Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FAKTEN

BERICHT/1047: Berufungsprozeß in Colmar gegen NATO-Gegner (Gipfelsoli)


Gipfelsoli Infogruppe Presseverteiler - 19. Oktober 2009

Berufungsprozess in Colmar gegen NATO-Gegner
Ernüchterndes Prozessergebnis für Friedensaktivisten in Colmar
(Frankreich)

[Prozeßbeobachtungsgruppe]


Das Berufungsgericht Colmar (Frankreich) verurteilte heute einen 25jährigen Studenten aus Berlin zu 2 Monaten Haft auf Bewährung. Dabei hatte er bereits 4 Monate unter unzumutbaren Haftbedingungen im Strasbourger Gefängnis verbracht. In der ersten Instanz war er in einem 15minütigen Schnellverfahren zu 6 Monaten Haft mit sofortigem Vollzug verurteilt worden. Vorgeworfen wurde ihm ein Steinwurf ohne Schaden im Rahmen der Proteste gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg.

Am heutigen zweiten Prozesstag wurden die drei belastenden Polizeizeugen vernommen, die z.T. sehr widersprüchliche Aussagen machten. Z.B. behauptete ein Zeuge, den Angeklagten mit einer Mütze gesehen zu haben, ein anderer sprach von einer Kapuze und der Dritte von einer Maskierung. Der Staatsanwalt bezog sich dennoch positiv auf die Aussagen. Schon beim ersten Termin hatte er betont, wenn man keinem Polizisten mehr glauben könne, wem könne man denn dann noch Glauben schenken. Sein Plädoyer bezog sich erneut hauptsächlich auf Wikipedia-Zitate über den angeblichen "deutschen Black Block".

Er forderte eine Bestätigung des Urteils aus dem Schnellverfahren, verschärft durch ein Einreiseverbot nach Frankreich. Die verteidigende Anwältin Nohra Boukara zweifelte die Aussagen der Belastungszeugen grundsätzlich an. Sie zeigte Widersprüche auf und äusserte sich zum Kontext der Medienkampagnen gegen die NATO-Proteste mit der Dämonisierung des "Black Block". Zum Schluss erläuterte sie, dass der vorgeworfene Straftatbestand der "Gewalttat" wegen des nicht vorhandenen Schadens sowieso nicht zutrifft.

Der Angeklagte wurde schliesslich zu 2 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er erwägt, in Revision zu gehen. "Es ist ein Skandal", äusserte er sich nach der Urteilsverkündung, "dass ich monatelang unter unmöglichen Haftbedingungen in Strasbourg im Gefängnis sitzen musste. Mit dem heutigen Urteil wurden diese Zeit für uberflüssig erklärt und trotzdem kann ich keine Entschädigungen einklagen, weil ich nicht freigesprochen wurde!" Bis zum ersten Termin der Berufungsverhandlung Anfang August waren schon 4 Monate in Haft vergangen. Bereits im Juli war ein weiter Anti-Nato-Aktivist nach ebenfalls 4 Monaten Haft vom Colmarer Gericht freigesprochen worden. Noch immer befinden sich zwei Menschen im Zusammenhang mit den NATO-Protesten in Untersuchungshaft in Strasbourg.

Eine ausführliche Dokumentation der Repression in Folge des Gipfels findet sich unter:
http://breakout.blogsport.de


*


Quelle:
Prozessbeobachtungsgruppe, 19. Oktober 2009
Pressemitteilung über den Verteiler der Gipfelsoli Infogruppe
(Für den Inhalt von Erklärungen, die nicht von Gipfelsoli
verantwortet werden, garantiert Gipfesoli nicht.)
E-Mail: gipfelsoli-presse@lists.nadir.org
Internet: www.gipfelsoli.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2009