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BERICHT/973: Friedenswerkstatt Linz - Rundbrief 16-2009


Werkstatt Frieden & Solidarität

Werkstatt-Rundbrief Nr. 16/2009 - 2. Juli


Themen:

(1) Zeltweg als zukünftiger EU-Militärflughafen?

Kostenexplosion für Ausbau des Eurofighter-Flughafen in Zeltweg. Papier aus dem Verteidigungsministerium forderte schon 2005, in Österreich einen Eurofighter-Flughafen gemeinsam mit Deutschland und/oder Italien zu errichten.

(2) EU-Militärmanöver trainiert Einmarsch mit 40.000 Soldaten in der Kaspischen Region.

Die EU trainiert den kriegerischen Einmarsch mit 40.000 Soldaten in der kaspischen Region. Österreichische Militärs sind daran führend beteiligt. Keine einzige Parlamentspartei findet ein Wort der Kritik daran.

(3) Attraktivierung des Öffentlichen Verkehrs statt ÖBB-Preiserhöhung.

Ab 1. Juli 2009 werden die ÖBB-Preise um 5%. Der Vorschlag einer von der Regierung selbst in Auftrag gegebenen Studie, den Öffentlichen Verkehr kostenlos anzubieten, wird dagegen von allen Parlamentsparteien ignoriert.

(4) Termine

(5) Bücher/Broschüren


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(1) Zeltweg als zukünftiger EU-Militärflughafen?

Kostenexplosion für Ausbau des Eurofighter-Flughafens in Zeltweg. Zeltweg soll "modernster europäischer Militärflughafen werden".

Beim Ausbau des Militärflughafen Zeltweg sind die Kosten explodiert: Von ursprünglich veranschlagten 47 Millionen auf 160 Millionen Euro. Laut Offizieren des Bundesheeres wird Zeltweg zum "modernsten europäischen Militärflughafen" ausgebaut. "Zusatzwünsche der Nutzer seien akzeptiert worden, ohne sie ausreichend zu überprüfen." (zit. Nach Kleine Zeitung, 13.5.2009). Leider ist nicht angeführt, wessen "Zusatzwünsche" hier ohne Prüfung akzeptiert worden sind, doch ein Papier aus dem Verteidigungsministerium selbst gibt Auskunft, warum in Zeltweg der "modernste europäische Militärflughafen" entstehen soll. In den "Strategischen Analysen"von Oktober 2005, herausgegeben von Verteidigungsministerium, heißt es: "Sowohl das österreichische Bundesheer als auch die Luftstreitkräfte verfügen über militärische Assets, die durchaus im Rahmen des Ansatzes systembezogenen Poolings genutzt werden können. Im Mittelpunkt stehen dabei ... die (in Anschaffung befindlichen) Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter Typhoon. ... Die Finalität könnte hierbei etwa die Aufstellung eines mitteleuropäischen bi- beziehungsweise multinationalen Luftkampfverbands (etwa mit Deutschland und/oder Italien) bilden, dessen gemeinsamer Host aufgrund der zentralen Lage durchaus in Österreich liegen könnte."

Das bestätigt die Kritik der Friedensbewegung, dass der Eurofighter-Ankauf wenig mit der Luftraumüberwachung, dafür umso mehr mit Österreichs Beteiligung an EU-Streitkräften und deren Militärmissionen zu tun hat. Streitkräfte-Kommandant Günter Höfler auf die Interview-Frage: "Welche Rolle sollte Österreich in der europäischen Armee spielen?" Höfler: "Der Sani-Koffer allein wird nicht reichen, auch nicht die Alpin-Nische. Das wäre zu simpel. Unsere Werkzeuge sind alle schon im Einsatz, auch die Hubschrauber. Später werden es wohl auch die Eurofighter sein." (Kleine Zeitung, 13.12.2005) Kurz: Eurofighter für die Euro-Armee.

Die Eurofighter spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der sog. "netzwerkszentrierten" Kriegsführung, jener hochtechnologische Blitzkriegsstrategie, wie sie die USA in Afghanistan und im Irak vorexerziert haben und bei der die Luft-, See- und Bodenstreitkräfte unter Koordinierung von weltraumgestützten Satellitensystemen zum Einsatz gebracht werden. Mit dem sog. "Headlinegoal 2010" und einer Vielzahl derzeit laufender Rüstungsprogramme arbeiten die EU-Staaten darauf hin, in Zukunft selbst solche Interventionskriege durchführen zu können.

Um die EU-Staaten dazu anzuspornen, sich bei dieser Aufrüstung in die Riemen zu legen, soll mit dem neuen EU-Reformvertrag der politische Einfluss in der EU nicht zuletzt von der militärischen Potenz der Mitgliedsstaaten abhängen, indem ein militärisches Kerneuropa begründet wird. In dieser sog. "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" findet nur jene ein, die sich den zentralen EU-Rüstungsprogrammen beteiligen. Der Eurofighter ist das derzeit größte EU-Rüstungsprogramm. Mit der Entscheidung für den sündteuren Eurofighter und mit dem Ausbau von Zeltweg zu einem EU-Militärflughafen wollen offensichtlich die österreichischen Machteliten ihre Anwartschaft auf die Teilnahme am zukünftigen politisch-militärischen Entscheidungszentrum aufrechterhalten. Dafür muss Österreich - so die "Strategischen Analysen" bereit sein, "die notwendigen Ausgaben zu schultern". Alleine von 2006 bis 2008 sind die österreichischen Militärausgaben um 25% angestiegen.


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(2) EU-Militärmanöver trainiert Einmarsch mit 40.000 Soldaten in der Kaspischen Region.

Österreichischisches Militär ist "stolz, die Schwerpunktübung des Generalinspekteurs der deutschen Bundeswehr mitzugestalten zu dürfen". Werkstatt fordert Ausstieg aus EU-Militärgremien und den Militäreinsätzen von EU und NATO.

Im Mai 2009 fand in der BRD das Militärmanöver "European Endeavour 2009" statt, bei dem eine EU-Intervention in einem Staat in 5.000 km Entfernung geprobt wurde: mit 40.000 EU-Soldaten samt Luft- und Seeunterstützung. Trainiert wurde eine "Operation hoher Intensität", also offener Kriegseinsatz. Die Übungsannahme war so gestaltet, dass unschwer die rohstoffreiche kaspische Region als Kriegsziel auszumachen war.

Ziel von "European Endeavour 2009" war unter anderem eine ""Zertifizierung" des "Gefechtsstandes" der deutschen Luftwaffe in Kalkar (Nordrhein-Westfalen) und des Manöver-Hauptquartiers in Ulm (Baden-Württemberg). Das österreichische Bundesheer stellte dabei die drittgrößte Streitmacht. Das österreichische Verteidigungsministerium verweist in einer Presseaussendung stolz darauf, dass "als stellvertretender Stabschef und Bereichsleiter für Unterstützung im deutschen 'Kommando Operative Führung' mit Brigadier Karl Pronhagl" das österreichische Bundesheer "während der Übung "European Endeavour 2009" eine wichtige Position einnimmt." Und der benannte Pronhagl erklärt submissest, dass es für ihn "als österreichischer Offizier eine Ehre" gewesen ist, "die Schwerpunktübung des Generalinspekteurs der deutschen Bundeswehr mitzugestalten zu dürfen". Zusammengefasst: Unter deutschem Kommando mit österreichischer Stellvertretung wird eine EU-Militärintervention mit 40.000 Mann in der kaspischen Region trainiert. Das kommt jenen Kriegsplänen nahe, die im sog. "European Defence Paper" im Auftrag des EU-Rates vom EU-Institut für Sicherheitsfragen im Jahr 2004 angedacht wurden. Dort heißt es, dass sich die EU auf "Regionalkriege zur Verteidigung europäischer Interessen" zum Schutz "des freien Flusses von Rohstoffen" vorbereiten müsse. Mit solchen Kriegen "von der Dimension des Golfkrieges von 1991" müsse insbesondere in der Region des Mittleren Osten gerechnet werden. (Institut für Sicherheitsstudien, European Defence - A proposal for a White Paper, Mai, 2004)

Gerald Oberansmayr von der Werkstatt Frieden & Solidarität: "Kein einziger Vertreter einer Parlamentspartei hat Kritik an der Teilnahme Österreichs am Militärmanöver 'European Endeavour 2009' geübt. Das zeigt einmal mehr, dass die Unterstützung der EU-Militarisierung und die Torpedierung der Neutralität von SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ und Grünen gemeinsam getragen werden. Und es zeigt, wohin die Reise geht, wenn sich Österreich nicht rasch aus der EU-Militärpolitik verabschiedet. Wir fordern daher den sofortigen Ausstieg Österreichs aus dem éKommando Operative Führung' der deutschen Bundeswehr in Ulm sowie aus allen militär- und rüstungspolitischen Gremien der EU sowie den Rückzug österreichischer Truppen von den EU- und NATO-Militärmissionen. Denn das ist die Grundlage, um eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik betreiben zu können."


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(3) Für eine solidarische, ökologische und demokratische Wende:

Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs statt ÖBB-Preiserhöhung

Regierungsstudie aus dem Jahr 2008 fordert kostenlosen öffentlichen Verkehrs, stößt aber bei Regierungs- wie Oppositionparteien allen auf taube Ohren. Statt dessen werden die ÖBB-Preise ab 1. Juli um 5% erhöht.

Vor den Nationalratswahlen hielt der SPÖ-Spitzenkandidat Faymann eine ÖBB-Preiserhöhung noch für "ein katastrophales Signal" (05.07.2008) Aber nach der Wahl ist nicht vor der Wahl und als Kanzler sieht die Welt offensichtlich anders aus als als Wahlkämpfer. Ab 1. Juli werden die ÖBB-Preise um rd. 5% erhöht. Infrastrukturministerin Bures "sieht keine Möglichkeit, an Preiserhöhungen vorbeizukommen." (ORF) Nicht erklären kann Bures allerdings, warum die Regierung den Klimakiller Autoverkehr durch Verschrottungsprämien aufpäppelt, während der öffentliche Verkehr die Preise erhöhen muss. Zum Vergleich: für die Verschrottungsprämie sind 45 Millionen vorgesehen, die Kosten einer halbjährlichen Verschiebung der ÖBB-Preiserhöhung werden vom ÖBB-Vorstand mit 15 Millionen beziffert.

Ebenfalls nicht erklären kann die Regierung, warum eine Studie des Geschäftsführer der Energieregulierungsbehörde E-Control, Walter Boltz, zur Bekämpfung der Klimakrise beharrlich ignoriert wird. Dieses "Grünbuch Energieeffizienz", im Vorjahr im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt, kommt zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Etwa zwölf Prozent der gesamten in Österreich verbrauchten Energie fließen in den Transport von Personen. Und das ist der Bereich mit dem größten Wachstum in den vergangenen Jahren. Vor allem der individuelle Autoverkehr nimmt stark zu. Deshalb hat die E-Controll im Rahmen des Maßnahmenpakets für mehr Energieeffizienz, einen bemerkenswerten Vorschlag unterbreitet: "Der öffentliche Verkehr sollte für jeden kostenlos sein."

"Beim öffentlichen Verkehr werden rund 70 Prozent der Kosten ohnehin vom Steuerzahler gezahlt. Daher ginge es lediglich um die Kostenverteilung der anderen 30 Prozent", sagt Boltz. Durch eine weitgehend kostenlose Netzkarte für jeden erwartet er sich einen deutlichen Anstieg bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs.

Reiche fahren vier Mal mehr mit dem Auto. Das wäre nicht nur ökologisch wertvoll, sondern auch sozialpolitisch. Die kürzlich vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) präsentierte Studie "Soziale Aspekte der Mobilitätö zeigt, dass das oberste Viertel der Einkommensbezieher vier Mal soviel mit dem Auto fährt sie das unterste Viertel. Wer weniger verdient, legt einen höheren Anteil der Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. 60 Prozent der Haushalte, die dem unteren Einkommensviertel angehören aber nur vier Prozent der reicheren Haushalte besitzen gar kein Auto. Jedoch leiden Finanzschwache um ein Vielfaches stärker an Lärm und Abgasen. Wohlhabende fahren Auto, Ärmere atmen deren Abgase ein. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum der Vorschlag des e-controll-Chefs bei den Abgeordneten aller Parlamentsfraktionen bisher auf taube Ohren gestoßen ist.

Boris Lechthaler, Vorsitzender der Werkstatt Frieden und Solidarität: "Die ÖBB-Preiserhöhung ist ein Schritt in die vollkommen falsche Richtung - wirtschaftlich wie ökologisch. Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs sind daher ein zentrale Elemente der Werkstatt-Initiative 'Für eine solidarische, ökologische und demokratische Wende', die bereits von vielen Gemeinde-, BetriebsrätInnen, WissenschaftlerInnen, NGO-AktivistInnen und vielen anderen unterstützt wird."


Unterstützung dieses Aufrufs "Für eine solidarische, ökologische und demokratische Wende" auf www.werkstatt.or.at


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(4) Termine:

Donnerstag, 2. Juli 2009, 19:00
Plattform gegen Kriminalisierung von politischem Engagement durch Paragraphen 278 ff
Ernst-Koref-Heim (Prunerstraße 3a, 4020 Linz)

5. Juli (10:00) - 10. Juli 2009
26. Internationale Sommerakademie "Söldner, Schurken, Seepiraten - Von der Privatisierung der Sicherheit und dem Chaos der "neuen" Kriege Burg Schlaining
Genaues Programm auf http://www.aspr.ac.at/sak.htm
Anmeldung per e-mail: roithner@aspr.ac.at

Fr, 14. bis So, 16. August 2009
Arbeitsplanseminar der Werkstatt Frieden & Solidarität in Ernstbrunn (NÖ)
Beginn ist am Freitag um 17 Uhr, Ende am Sonntag um ca. 14 Uhr.
Bitte um Anmeldung unter office@werkstatt.or.at oder Tel. 0732/771094 oder Tel. 0664-1540742.


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(5) Bücher und Broschüren:

Bücher und Broschüren, die bei der Werkstatt bestellt werden können.
Informationen und Online-Bestellmöglichkeiten auf:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=30&Itemid=50


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Quelle:
Werkstatt Rundbrief Nr. 16-2009 vom 2. Juli 2008
Werkstatt Frieden & Solidarität
Waltherstr. 15, 4020 Linz
Telefon 0732/771094, Fax 0732/797391
Mail: office@werkstatt.or.at
Internet: www.werkstatt.or.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2009