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AKTION/522: Gefährliche Reste! (SB)


65 Tage ziviler Ungehorsam

Gewaltfreie Blockadeaktionen am Atomwaffenstandort Büchel geplant



Gemessen an den namentlich von der sogenannten internationalen Gemeinschaft gern erhobenen Ansprüchen, zum Wohle der gesamten Menschheit zu wirken und ihre demokratischen wie humanitären Werte gegen welche Bedrohungen auch immer verteidigen zu wollen, stellt die Existenz atomarer Waffen einen Widerspruch dar, wie er extremer kaum sein könnte. In dieser Militärtechnologie, über die zu verfügen sich ein begrenzter Kreis von Staaten, die "die Bombe haben", mit den sogenannten Nichtkernwaffenstaaten vertraglich geeinigt hat auf der Basis eines grundsätzlichen Abrüstungsversprechens, offenbart sich die immense Zerstörungsgewalt hochindustrialisierter Technologien und der vorherrschenden gesellschaftlichen Produktions- und Herrschaftsverhältnisse.

Mit den ersten Atombombenabwürfen am Ende des Zweiten Weltkrieges hatten die USA als angehende Führungsmacht der Nachkriegsordnung ein unmißverständliches Zeichen gesetzt. Mehrere hunderttausend Tote in Hiroshima und Nagasaki waren der furchtbare Beweis dafür, daß mit einer einzigen Bombe eine bis dahin unvorstellbar große Menschenmenge getötet und ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht werden können. Nach Ansicht von Atombombengegnern und -gegnerinnen stellen diese Waffen in Händen derer, die sorgsam darüber wachen, daß kein aus ihrer Sicht unautorisierter Staat in ihren Besitz gelangt, eine gemessen an den Versprechungen eines friedlichen und solidarischen Miteinanders der Staaten der Erde eine inakzeptable Bedrohung dar.

In der Bundesrepublik Deutschland wurden zu Zeiten des sogenannten Kalten Krieges, als sie noch nicht über ihre volle Souveränität verfügte, Atomwaffen ihres Verbündeten und NATO-Partners USA stationiert, die allerdings auch nach der Wiedervereinigung und dem Ende der Blockkonfrontation keineswegs abgezogen wurden. Die Proteste und Aktionen gegen die auf deutschem Boden (und anderswo) stationierten Atomwaffen weisen hierzulande eine lange Tradition auf. Zu ihnen fanden und finden sich Menschen aus unterschiedlichen Protestbewegungen und Initiativen zusammen. Lokale Gruppen, die sich gegen die Beeinträchtigungen und Gefährdungen ihrer Region durch die Stationierung dieser Waffen zur Wehr setzen, arbeite(te)n Hand in Hand mit Aktivisten und Aktivistinnen, die aus grundsätzlichen politischen Überzeugungen atomare Waffengewalt ablehnen.

Daß sich noch immer US-amerikanische Atomwaffen auf deutschem Territorium befinden, stellt ein Politikum dar auch angesichts des durch die Enthüllungen über die NSA-Abhörmaßnahmen empfindlich gestörten Verhältnisses zu den USA und einer Washingtoner Administration, die sich von dem mit großer Mehrheit gefaßten Bundestagsbeschluß vom 26. März 2010, mit dem die deutsche Bundesregierung aufgefordert wurde, sich direkt bei den USA wie auch im Rahmen der NATO für den Abzug der letzten auf deutschem Boden verbliebenen Atomwaffen einzusetzen, beeindrucken ließ. Ob die Regierung in Berlin, gleich welcher Couleur, diesem Parlamentsbeschluß gemäß aktiv geworden und damit auf Granit gestoßen ist oder ob sie in vorauseilendem Gehorsam selbst signalisiert hat, daß diese Entscheidung ignoriert werden könne, ist aus Sicht der bundesweit aktiven Kritiker und Kritikerinnen unerheblich angesichts der Fakten, die in Gestalt von vermutlich 20 US-Atombomben im Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der südlichen Eifel zwischen Koblenz und Trier noch immer liegen. [1]

Dieses Versagen bundesdeutscher Politik hat viele Menschen in der Region, aber auch überregional tätige Organisationen und Initiativen zu vielfältigen Aktionen im Rahmen einer langfristig angelegten, bis zur nächsten Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags, die im Mai 2015 in New York stattfinden wird, terminierten Kampagne veranlaßt. Sie begann am 26. März 2012, dem zweiten Jahrestages des Bundestagsbeschlusses, mit der Aufforderung an die Bundesregierung, sich für den Abzug der Atomwaffen sowie eine internationale Atomwaffenkonvention einzusetzen. In einer ersten Aktionsphase richteten die an der Kampagne beteiligten Initiativen 2012 den Fokus ihrer Aktivitäten gegen die jedem Abrüstungsgedanken entgegenstehende Modernisierung der Atomwaffen. Als die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD aus Sicht der Kernwaffengegner und -gegnerinnen enttäuschend verlaufen waren, wurde unter dem Stichwort "Last Exit New York" eine neue Kampagnenphase eingeläutet, deren intensivste Zeit in den kommenden Monaten bevorsteht. [2]


Wird die Zufahrt zum Atomwaffenstandort Büchel vom 26. März bis 29. Mai 2015 blockiert?

Höhepunkt und Spitze der Kampagnenaktivitäten soll sogar eine Blockade des Atomwaffenstandorts Büchel sein, die für 65 Tage, vom 26. März bis zum 29. Mai 2015, vorbereitet wird. Mit dieser letzten Phase soll ein einstimmiger Bundestagsbeschluß erreicht werden, damit sich Deutschland auf der Überprüfungskonferenz in New York für ein vertragliches Verbot atomarer Waffen ausspricht. Die Aktion "büchel65" wird von einem gleichnamigen Bündnis getragen, das, eingebettet in die Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt" [2], mit der Initiative "Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen" (GAAA) [3] kooperiert.

Wie ihrem Infoblatt zu entnehmen ist, lädt büchel65 "Gruppen, lokale Initiativen und Einzelne ein, ihren Widerstand gegen die Stationierung und Lagerung von Atomwaffen durch gewaltfreie Blockaden sichtbar zu machen". [1] Dieser Idee zufolge könnte es so sein, daß verschiedene Gruppen jeweils für einen Tag oder auch länger die Zufahrten zum Fliegerhorst in Büchel blockieren. Die Gruppen würden am Vortag der Aktion anreisen und sich in Kooperation mit dem Bündnis vorbereiten, wobei zu klären wäre, wieviele Tore auf welche Weise blockiert und wie sich die Aktivisten und Aktivistinnen im Falle einer Räumung verhalten werden.

Den als "zivilen Ungehorsam" ausgewiesenen Aktionsrahmen hat das Aktionsbündnis vorgegeben. Darunter werden gewaltfreie Aktionen verstanden, bei denen sich die Aktivisten und Aktivistinnen nicht auf staatlich erlaubte Handlungen beschränken, sondern in besonnener Art und Weise bestimmte Verbote übertreten. Eine juristische Verfolgung wegen des Vorwurfs, eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begangen zu haben, würden die Aktivistinnen und Aktivisten dabei riskieren oder sogar mit voller Absicht provozieren, um der Ernsthaftigkeit ihres Protestes angesichts der von ihnen als skandalös bewerteten Zustände einen besonderen Nachdruck zu verleihen. [1]

"65 Tage gewaltfreie Blockaden - 26.03.-29.05.2015" lautet der Titel des Infoblattes. Wie büchel65 darin erläutert, soll während der gesamten Aktion keine körperliche Gewalt gegen Personen angewandt oder angedroht werden, auch soll niemand beschimpft, verhöhnt oder abgewertet werden. Statt dessen sollen die jeweiligen Gegenüber - Polizisten und Polizistinnen, Soldaten und Soldatinnen, Aktionsgegner und -gegnerinnen - als Menschen geachtet werden, auch wenn ihr Handeln oder ihre Rolle kritisiert werden sollten. Dies gelte auch im Falle juristischer Verfahren im respektvollen Umgang der Aktivisten und Aktivistinnen mit Richtern und Richterinnnen, Staatsanwälten und Staatsanwältinnen etc., auch wenn diese als Repräsentanten und Repräsentantinnen eines seitens der Atomwaffengegner und -gegnerinnen kritisierten politischen und juristischen Systems nicht akzeptiert werden.

Gewaltfreies Verhalten sei eine glaubwürdige Einladung an ihr Gegenüber, so büchel65, von seinen Möglichkeiten, Gewalt anzuwenden, keinen Gebrauch zu machen, sondern das Anliegen der Protestierenden wohlwollend zu betrachten. Auch wenn das eigene gewaltfreie Verhalten keine Garantie dafür böte, nicht selbst Gewalt erleiden zu müssen, erklärten die Bündnis-Aktivisten und -Aktivistinnen, daß sie, falls sie provoziert werden würden, keine Gegengewalt anwenden, sondern ruhig und besonnen bleiben würden. [1]

Auf der Webseite www.buechel-atomwaffenfrei.de/buechel65/ wurde daran erinnert, daß der Internationale Gerichtshof in Den Haag 1996 in einem Rechtsgutachten gegen den Willen der Atomwaffenstaaten feststellte, daß Atomwaffen weder eingesetzt noch daß mit ihrem Einsatz gedroht werden dürfe. Der Gerichtshof bekräftigte ausdrücklich die aus dem Atomwaffensperrvertrag von 1970 stammende Verpflichtung aller ihm beigetretenen Atomwaffenstaaten zur vollständigen Abrüstung dieser Waffen. [1] Mit der sogenannten Modernisierung werden die bestehenden durch flexiblere und zielgenauere Atomwaffen ausgetauscht, die bis 2050 einsatzbereit bleiben sollen. Dadurch entstünden nach Ansicht von büchel65 erste atomare Präzisionsbomben in Europa, die die Abrüstungsverhandlungen zwischen Rußland und der NATO gefährdeten, weshalb Rußland zu Recht die Abrüstungsbereitschaft der NATO in Frage stellen und dies als Vorwand für die Modernisierung seines eigenen Atomwaffenarsenals nutzen könnte.

Die Antwort des Bündnisses auf diese Entwicklung bestehe in einer Intensivierung der Proteste und des Widerstandes gerade dort, wo diese hochgefährlichen Waffen gelagert und ihr Einsatz täglich trainiert wird. So könne Büchel in der Eifel - wie schon Mutlangen in den 1980er Jahren - zu einem symbolischen Ort gegen den atomaren Wahnsinn werden, einem Wahnsinn, dem das Bündnis Forderungen nach einer bedingungslosen (nuklearen) Abrüstung und gewaltfreien Lösungen internationaler Konflikte entgegensetzt.


Fußnoten:

[1] http://www.buechel-atomwaffenfrei.de/buechel65/

[2] http://www.atomwaffenfrei.de/kampagne.html

[3] http://www.gaaa.org/

17. Januar 2015


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