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NEWSLETTER/053: Solidar-Werkstatt Österreich - Werkstatt Rundbrief 10/2011 - 07.05.2011



Werkstatt-Rundbrief Nr. 10/2011 - 7. Mai 2011
Solidar-Werkstatt für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich

Themen:
(1) "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!" - Aus- und Umzug am 15. Mai 2011 in Wien
a) Aufruf "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!"
b) Warum gehen wir am 15. Mai auf die Straße
c) EU-Mitgliedschaft Österreichs - eine kurze Bilanz
d) Nicht weiter über den EU-Austritt schweigen!
e) Die nächste EU-Neoliberalismus-Lawine
f) Eckpunkte eines Solidarstaats Österreichs
(2) Diskussionsveranstaltung: "In Libyen und anderswo mit EU-Kampfgruppen "unser" Öl sichern?",
Di, 10. Mai 2011, Wien
(3) Libyen: Krieg von langer Hand geplant?
(4) Make Love and Make War - Großbritannien rüstet atomar auf
(5) OÖ: Minus 15% beim Öffentlichen Verkehr
(6) Weitere Hinweise zu Kampagnen & Projekten
(7) LeserInnenbriefe/Diskussionen/Gastkommentare
(8) Termine
(9) Bestellungen
(10) Solidarwerkstatt-Videos
(11) Solidarwerkstatt auf Facebook



(1) Aktion am 15. Mai 2011
"Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!"

Am Sonntag, 15. Mai 2011 laden Solidar-Werkstatt Österreich und die MigrantInnenorganisation DIDF (Föderation demokratischer Arbeitervereine) ein zum "Auszug vom

Haus der EU und zum Umzug zum österreichischen Parlament".
Treffpunkt: Haus der EU, 14 Uhr, (Wipplingerstraße 35, 1010 Wien).
Unser Motto: "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!".

Abschlusskundgebung vor dem Parlament mit Kulturprogramm (u.a. "11 saiten OSTGEFÄLLE").
Wir laden herzlich ein mit uns vom Haus der Europäische Union zum Parlament zu marschieren. Ein Buchstabenumzug unter der Losung "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime"! Buchstaben zu vergeben! Wir suchen noch Menschen die Lust haben beim Umzug mitzuwirken und eine tragende Rolle, als z.B. "S","o", "l","i", etc., zu spielen.

Bitte melden unter 0664/7607937 bzw.
office@solidarwerkstatt.at Vielen Dank!

Wir organisieren eine günstige Anreisemöglichkeit von Linz nach Wien mit Bus. Treffpunkt: 9:45h vor dem Büro der Solidarwerkstatt, Walterstraße 15, 4020 Linz. Bitte anmelden unter 0732/771094 oder 0664/7607937 bzw. office@solidarwerkstatt.at



a) Aufruf für den 15. Mai 2011
"Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!"

Am So, 15. Mai 2011 veranstalten Solidarwerkstatt Österreich und die MigrantInnenorganisation DIDF (Föderation demokratischer Arbeitervereine) gemeinsam einen Umzug vom Haus der EU zum österreichischen Parlament (Treffpunkt 14 Uhr, (Wipplingerstraße 35, 1010 Wien). Das Motto: "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!". Hier der Aufruf für diese Aktion.

Wir sind Menschen. Menschen aus Österreich. Menschen in Österreich. Wir sind schon lange hier oder kommen von weit her. Wir arbeiten. Wir haben gearbeitet oder werden arbeiten. Wir wollen arbeiten.
Wir produzieren Güter, die wir täglich brauchen. Wir errichten Gebäude und Straßen. Wir bauen Maschinen und Anlagen. Wir forschen. Wir begleiten unsere Kinder bei der Aneignung einer Welt, in der sie sich entlang ihrer Neigungen und Talente entfalten können. Wir versorgen unsere Kranken. Wir pflegen jene, die nicht - mehr - für sich selbst sorgen können. Wir sorgen für die notwendigen öffentlichen Dienste. Wir sorgen für eine funktionstüchtige öffentliche Verwaltung.

Alle werden gebraucht. Niemand ist überflüssig.

Unsere Arbeit schafft ein gutes Leben. Aus unserer Arbeit erwächst ein lebenswerter Alltag. Wir leisten unseren Beitrag und wollen unseren gerechten Anteil. Für uns und für alle, die unserer Zuwendung bedürfen.

Dafür braucht es einen politischen Rahmen. Einen Rahmens, der durch die Teilhabe aller an der Willensbildung gestaltet wird. Diesen Rahmen können und wollen wir in einem Solidarsta.At Österreich verwirklichen.

Unsere Kinder haben ein Recht auf bestmögliche Bildung, unabhängig von ihrer Herkunft. Wir haben ein Recht auf ein gutes Gesundheitswesen und Hilfe, wenn wir nicht mehr für uns selbst sorgen können. Ein funktionstüchtiges öffentliches Verkehrswesen, Wasser- und Energieversorgung, Abfallentsorgung sind ebenso unverzichtbar für ein gutes Leben, wie der Zugang aller zu den kulturellen Einrichtungen. Eine bürgernahe, unbürokratische Verwaltung, der allgemeine Zugang zum Rechtswesen, ein hohes Maß an öffentlicher Sicherheit sind nicht minder bedeutsam als Nahrung, Kleidung, Wohnung.

Vollbeschäftigung ist möglich, wenn dem gemeinschaftlichen Bedarf in all diesen Bereichen nachgekommen wird. Die schöpferische Kraft dafür ist in unserer Gesellschaft vorhanden und kann unmittelbar entfaltet werden, wenn die Verteilung der Wertschöpfung danach ausgerichtet wird. Wir benötigen ein Steuer- und Beitragssystem, das für ausreichende und stabile Mittel für den gemeinschaftlichen Bedarf sorgt, das eine gerechte Lastenverteilung sichert, parasitären Konsum, Einkommens- und Vermögensbildungsexzesse unterbindet, die Subventionierung der aggressiven Exportorientierung beschränkt und regionale Wirtschaftskreisläufe stärkt.

Unsere solidarische und demokratische Republik braucht ein starkes wirtschaftliches Fundament. Bildung, kulturelle Einrichtungen, Kinderbetreuung, Gesundheit, Pflege, viele Bereiche der gemeinschaftlichen Infrastruktur, auch des Finanzsektors, können nur dann ausreichend verfügbar werden, wenn sie gemeinschaftlich hergestellt und über sie gemeinsam entschieden wird. Kommunales Eigentum, Sozialversicherungen in Selbstverwaltung, Genossenschaften sind Werkzeuge der Solidarität und der Demokratie. Die Republik benötigt ein Entscheidungsrecht bei Unternehmen von strategischer Bedeutung, auch im Bereich der industriellen Güterproduktion.

Auf dieser Grundlage kann auch für eine menschengerechte natürliche Umwelt gesorgt werden. Das schulden wir den kommenden Generationen. Der Ausstieg aus der Verschwendung fossiler Energieträger, der Sackgasse der Nutzung der Kernenergie ist möglich. Die möglichst rasche Herstellung der Energieautarkie Österreichs auf der Grundlage erneuerbarer Energieträger, sparsamer und effizienter Nutzung ist der wesentlichste Beitrag für einen sorgsamen Umgang mit unserer natürlichen Umwelt.

Wir wollen uns an der globalen Arbeitsteilung beteiligen. Auf gleicher Augenhöhe mit den Menschen in anderen Ländern und zum gegenseitigen Vorteil. Aggressive Exportorientierung und exzessiver Kapitalexport sind Werkzeuge zur Herstellung von Ausbeutung und Vorherrschaft und gefährden langfristig Arbeitsteilung zum wechselseitigen Vorteil. Sie zwingen uns zur Kumpanei mit den Großmächten. Sie untergraben das Gebot des immerwährend Neutralen, bereits in Friedenszeiten alles zu unterbinden, was den Frieden gefährden könnte. Aktive Neutralitätspolitik verweigert das Mitmarschieren bei den militärischen Abenteuern der Großmächte und bedeutet Solidarität mit den Schwachen.

Unser Solidarstaat gründet auf der Mitwirkung aller. Er ist nicht frei von Konflikten und widerstreitenden Interessen. Er garantiert die Würde und Haltung des Einzelnen auch im Konflikt. Er garantiert aber auch, dass nicht Einzelne oder mächtige Gruppen der Gesellschaft ihren Willen aufzwingen können. Dafür bedarf es einer umfassenden demokratischen Erneuerung in allen gesellschaftlichen Bereichen, auch der politischen Institutionen. Wir wollen die Stärkung der direkten Demokratie und der Selbstverwaltung, vor allem auch auf Ebene der Gemeinden. In deren Unterordnung in das System der Konkurrenzdemokratie erkennen wir einen entscheidenden Hebel dafür, dass es mächtigen Klüngeln gelingt, die Gesellschaft ihrem Willen zu unterwerfen. Ausgehend von der persönlichen Wahl und der jederzeitigen Abwählbarkeit von Vertretern in unmittelbarer Nähe zu den Menschen wollen wir jene Einrichtung bilden, die über die verbindlichen Rechte und Pflichten für alle entscheidet und verantwortet.

Unser Solidarstaat will die Verallgemeinerung von Rechten und Pflichten.
Wir machen diese nicht abhängig von Geschlecht, Herkunft oder Aufenthaltsstatus.
Wir verknüpfen den Verbrauch und die Nutzung gesellschaftlicher Leistungen mit deren Herstellung und Finanzierung auf solidarischer Grundlage.
Das Gegenteil von Recht ist nicht Pflicht sondern Unrecht. Das Gegenteil von Pflicht ist nicht Freiheit, sondern Verantwortungslosigkeit.

"Du bist überflüssig. Und wenn du es nicht schon bist, kannst du es jederzeit werden."

So lautet die tägliche Botschaft der Machteliten. Österreich drohe ins Hintertreffen zu geraten. Damit werden wir gefügig gemacht. Damit verwandeln sie unsere Gesellschaft in eine Vollzugsanstalt für ihre parasitären Machtinteressen. Damit rechtfertigen sie den Prozess der Unterordnung unserer Gesellschaft in das rückwärtsgerichtete EU-Konkurrenzregime. Die EU dient nicht der Organisation eines guten Lebens. Sie dient der globalen Machtprojektion überkommener Eliten. Mit der europäischen Integration hoffen sie jene wirtschaftliche Macht und jene militärische Stärke zu sichern und auszubauen, die sie für diese Machtprojektion benötigen. Für sie ist die Welt ein Kriegsschauplatz. Noch vor den tatsächlichen Kriegen führen sie den täglichen Krieg um Rohstoffe und Marktanteile. Damit verwandeln sie unsere Gesellschaft selbst zu einem Schauplatz des Kampfes jeder gegen jeden.

Wir sind arm geworden

Seit 1. Jänner 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union. Ja, wir haben mehr Autos, mehr elektronische Geräte, mehr Wegwerftextilien, mehr Kurzurlaube und viele Nahrungsmittel werden ungenossen entsorgt. Das sei der Lohn für die Anstrengungen, die wir für den europäischen und globalen Markt leisten. Doch selbst dieser Lohn wird immer mehr Menschen vorenthalten. Viele leben in dauernder existenzieller Unsicherheit. Die Angst, in diese Lage gestoßen zu werden, bestimmt schon unser Leben, wenn es uns angeblich noch gut geht.

"Wir müssen sparen", sagen uns EU-Kommission, EZB und Regierung

Mit dem EU-Beitritt wurde das Dogma vom schlanken (Sozial-)Staat zur Leitlinie der Wirtschaftspolitik. Strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Kassen und die Rettungspakete für Banken und Konzerne in der aktuellen Krise haben gewaltige Löcher in die öffentlichen Budgets, insbesondere auch der Gemeinden, gerissen. Bei den gemeinschaftlichen Leistungen zu kürzen, heißt Lebensqualität zu kürzen und gefährdet unsere Zukunft. Damit opfern wir unseren Reichtum auf dem Altar der Konkurrenzfähigkeit für den Weltmarkt.

Diesem Dogma ist auch der Krebsgang in der Ökologiepolitik geschuldet. Der Transitverkehr und der motorisierte Individualverkehr explodieren, Wirtschaftswachstum äußert sich unmittelbar in wachsendem Energieverbrauch. Wir zahlen Millionen für Euratom. Lebensmittel werden gentechnisch verändert und Leben patentiert.

Die Außen- und Sicherheitspolitik wird militarisiert

Eine Aufrüstungsverpflichtung mit Rüstungsagentur wurde im EU-Vertrag verankert. EUKampfgruppen für globale Militäreinsätze wurden aufgestellt. Eine eigenständige weltoffene Außenpolitik wurde zugunsten einer angeblichen gemeinsamen europäischen Außenpolitik geopfert, die jedoch völlig von der Politik der Großmächte abhängig ist.

Die EU hat nicht, wie oft behauptet wurde, ein Demokratiedefizit. Ihr Zweck ist die Aushebelung demokratischer Mitbestimmung in weiten Bereichen. Das Recht auf Gesetzesinitiative liegt bei der demokratisch kaum belangbaren EU-Kommission. Im Rat der Staats- und Regierungschefs dominieren die großen Staaten. Mit der Verschärfung des Stabilitätspakts wird jetzt sogar die Budgethoheit der nationalen Parlamente ausgehebelt. Begleitet wird dieser Prozess mit dem Ausbau von Kontrolle und Überwachung. Immer mehr Daten über die BürgerInnen werden gesammelt, Gesetze zur Kriminalisierung politischen Engagements wurden und werden beschlossen und exekutiert.

Durch die EU-Mitgliedschaft seien wir weltoffener geworden, heißt es. Doch Jahr um Jahr werden die Fremdengesetze verschärft und ein Teil der in Österreich lebenden Menschen noch mehr entrechtet. Die gesellschaftliche Krankheit Ausländerfeindlichkeit wächst aus der um sich greifenden Angst vor der eigenen Entwertung. Menschlichkeit bleibt auf der Strecke und Österreich wird nicht weltoffener. Im Gegenteil: Der offene Blick auf die Welt wird durch die Vorgaben der europäischen Großmächte verstellt. Auf dieser Grundlage gelingt es dem deutschnationalen Rechtsextremismus mit seinem Kulturkampf zu einem bestimmenden politischen Faktor zu werden.

Die EU-Integration bildet nicht nur die entscheidende zu überwindende Barriere für die Errichtung eines Solidarstaates. Die mit ihr verbundene Durchsetzung hemmungsloser Konkurrenz und Schwächung solidarischer Strukturen gefährdet die bestehenden Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Gier und Abzockerei werden zu bestimmenden Motiven menschlichen Handelns.

So geht es nicht mehr darum, ob es eine Alternative zur Unterordnung unter das EU-Konkurrenzregime gibt, sondern darum, dass die EU-Mitgliedschaft keine lebenswerte Alternative zu einer solidarischen Gesellschaft in einer demokratischen Republik Österreich ist.

Wir fordern deshalb den Austritt aus der EU und ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich!

Wir werden uns jedes Jahr rund um den 15. Mai, dem Jahrestag der Wiedererrichtung eines freien Österreich vor dem Parlament versammeln, bis wir dieses Ziel erreicht haben!



b) Warum gehen wir am 15. Mai auf die Straße

Wir haben bewusst den 15. Mai, den Tag der Unterzeichung des österreichischen Staatsvertrags, als Datum für unsere Aktion "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!" gewählt. Der Staatsvertrag steht für ein antifaschistisches und neutrales Österreich, für ein Österreich, das auf Sozialstaat und Gemeineigentum in wichtigen wirtschaftlichen Bereichen aufbaut.

Es verwundert daher nicht, dass der Staatsvertrag das erste "Opfer" des EU-Beitritts war, als im Vorfeld des Beitritts die damalige Regierung - in einem völker- und verfassungsrechtlichen Hasardakt - einseitig wichtige Teile des Vertrages für "obsolet" erklärte: Für "überholt" erklärte die Regierung damals z.B. das Naziverbot im Bundesheer, das militärische Kooperationsverbot mit Deutschland und das Verbot des Ausverkaufs staatlicher Großunternehmen an ausländische Konzerne.

Wir gehen am 15. Mai auch auf die Straße, weil dieser Tag für ein souveränes und von Großmächten unabhängiges Österreich steht. Dem deutschnationalen Rechtsextremismus, der FPÖ und ihren Vorgängerorganisationen ist der Staatsvertrag daher immer ein Dorn im Auge gewesen. Jenseits populistischer Sprücheklopferei strebt die FPÖ weiterhin den Anschluss an Deutschland an - und zwar durch die "EU-Hintertür". Und tatsächlich findet seit dem EU-Beitritt ein Prozess der schleichenden wirtschaftlichen, politischen und militärischen Unterordnung unter die deutschen Machteliten statt, die ihrerseits die EU-Entwicklung immer stärker beherrschen. Der Aufstieg der rechtsextremen FPÖ und die EU-konforme Zurichtung Österreichs verlaufen weitgehend parallel.

Die EU-Entwicklung fördert europaweit das Erstarken rechtsextremer Kräfte. Denn diese leisten den EU-Mächtigen Flankenschutz beim Sozialabbau, indem sie den sozialen Protest in rassistische Bahnen lenken und damit die Solidarität der sozial Benachteiligten sprengen. Die EUGroßmachtsambitionen fördern rechtsextreme Denkmuster. Denn wer sich anmaßt, in Afrika, im Nahen Osten, im Kakasus und sonst wo mit militärischen Mitteln seine wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, landet letztlich bei Überlegenheitswahn und Herrenmenschendünkel. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und für einen Solidarstaat, gegen Rassismus und für EU-Austritt sind für uns daher zwei Seiten einer Medaille. Der 15. Mai ist ein guter Tag, um dafür öffentlich ein Zeichen zu setzen.


c) EU-Mitgliedschaft Österreichs - eine kurze Bilanz

Beim EU-Beitritt 1994 wurde den Menschen vieles versprochen. Wir bringen eine kurze Bilanz, die sich von der regierungsamtlichen EUphorie etwas unterscheidet.

Ungleichheit wächst

Seit dem EU-Beitritt ist die Lohnquote (Anteil der unselbständig Erwerbstätigen) am Volkseinkommen um 7% gesunken. Die durchschnittlichen Nettorealeinkommen (also inflationsbereinigt) der ArbeitnehmerInnen sind zwischen 1995 und 2008 um 2,6% gesunken. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt ist in diesem Zeitraum real um 32% gestiegen. D.h., dass eine massive Umverteilung zugunsten der Gewinneinkommen stattgefunden hat. Besonders dramatische Einbußen gibt es in den unteren Lohngruppen. So sind die Realeinkommen (inflationsbereinigt) des 1. Quintils (=einkommensschwächste 20 %) aller ArbeitnehmerInnen von 1995 bis 2008 um 25 % brutto (22,4 % netto) gesunken. (Quelle: Sozialbericht des Sozialministeriums 2009-2010)

Frauen fallen zurück

1980 verdienten Arbeiterinnen 61,6% ihrer männlichen Kollegen, bis 1995 konnten sie auf 64,5% zulegen, doch 2008 lagen wie wieder bei 61,2%, also unter dem Stand von 1980. (Quelle: Sozialministerium)

Steuerpolitik für die Großen

Die Steuerreformen seit Anfang der 90er Jahre zeigen eine eindeutige Handschrift zugunsten der großen Vermögen, Kapitalgesellschaften und Spitzenverdiener: Senkung der Körperschaftssteuer, Einführung der Gruppenbesteuerung für Konzerne, Abschaffung von Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Einführung von Privatstiftungsprivilegien, Senkung des Spitzensteuersatz, usw. Seit 1992 sind die Einnahmen aus Lohnsteuern doppelt so stark gestiegen wie die Einnahmen aus Gewinnsteuern (Quelle: AK OÖ).

Arbeitslosigkeit nimmt zu

Die Zahl der Arbeitslosen (inkl. SchulungsteilnehmerInnen) hat sich seit Mitte der 90er Jahre um rd. 100.000 erhöht. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist von 10 auf 25 % gewachsen. Die Zahl der SozialhilfebezieherInnen hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Privatisierungsrausch

Der "hohe Staatsanteil in der Wirtschaft" war der EU-Kommission schon beim Beitrittsgesuch ein Dorn im Auge. Zwischen 1994 und 2005 wurde alleine im Rahmen der ÖIAG öffentliches Eigentum im Wert von 12 Mrd. Euro privatisiert und damit die verstaatlichte Industrie faktisch zerschlagen. Ebenfalls privatisiert wurden die großen Banken CA bzw. Bank Austria. Auch die Privatisierungen im Bereich öffentlicher Dienstleistungen schreiten voran (z.B. Post, Energie, Wasser).

Bahn/Post sperren zu

EU-Postliberalisierung: Zwischen 1999 und 2009 baute die Post AG 27% der MitarbeiterInnen ab (minus 10.000 Beschäftigte) und sperrte jedes zweite Postamt zu. Gleichzeitig stiegen Gewinn und Dividendenausschüttung um über 300%. Die EU-Eisenbahnliberalisierung führt zur Zerstörung eines kooperativen Eisenbahnsystems, Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Folge: Immer mehr Regionalbahnen werden zugesperrt, die Fahrpläne ausgedünnt. Einem Drittel des Schienennetzes droht die Stilllegung.

Fremdengesetze verschärft

Seit 1992/93 werden nahezu jährlich die sog. "Fremdengesetze" restriktiver und integrationsfeindlicher (Asyl, Aufenthalt,...). Nicht alle, aber wesentliche Verschärfungen wie z.B. die sog. "Sichere-Drittstaaten-Regelung", mit der das Recht aus Asyl massiv eingeschränkt wird, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit EU-Entwicklungen.

Bedrohlicher Überwachungsstaat

Die Vorratsdatenspeicherung geht auf eine EU-Richtlinie zurück, ebenso die sog. "Anti-Terror"-Paragraphen 278 b ff., die den Behörden eine wachsende Handhabe geben, politisches Engagement mit hohen Gefängnisstrafen einzuschüchtern. Militärbefugnisgesetz und Sicherheitspolizeigesetz haben die Möglichkeiten der Behörden zur Bespitzelung der BürgerInnen massiv ausgeweitet.

Krebsgang in der Umweltpolitik

Seit dem EU-Beitritt hat sich der LKW-Transit über Österreichs Alpenpässe verdoppelt, im Ost-West-Verkehr sogar verdreifacht. Der Anteil der umweltfreundlichen Mehrweggebinde ist seit Anfang der 90er Jahre von 90% auf 20% gefallen, nicht zuletzt aufgrund von EU-Binnenmarktvorschriften (z.B. Aufhebung des Glasflaschengebots für Mineralwasser). Die EU-Kommission kippte das österreichische Importverbot von gentechnisch angebauten Futtermitteln. Österreich zahlt als EURATOM-Mitglied jährlich viele Millionen zur Förderung der EU-Atomindustrie.

Hochschulen: verschärfte soziale Selektion

Kürzung der Familienbeihilfe für Studierende, Streichung der Freifahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Einführung von Studiengebühren (die teilweise wieder gestrichen wurden); weitgehende Eliminierung der studentischen Mitbestimmung ; immer weitergehende Zugangsbeschränkungen, ausgehend von einem EUGH-Urteil im Jahr 2005; Zweiteilung in ein dequalifiziertes Massenstudium (Bachelor) und ein Elitestudium für wenige (Master, Dr.). Diese Politik hat den sozialen Numerus Clausus deutlich verschärft: An den wissenschaftlichen Unis sank der Anteil der Kinder aus einer niedrigen sozialen Schicht zwischen 1998 und 2009 von 26 auf 18 Prozent, an den Fachhochschulen sank dieser Anteil von 33 (1998) auf 23 Prozent (2009). (Quelle: Studierenden-Sozialerhebung 2009, Wissenschaftsministerium)

Sparpakete für die Schulen

In zwei Sparpaketen (1995, 2003) wurden in so gut wie allen Unterrichtsgegenständen und Schultypen Stunden gestrichen. Folge: Einem AHS-Maturanten, der 12 Schuljahre absolviert hat, wurde praktisch ein dreiviertel Schuljahr an Unterricht weggekürzt (rd. 870 Stunden), das aber bei gleichem Lehrstoff.

Schleichende Neutralitätsdemontage und Aufrüstung

Novellierung des Kriegsmaterialiengesetzes (ermöglicht die Durch- und Überfuhr von Kriegsgerät), EU-/NATO-Truppenstatut (ermöglicht die Stationierung von ausländischen Truppen in Österreich), "Obsolet"-Erklärung wichtiger Passagen des Staatsvertrags (sh. Kasten unten); Novellierung von Entsendegesetz und Artikel 23f Bundesverfassungsgesetz (ermöglicht die Teilnahme österreichischer Truppen an EU-Kriegen, sogar explizit ohne UN-Mandat!). Parallel dazu findet die Umwandlung des Bundesheeres in eine Armee für globale Kriegseinsätze (Teilnahme an EU-Battlegroups, Berufsheer, neue Sicherheitsdoktrin) statt. Das Bundesheer nimmt an immer mehr westlichen Militärmissionen teil (Bosnien, Kosovo, Afghanistan, Kongo, Tschad, demnächst Libyen?). Die Beteiligung am größten EURüstungsprojekt (Eurofighter, Gesamtkosten: 5 Milliarden Euro) ließ die Militärausgaben im Zeitraum 2006/08 um 30% nach oben schnellen.



d) Nicht weiter über den EU-Austritt schweigen

Selbst ÖGB-Chef Foglar klagt mittlerweile, dass "die EU-Kommission Europa zu einer neoliberalen Spielwiese" macht. Wenn wir ernsthaft von der Überwindung des Neoliberalismus reden wollen, dürfen wir nicht weiter über den EU-Austritt schweigen.

Wir brauchen solidarische und kooperative Rahmenbedingungen, wenn wir einen Ausweg aus der neoliberalen Sackgasse, also der entfesselten Konkurrenz- und Konzernmacht, finden wollen. Das geht aber nur, wenn wir die Rahmenbedingungen, die in Form der EU gezimmert wurden, abschütteln. Denn die EU hat nichts mit einer demokratischen, sozialen und friedlichen Integration der Länder und Völker dieses Kontinents zu tun. Sie ist das Gegenteil: Sie ist der Versuch der Macht- und Konzerneliten, die sozialen Errungenschaften, die auf der Ebene der einzelnen Nationalstaaten erkämpft wurden, flächendeckend zurückzurollen, und ihre Entstehung auf europäischer Ebene von vornherein zu unterbinden.

Grundlage für dieses Konkurrenzregimes ist der sog. EU- Binnenmarkt

Die Blaupause dafür wurde bereits im Jahr 1983 vom "European Round Table of Industrialists" (ERT), einer Versammlung der Chefs der 48 mächtigsten europäischen Industriekonzerne, erstellt. Schritt für Schritt wurden die Vorlagen der Großindustrie umgesetzt und die Staaten durch EU-Verträge in ein neoliberales Konkurrenzregime gezwängt, das die Freiheit von Kapital und Warenverkehr zur obersten aller Spielregeln macht. Alle EU-Staaten verpflichten sich zu einer "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" heißt es nicht weniger als ein halbes Dutzend Mal in den EU-Grundlagenverträgen. Wer für eine solidarische Ökonomie mit starkem öffentlichen Eigentum und Gemeinwirtschaft eintritt, steht außerhalb des berüchtigten EU-"Verfassungsbogens".

"Bis es kein Zurück mehr gibt"

Selbst ÖGB-Chef Foglar klagt mittlerweile darüber, dass die EU-Kommission Europa "zu einer neoliberalen Spielwiese" macht. Um freilich im gleichen Atemzug eine "soziale EU" zu beschwören. Das klingt schön, verkennt aber die reale Konstruktion der EU. Diese funktioniert wie ein Ventil, das sich nur in eine Richtung öffnet. Denn sobald etwas im Primärrecht der EU verankert ist, können Änderungen nur mehr erreicht werden, wenn gleichzeitig alle 27 Staaten mit Verfassungsmehrheit das auch wollen. Jeder weiß: Ein Zurück ist damit faktisch unmöglich. Selbst für die EU-Mächtigen war es in der Vergangenheit oft schwer, ihre neoliberalen - und zunehmend militaristischen - Ambitionen in den Beton des EU-Verfassungsrechts zu gießen. Aber sie haben ihre Mitteln dafür: z.B. die Ignorierung von Volksabstimmungen (sh. zwei Mal Irland, Frankreich, Niederlande). Oder die verfassungswidrige Verweigerung von Volksabstimmungen (z.B. Österreich). Ansonsten gilt auf EUEbene die Methode, die der luxemburgische Ministerpräsident Jean Claude Juncker einmal folgendermaßen beschrieben hat: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." (Spiegel 52/1999) Mit diesen Mitteln wurde die "offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb", die Kapitalverkehrsfreiheit, der Freihandel nach innen und außen, die Festlegung der Europäischen Zentralbank auf die Interessen der großen Vermögensbesitzer, aber auch die Verpflichtung aller EU-Staaten zur permanenten militärischen Aufrüstung uvm. im EUPrimärrecht einbetoniert.

"Radikalisierung des Neoliberalismus"

Dass auch die darauf beruhenden Richtlinien entsprechend kapitalkonform verlaufen, garantiert die EU-Kommission, die das alleinige Recht auf Gesetzesinitiative hat. Demokratisch nahezu unbelangbar sitzen die Kommissare fest eingebunden in einem Netz von 15.000 Lobbyisten in Brüssel, die zu 70% aus dem Bereich der Großindustrie kommen. Und gerade diese Kommission soll durch die Verschärfung des EU-Stabilitätspaktes noch mehr Macht bekommen, um den EU-Staaten drakonische Spar- und Privatisierungspakete aufzuoktroyieren. Diese reale Verfassung der EU führt zu dem Aberwitz, dass auf die durch die eigene neoliberale Politik wesentlich mitverursachte Wirtschafts- und Finanzkrise nun die EU mit einem Programm der "Radikalisierung des Neoliberalismus" (WU-Ökonom Joachim Becker) antwortet (sh. Kasten rechts).

Raum für Alternativen zurückerobern.

Als Solidarwerkstatt rufen wir daher auf, die Traumtänzerei zu beenden, schöne Wunschzettel nach Brüssel zu schicken, in denen eine soziale und demokratische EU eingemahnt wird. Der realistische Weg ist der Kampf um den Austritt Österreichs aus der EU. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit nationaler Borniertheit zu tun. Der Ausbruch aus dem neoliberalen Korsett ist die Voraussetzung dafür, sich einen politischen Raum zurückzuerobern, wo Alternativen zum Neoliberalismus durchgesetzt und ein Solidarstaat Luft zum Atmen hat. Erst der Ausbruch aus der EU schafft Raum für den dringenden Ausbau des Sozial- und Bildungsstaates und für eine internationalistische Politik, wo sich Staaten auf Augenhöhe begegnen, statt in demütigende neokoloniale Abhängigkeiten zu geraten, wie das derzeit sogar innerhalb der EU mit Ländern wie Griechenland, Irland oder Portugal passiert; ganz zu schweigen von der europäischen Peripherie, wo das Bekenntnis zur "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" gerade jetzt wieder einmal mit Marschflugkörpern herbeigebombt wird. Die EU ist - wie grün-alternative GewerkschafterInnen es vor kurzem formuliert haben - der Marsch in einen "autoritären Kapitalismus".

Die Machteliten haben die Frage des EU-Austritts tabuisiert. Mit gutem Grund. Denn sie wissen: Solange emanzipative Bewegungen dieser Frage ausweichen, wird sich ihre Energie im neoliberalen EU-Gefüge totlaufen. Der Austritt aus der EU ist schwer, keine Frage. Aber die Veränderung der EU wäre - siehe oben - schwer hoch 27. Wer mit der Exponentialrechnung vertraut ist, weiß dass selbst eine kleine Zahl hoch 27 zu astronomischen Größen führt. Wenn wir ernsthaft von der Überwindung des Neoliberalismus reden wollen, dürfen wir nicht weiter über den Austritt aus der EU schweigen.


e) Die nächste EU-Neoliberalismus-Lawine (sh. Rundbrief 9/2011)


f) Eckpunkte eines Solidarstaats Österreich

Diese sieben Punkte spiegeln in geraffter Form den bisherigen Diskussionsstand innerhalb der Solidarwerkstatt. Die Diskussion darüber ist bei uns im Fluss, über Diskussionsbeiträge dazu freuen wir uns.

1. Ausbau des Sozial- und Bildungsstaates!

Wir brauchen nicht die Senkung, sondern den Anstieg der Staatsquote, um den wachsenden Anforderungen im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs-, Forschungs-, Erziehungs-, Umwelt- und Kulturbereich gerecht zu werden. D.h. dass die wachsende Produktivität in Industrie und Güterproduktion dazu dienen muss, die Qualität des Lebens aller Menschen hier und heute zu verbessern, statt sich in Exportrausch, Luxuskonsum weniger, Aushungerung der öffentlichen Kassen und Spekulationsblasen immer destruktiver zu entladen. Ein die gesamte Wertschöpfung (also inkl. Abschreibungen und Gewinne) erfassendes Steuer- und Beitragssystem sichert den Transfer von industrieller Produktivität in die gemeinschaftliche Wohlfahrt. In diesem Sinne fordern wir u.a.

- die Einbeziehung der Pflege und Psychotherapie in die Sozialversicherung!
- eine großzügig finanzierte gemeinsame Schule der der 10 bis 14-Jährigen, Ganztagsschulen, Schul- bzw. Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr!
- Recht für jede/n auf zusätzliche fünf Bildungsjahre über die Schulpflicht hinaus, die existenzsichernd öffentlich finanziert werden. Ausbau der Erwachsenenbildung!
- Flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, Recht auf kostenlose Kinderbetreuungsplätze nach dem ersten Lebensjahr!

2. Öko-Investitionsprogramme für erneuerbare Energien und öffentlichen Verkehr!

- Möglichst rasche Herstellung der Energieautarkie Österreichs auf Grundlage erneuerbarer Energien durch großzügige Investitionsprogramme, v.a. auf kommunaler Ebene. 10% Abgabe auf den Import von fossilen Energieträgern, zweckgebunden für den Ausbau erneuerbarer Energien; sofortiger Ausstieg aus EURATOM!
- Ausbau des Öffentlichen Verkehrs auf allen Ebenen! D.h. Rücknahme der EULiberalisierungsvoschriften, Ausweitung des öffentlichen Verkehrsnetzes und Taktfahrplan nach dem Muster der Schweiz! Freifahrt auf Öffentlichen Verkehrsmitteln durch Umstellung der Finanzierung von teuren Fahrpreisen auf einen solidarischen Mobilitätsbeitrag für alle, der sich an der Wertschöpfung bemisst!

3. Arbeit fairteilen - Armut bekämpfen!

Aktive Lohnpolitik und allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich statt Lohnverlust, um den massiven Absturz der Lohnquote seit dem EU-Beitritt wieder auszugleichen. Eine solidarische Organisation des Arbeitsmarkts, die allen ArbeitnehmerInnen gleiche Rechte garantiert, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Aufenthaltsstatus. Kollektivverträge für alle ArbeitnehmerInnen in allen Branchen und bei allen Arbeitsverhältnissen, deutliche Erhöhung der Nettoersatzrate im Falle von Arbeitslosigkeit, Einbeziehung aller in ein engmaschiges soziales Sicherungsnetz! Nutzung einer eigenständigen österreichischen Fiskal-, Geld- und Außenwirtschaftspolitik, um Vollbeschäftigung sicherzustellen, den Binnenmarkt zu stärken und sich aus der einseitigen Exportfixierung zu lösen.

4. Umverteilung von oben nach unten!

Daher eine Steuerreform, die die unteren Einkommen entlastet und Spitzenverdiener, Konzerngewinne und Vermögen belastet. Gefordert wird dabei u. a. die Anhebung des Spitzensteuersatzes, die Aufhebung der Gruppenbesteuerung, die Einführung einer Vermögenssteuer, die Abschaffung der Privatstiftungsprivilegien, die volle Erfassung von Kapitalerträgen durch die Einkommenssteuer und die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe. Aus Gründen der Leistungsgerechtigkeit sollte es nicht nur Unter-, sondern auch Obergrenze von Einkommen geben. Produkt- bzw. Konsumsteuern sollen vor allem der Lenkung dienen: hin in Richtung umweltfreundlicher, arbeitsintensiver, die regionalen Kreisläufe stärkende Produkte und Dienstleistungen, d.h. selektive Senkung der Mehrwertsteuer in diesen Bereichen; Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung für den Export, Wiedereinführung der Luxusmehrwertsteuer, etc.

5. Privatisierungsstopp - öffentliches Eigentum in wirtschaftlichen Kernbereichen!

Die ÖIAG soll von einer Privatisierungsagentur in eine Einrichtung zur Sicherung des öffentlichen Interesses an strategischen Wirtschaftsbetrieben und Infrastrukturen umgewandelt werden. Das öffentliche, kommunale Eigentum im Bereich der Daseinsvorsorge muss ausgebaut werden. Demokratische Kontrolle aller Banken und Finanzinstitute, d. h. staatlichen Übernahmen und Beteiligungen an Banken sollen der langfristigen Mitwirkung der öffentlichen Hände an der Geschäftspolitik dienen. Ziel ist dabei die Sicherung der Finanzierung langfristiger Investitionen ohne den Druck zur Erzielung kurzfristig hoher Gewinne und die Zurückdrängung bis völlige Ausschaltung der Spekulation. Förderung kooperativer Eigentumsformen!

6. Frieden und Neutralität!

Keine Beteiligung an militärischen Abenteuern und am Aufbau einer europäischen Rüstungsindustrie! Abrüstung! Aktive Neutralitätspolitik statt Berufsheer und Teilnahme an den EU-Battlegroups! Eine weltoffene Außenpolitik, die auf Kooperation im Sinne des gegenseitigen Vorteils orientiert. Internationale Solidarität mit den Armen und Schwachen statt Kumpanei und Mitmarschieren mit den Mächtigen!

7. Demokratische Erneuerung!

- Stärkung der direkten Demokratie, insbesondere die Möglichkeit von unten her verbindliche Volksabstimmungen einzuleiten, wenn mindestens 100.000 Menschen eine Initiative unterschrieben haben.
- Stärkung der Gemeinden: z.B. Schaffung einer von den Kommunen direkt gewählten Gemeindekammer, die auf Bundesebene volle Mitentscheidungsrechte bei allen die Gemeinden betreffenden Fragen, insbesondere Budgetfragen, hat. Ausgehend von den Gemeinden Stärkung von Basisdemokratie (z.B. persönliche Wahl und jederzeitige Abwählbarkeit von GemeindevertreterInnen, Demokratisierung der Bezirksvertretungen).
- Stärkung der Selbstverwaltung, z.B. durch direkte Wahl der VersichertenverteterInnen in der Sozialversicherung.
- Abbau des Überwachungsstaates und Rücknahme der Gesetze zur Kriminalisierung von politischem Engagement!


(2) Diskussionsveranstaltung der Solidarwerkstatt

In Libyen und anderswo mit EU-Kampftruppen "unser" Öl sichern?
Zur Debatte über die Abschaffung der Wehrpflicht und die Schaffung eines Berufsheeres in Österreich
Di, 10. Mai 2011
Ort: Amerlinghaus (Stiftgasse 8, 1070 Wien), Beginn: 19 Uhr
Diskussion mit Hptm. Hofrat Dr. Eduard Paulus (Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft) und Boris Lechthaler (Vorstandsmitglied der Solidarwerkstatt Österreich) mit anschließender Publikumsdiskussion
Seit 1. Jänner dieses Jahres stehen 180 österreichische SoldatInnen im Rahmen einer Battlegroup in Bereitschaft, innerhalb weniger Tage auf Befehl des EU-Rates in ein Krisengebiet zu einem Kampfeinsatz geschickt zu werden. Innenministerin Fekter und Außenminister Spindelegger haben seither einen Einsatz der Battlegroup in Zusammenhang mit der Libyen-Krise ins Spiel gebracht - natürlich nur für "humanitäre" Zwecke. Dass sich für derlei Einsätze wie auch für Einsätze innerhalb der Europäischen Union, wie sie im EU-Verfassungsvertrag explizit vorgesehen sind, ein Berufsheer besser eignet, ist evident. Worin liegen aber die Aufgaben eines Wehrpflichtigenheeres?
Über diese Frage wie über die aktuellen Kontroversen zu den Plänen der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und der Einrichtung eines Berufsheeres und ihre Hintergründe diskutieren Hofrat Dr. Eduard Paulus (Präsident der österreichischen Offiziersgesellschaft) und Boris Lechthaler (Vorstandsmitglied der Solidarwerkstatt Österreich).



(3) Libyen: Krieg von langer Hand vorbereitet?

Bereits im November 2010 planten Frankreich und Großbritannien ein Militärmanöver namens "Southern Mistral". Übungsannahme: Harte Luftschläge gegen eine "südliche Diktatur". Das Übungsmanöver fiel - welch Zufall - fast auf den Tag genau mit den schließlich tatsächlich stattfindenden Militärschlägen gegen Libyen zusammen und ging gleitend vom Manöver zum blutigen Kriegshandwerk über. Kaum ein Monat nach Ausbruch der Unruhen in Libyen schlugen die westlichen Kampfverbände zu. Wie gelangen Aufmarsch und Vorbereitung in so kurzer Zeit? Die Antwort darauf könnte auf http://www.southern-mistral.cdaoa.fr/GB/ zu finden sein. Dort erfahren wir nämlich, dass bereits Anfang November 2010 Frankreich und Großbritannien ein gemeinsames Militärmanöver mit dem Namen "Southern Mistral", planten - also mehr als drei Monate vor Beginn der Unruhen in Libyen. Die Übungsannahme: In einem "imaginären Land" namens "Southland" soll eine "Diktatur" bekämpft werden, die "verantwortlich für einen Angriff auf Frankreichs nationale Interessen" ist. "Frankreich trifft die Entscheidung, seine Entschlossenheit gegenüber Southland (unter der Resolution Nr. 3003 des UNO-Sicherheitsrats) zu zeigen", heißt es wörtlich in diesem offiziellen Szenario. Als Zeitraum wurde der 21. - 25. März 2011 genannt. Tatsächlich begann das Manöver aber schon am 15.3.2011. Laut offizieller Sprachregelung wurde die Übung schließlich "suspendiert"; es ist zu vermuten, dass sie in Wirklichkeit in den Ernstfall übergegangen ist. Denn ab 20. März wurde tatsächlich gefeuert.

Für das Manöver "Southern Mistral" wurden u.a. die gleichen Flugzeugtypen - Mirage 2000D, N und C, Tornados GR4 und Rafale - eingesetzt wie bei den Luftangriffen auf Libyen.

Bitte weiter unterstützen: ONLINE-Unterschriftenaktion "Keine österreichischen SoldatInnen nach Libyen!"
"Es ist einfach eine Schande!" - Verärgerte Reaktionen auf die Unterstützung der Grünen für den Kriegskurses der Regierung.
Weitere Informationen im DOSSIER zu "Libyen - Bomben schaffen keinen Frieden!"
alle aufrufbar unter: www.solidarwerkstatt.at



(4) Make Love and Make War!

Während die Weltmedien über jedes Detail der Hochzeit von Kate und Will berichten, wird eine Großdemonstration der Friedensbewegung in London gegen ein 100 Mrd. Pfund teures Atomrüstungsprogramm totgeschwiegen. Ein Beitrag von Klaus Heidegger (Pax Christi).
... http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=136



(5) OÖ: Minus 15% beim Öffentlichen Verkehr

Der oberösterreichische Landtag hat im Dezember eine Kürzungsorgie beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durchgepeitscht, bei welcher alle Fraktionen brav zustimmten.

Insgesamt wurden im OÖ-ÖPNV 15% der gesamten Budgetmittel sprich 11,33 Mill. Euro gegenüber dem Voranschlag für 2011 gestrichen. Das ergibt nach eigener Erfahrung eine massive Reduktion der Fahrpläne, die Streichung ganzer Kurse, Stilllegungen ganzer Betriebsstrecken und eine Reduzierung des Wagenangebotes. Das geschieht hauptsächlich auf Regionalstrecken, die von Pendler-/Innen, Schüler/Innen und Menschen benützt werden, die keinen automotiven Untersatz besitzen, benützt werden. Straßengebundene Busse werden mit 11% oder 2,15 Mill. Euro gesamt gekürzt, was in abseits gelegenen Gebieten für Menschen ohne Auto verheerend sein kann. Jeder Arztbesuch, jede Besorgung, jeder Amts- oder Veranstaltungsbesuch wird ein Problem. Jene 40% der Menschen im fahrtüchtigen Alter, die über kein Auto verfügen, sitzen somit in der neoliberalen Mobilitätsfalle. In den Ballungszentren werden 15% oder 0,67 Mill. Euro der Besteller-Leistungen zurückgenommen. Da die Busse und Straßenbahnen in den Hauptverkehrszeiten schon jetzt brechend voll sind und eine Entlastung seit Jahrzehnten nicht angedacht wurde, wird in Zukunft das brutale Vollstopfen der Öffis oder das Warten die Regel werden. Am größten ist die Kürzungsorgie des OÖ-Landtages beim Schienengebundenen Regionalverkehr ausgefallen, dort sind 29% der Einsparungen zu verzeichnen, wobei die ÖBB mit 8,06 Mill. Euro gegenüber den Privatbahnen mit 0,21 Mill. Euro die volle Wucht der Kürzung trifft. (1) Auch gemessen an den gesamten Einsparungen trifft die ÖBB der Löwenanteil: 71% aller Einsparmaßnahmen des Jahres 2011 treffen die Regionalzüge der ÖBB!

Über 63 Millionen beförderte Personen im Jahr 2009 zeigen, wie viele Menschen den Öffentlichen Verkehr als umweltfreundliche Alternative zum Auto schätzen. Für die OÖ-Verantwortlichen ist das offensichtlich nicht so wichtig. Während beim Öffentlichen Verkehr 11 Millionen gekürzt werden, werden vom Land OÖ über 70 Millionen für den Linzer Westring berappt, um noch mehr Autos und Feinstaub nach Linz hereinzuschaufeln.

Rudi Schober



(6) Weitere Hinweise zu Kampagnen & Projekten

Das neue WERKSTATT-Blatt (guernica) ist da!
Übersicht über den Inhalt siehe
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=24&Itemid=34
Ein Abo für 10 Ausgaben kostet EUR 9,-; für 5 Ausgaben EUR 5,-; ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu.
Bestellung an: office@solidarwerkstatt.at
Für Mitglieder und AbonnentInnen stellen wir auf Spendenbasis auch mehrere Exemplare zum Weiterverteilen zur Verfügung!

Film- und Diskussionsabend
"Deadly Dust" (Todesstaub) - Kriegsverbrechen Uranmunition
Ein Dokumentarfilm von Frieder Wagner (Grimmepreisträger)
Freitag, 20. Mai 2011; 18 Uhr, Ort: Verein DIDF, Stadtplatz 40, 4600 Wels
Eine Veranstaltung von Solidarwerkstatt und DIDF.
Nähere Informationen hier
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_extcalendar&Itemid=57&extmode=view&extid=451

Parlamentarische BürgerInnen-Initiative
"Pflege in die Sozialversicherung!"
Wie kann es sein, dass eine Steigerung der Autoproduktion und der Bankdienstleistungen als "Erfolg", eine Steigerung der Ausgaben für Pflege aber als Belastung empfunden wird. Wir sagen: Die Skandalisierung der Pflegekosten ist der wirkliche Skandal!
... http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=355&Itemid=1

NEUE RUBRIK auf der Homepage: Geschichte
Erster Beitrag dazu:
Zur Rolle des Finanzkapitals bei der Herbeiführung des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland
Eine Sizze von ao. Univ. Prof. iR Dr. Hans Hautmann
... http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=414&Itemid=102

Das Fair-Planet Festival 2011
Samstag, 21. Mai 2011
von 12 bis 20 Uhr findet ihr uns und viele andere Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen am Linzer Pfarrplatz
Programm und weitere Informationen dazu auf http://fairplanet.at/

(7) LeserInnen-Briefe/Diskussionen/Gastkommentare
Im Zuge der Umstrukturierung unserer Web-Page haben wir nun auch eine Rubrik für LeserInnen-Briefe/Gastkommentare und Diskussionen eingerichtet. Wir freuen uns über Ihre/Deine Beiträge - Kritik, Lob, Anregungen, Kommentare, Neuigkeiten, usw. Vielen Dank!
Sh. http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=65&Itemid=92

(8) Termine
aktuelle Terminübersicht siehe unter www.solidarwerkstatt.at (rechts unten unter "Termine")

(9) Bestellungen
Bücher, Broschüren, etc, die in der Werkstatt bestellt werden können,
siehe http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=30&Itemid=50

(10) Solidarwerkstatt-Videos
auf: http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=51&Itemid=71

(11) Solidarwerkstatt auf Facebook
Wir freuen uns auch über Kontakt auf :
www.facebook.com/solidarwerkstatt


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Quelle:
Werkstatt Rundbrief Nr. 10/2011 vom 7. Mai 2011
Solidar-Werkstatt für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich
Waltherstr. 15, 4020 Linz
Telefon 0732/771094, Fax 0732/797391
E-Mail: office@solidarwerkstatt.at
Internet: www.solidarwerkstatt.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2011