorf "säubern". Kadyrowtsy werden für schwere Menschenrechtsverletzungen nicht zur Verantwortung gezogen. Diese Straffreiheit führt dazu, dass die Gewalt in Tschetschenien andauert.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 16. Februar 2007
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
e-mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2007