Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FAKTEN

NEWSLETTER/056: Solidar-Werkstatt Österreich - Werkstatt Rundbrief 12/2011 - 26.05.2011



Werkstatt-Rundbrief Nr. 12/2011 - 26. Mai 2011
Solidar-Werkstatt für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich

Themen:
(1) Euratom: "Konkrete Schritte statt Luftschlösser!"
(2) Nachbereitung 15. Mai - M15
(3) Libyen: Bomben Lügen
(4) EU-Wirtschaftspolitik: Die Abwicklung Griechenlands
(5) Oberösterreich: Zwei Milliarden-Raub an der Gesundheit
(6) Hinweise zu weiteren Kampagnen und Projekten
(7) Arbeit & Freizeit
(8) Termine
(9) Bestellungen
(10) Videos
(11) Solidarwerkstatt auf Facebook


1) Euratom: "Konkrete Schritte statt Luftschlösser!", Interview mit Rudi Schober

Interview mit Rudi Schober, Gemeinderat und Solidarwerkstatt-Aktivist, initiierte, dass auch Ottensheim "Raus aus EURATOM!" von Regierung und Nationalrat fordert. Bereits 234 Gemeinden unterstützen diese Initiative. Das WERKSTATT-Blatt sprach mit Rudi Schober über Traum und Wirklichkeit in der österreichischen Anti-Atom-Politik.

WERKSTATT-Blatt: Gratulation, auf Deine Initiative hin hat nun Ottensheim im 2. Anlauf auch eine Resolution an Regierung und Nationalrat beschlossen, in der der Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag gefordert wird. Warum bist Du, seid Ihr für "Raus aus EURATOM!"?

Rudi Schober: Ich hole ein wenig weiter aus. Am Anfang der Atomenergie stand der Traum einer unerschöpflichen Energiequelle, welche auch Österreich für seine wirtschaftliche Entwicklung und Konkurrenzfähigkeit am Weltmarkt zu benötigen schien. In den 60iger Jahren wurde dieser Traum in Form eines Kernkraftwerks geplant und als Standort wurden die Gemeinden St. Andrä im Lavanttal, St. Panthaleon in Oberösterreich und Zwentendorf in Niederösterreich vorgesehen. Wie wir wissen, wurde die Realisierung in Zwentendorf 1978 fast bis zur Inbetriebnahme vorangetrieben. Im Zuge der damaligen gesellschaftlichen Veränderungen wurde die Kritik an der Atomenergie, im besonderen an dem für österreichische Verhältnisse megalomanischen Atomkraftwerk in Zwentendorf immer lauter. In der ersten Volksbefragung der zweiten Republik 1978 wurde das ungleich geführte Ringen um Atomfreiheit von der Wahlbevölkerung mit 50,6% für diese entschieden und der Nicht-Einstieg in die Atomkreistechnologie Wirklichkeit. Der damalige Nationalrat verabschiedete unter dem Druck der Öffentlichkeit ein "Atomsperrgesetz", das den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken in Österreich verbietet.

Mit dem hastig vorangepeitschten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahre 1995 wurde aber auch ein Beitritt zur EURATOM mit all seinen Konsequenzen vollzogen. Denn EURATOM hat die Aufgabe, die "Voraussetzungen für eine mächtige Kernindustrie" zu schaffen. Obgleich die österreichischen Gesetze seit 1978 zur Ablehnung der Atomkraft verpflichten, zahlte Österreich seit dem EU-Beitritt Jahr für Jahr Hunderte Millionen Schillinge, ab dem Jahr 2002 Dutzende Millionen Euro an die EU-Atomlobby zur Förderung und Verbreitung der Atomkraft mitsamt seines Militärischindustriellen-Komplexes. Im Lauf der Zeit wuchsen die Produkte der geförderten Atomlobby sehr grenznahe in Form von Atomkraftwerken vielfach aus dem Boden. Um die atomkritische und sich bedrängt fühlende Bevölkerung etwas zu beruhigen wurde das "Atomsperrgesetz" von 1978 sodann 1999 in den Verfassungsrang gehoben. Es ist aber ein Antagonismus, Atomenergie im Verfassungsrang abzulehnen und zugleich über EURATOM mit hohen Millionenbeträgen Jahr für Jahr zu subventionieren. Darum gewinnt die Bewegung in Österreich für "Raus aus EURATOM" zunehmend an Bedeutung. Darum habe ich mich auch in unserer Gemeinde für "Raus aus EURATOM" eingesetzt.

WERKSTATT-Blatt: Welche Bedeutung haben für Dich diese Resolutionen gegen die EURATOM-Mitgliedschaft in den Gemeinderäten und Landtagen?

Rudi Schober: Acht Landtage und 234 Gemeinden unterstützen bereits die Forderung nach "Raus aus Euratom". Diese Gemeinden und Landtage repräsentieren die absolute Mehrheit der Wahlbevölkerung in Österreich. Es ist ein Irrwitz, dass die österreichische Bundesregierung das schlicht und einfach ignoriert. Die Meinung der demokratisch gewählten Volksvertreter auf Gemeindeund Landtagsebene ist den sogenannten Volksvertretern keinen Pfifferling wert, denn es wird am goldenen EU-Atommeiler gekratzt. Dass bereits vor der Atomkatastrophe in Fukushima knapp 100.000 Menschen das Volksbegehren "Raus aus EURATOM" unterschrieben haben, obwohl dieses von Medien und Politik weitgehend ignoriert wurde, ist schon herzeigbar. Dass aber nach Fukushima, wo in einer Umfrage 90% der Menschen angegeben haben, dass sie es bereuen, das Volksbegehren nicht unterzeichnet zu haben, die Regierung diese Forderung weiterhin ignoriert, ist vollkommen inakzeptabel.

WERKSTATT-Blatt: Bemerkenswerterweise hat die Regierung für diese ignorante Haltung Unterstützung von unerwarteter Seite erhalten. Global 2000 und die Grünen haben, kräftig unterstützt durch die Kronenzeitung, auf die Atomkatastrophe in Fukushima mit einer Unterschriftenaktion reagiert, in der die Forderung nach EURATOM-Ausstieg vollkommen fallen gelassen wurde und statt dessen vom "weltweiten Atomausstieg" geredet wurde.

Rudi Schober: So richtig und visionär diese Forderung nach weltweitem Ausstieg ist, so clownesk wird es, wenn gleichzeitig, das, was wir hier und heute in Österreich dafür tun können, nämlich die Einstellung der Zahlungen an die EU-Atomwirtschaft, fallengelassen wird. Forderungen, wo der Adressat unklar oder unerreichbar ist, dienen dazu, Dampf abzulassen und ein Luftschloss zu errichten, das in einigen Monaten, so wie die Wolke im Wind, mit freiem Auge nicht mehr sichtbar sein wird. Es ist den Menschen in Österreich mittlerweile vollkommen unverständlich, das jede EURepression von der Bundesregierung sofort umgesetzt wird, jedoch die Ängste, Verunsicherungen und Meinung der Bevölkerung, sollten diese nicht mit der absolutistischen EU-Meinung konform gehen, ignoriert werden. Die Forderung aus den Resolutionen "Raus aus EURATOM" ist realisierbar und sie entspricht der großen Mehrheit der Bevölkerung. Die Bundesregierung hat daher die demokratische Pflicht, endlich dem Willen des Souveräns umzusetzen, statt weiterhin diesen ganz konkreten Schritt durch Luftschlösser zu vernebeln.

WERKSTATT-Blatt: Wie wird es nun weitergehen?

Rudi Schober: Dass die EU-Chefs auch nach Fukushima keineswegs daran denken, sich von der Atomenergie zu verabschieden, hat sich Anfang Mai beim EU-Ministerrat in Gödöllö gezeigt. Der EURat hat die Forderung von Wirtschaftsminister Mittlerlehner, EU-Fördergelder von der Atomenergie zu erneuerbaren Energien umzuschichten, kaltschnäuzig abblitzen lassen. Hätte die Regierung einen Funken Selbstbewusstsein und demokratischen Anstand, würde sie diese Brüskierung durch die EU sofort mit dem Austritt aus EURATOM und er Einstellung der Zahlungen an die EU-Atomwirtschaft beantworten. Es wird wohl noch einige Gemeinderesolutionen und viel Druck von der Bevölkerung brauchen, bis wir soweit sind. Aber ich bin optimistisch, wenn man sieht, dass jede Woche einige neue Gemeinden sich dem "Raus-aus-EURATOM"-Zug anschließen.


(2) Dank und Nachbereitung zur Aktion "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime Auszug aus dem Haus der EU und Umzug zum österreichischen Parlament"

Liebe FreundInnen,
als Vorstandsmitglieder der Solidarwerkstatt möchten wir uns nochmals persönlich bei allen bedanken, die sich an der Aktion am 15. Mai beteiligt, die sie ermöglicht haben. "Wenn wir ernsthaft von der Überwindung des Neoliberalismus reden wollen, dürfen wir über den EU-Autritt nicht schweigen!" "Es wird Zeit Dogmen in Frage zu stellen: Wir müssen raus aus der EU!", wie Edith Friedl es im Vorfeld auf den Punkt brachte. Sicherlich, es könnten immer mehr Menschen sein. Und es werden mehr werden. Wichtig ist, dass wir damit begonnen haben, es auszusprechen. Dass ihr/Du dabei war(s)t. Wie lange hätten wir noch warten sollen? Auf der Grundlage der "reaktionärsten Wirtschaftspolitik" (Joachim Becker) werden überall rechtsextreme Kräfte stärker. Bald könnte ein HC Strache zu Merkel, Sarkozy, Cameron und Berlusconi hinzutreten. Langsam dämmert es, dass wohlmeinende Appelle an eine soziale, demokratische, friedliche EU mehr schaden als nutzen. Die EU selbst ist in einem Veränderungsprozess, bei dem überall Bruchstellen deutlich werden. Bevor hier jedoch zu Solidarstaatskonzepten gegriffen wird, werden die rechtesten Hau-Drauf-EU-Konzepte zur Anwendung kommen. Aufgabe der FPÖ ist es nicht nur, den sozialen Protest zu kanalisieren, sondern ihn als Instrument der "reaktionärsten Teile des Monopolkapitals" (G. Dimitrov) verfügbar zu halten, v. a. für die weitere Militarisierung nach innen und außen. Deshalb bleibt für uns die Austrittsforderung untrennbar mit der Solidarstaatskonzeption verbunden. Ein Solidarstaat ist nicht eine Forderung an die Zukunft, sondern ans Hier und Heute.

In den bisher diskutierten Konzepten in den einzelnen Bereichen, gibt es keinen Punkt, der nicht sofort in Angriff genommen werden könnte. Die Bewegung "Solidarstaat statt EU-Konkurrenzregime!" nimmt so den Stier bei den Hörnern: den Zusammenhang von reaktionär-neoliberaler EU-Integration und dem Erstarken rechter und rechtsextremer Kräfte. Weil wir die falsche Polarität von EU und FPÖ beiseite schieben, wird eine neue entstehen, mit der die Bewegung wachsen und Gewicht gewinnen wird.

Besonders bedanken möchten wir uns auch bei den AktvistInnen von DIDF (Föderation demokratischer Arbeitervereine) mit ihrem Vorsitzenden Coskun Keseci. Durch ihre tatkräftige Unterstützung wurde unterstrichen, dass unser Solidarstaat Österreich nicht auf ethnischen und/oder kulturalistischen Kriterien beruhen kann. Es geht um die Verallgemeinerung von Rechten und Pflichten, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Aufenthaltsstatus. Die FPÖ wird in ihrem neuen Parteiprogramm das Gefasel von der deutschen Kultur- und Sprachnation, deren Teil Österreich sei, wiederaufnehmen. Der Standpunkt des "zweiten deutschen Staates" richtet sich jedoch substanziell gegen die Republik Österreich. Der Name Österreich mag mit der jahrhundertealten Tradition eines Herrschergeschlechts verbunden sein, das selbst aus dem praktischen Niedergang universaler Reichsvorstellungen hervorgegangen ist. Man muss diese Traditionen gar nicht leugnen, um nicht doch andererseits zu erkennen, dass das Bekenntnis zum Kleinstaat Österreich in einer Zeit gewachsen ist, in der viele junge Nationen auf die Bühne getreten sind, die alte koloniale und hegemoniale Bevormundung abgeschüttelt wurde, indem rassische, ethnische, kulturalistische Nationskonzepte zurückgewiesen wurden. Gerade die Gründungsdokumente der 2. Republik zeigen die fortschrittliche Dimension des Kleinstaats Österreich: Staatsvertrag (Antifaschismus, Verbot des direkten oder indirekten Anschlusses an Deutschland, Verbot des Ausverkaufs großer staatlicher Unternehmen an ausländisches Kapital), Neutralitätsgesetz (Keine Beteiligung an Kriegen und Militärpakten), Verstaatlichtengesetze (Öffentliches Eigentum im Grundstoff- und Energiesektors). Diese Grundlagen der 2. Republik sind den deutschnationalen Rechtsextremisten ebenso ein Gräuel wie den EU-Neoliberalen. Im Doppelpass wollen sie diese Grundlagen der 2. Republik zerstören.

Diesen politischen Raum Österreich zugunsten der EU-Integration aufzugeben kann ebensowenig fortschrittlich sein, wie das Herbeibomben tribalistischer politischer Strukturen in Libyen. Wir werden oft gefragt, wie wir uns die Durchsetzung dieses Konzepts vorstellen, ganz ohne politische Macht, ob wir nicht ein wahlpolitisches Projekt ins Leben rufen, oder uns daran beteiligen sollten. Wir sind der Überzeugung, die Bewegung "Solidarstaat statt EU-Konkurrenzregime!" ist und wird das entschiedenste machtpolitische Emanzipationsprojekt. Die Unterordnung unter ein Wahlprojekt würde es zerstören. Eine Aktion, wie am Sonntag, 15. Mai, wäre nicht mehr möglich. Unsere Frage lautet nicht, woher kommst Du, sondern was machst Du. Wo immer Du Dich auch gerade befindest. Wir haben uns auf gemeinsame Positionen verständigt, und gezeigt, dass wir uns selbst organisieren und eine Stimme geben können. Das wurde durch die zahlreichen größeren und kleineren Beiträge deutlich.

Unsere nächste Aufgabe wird es sein, unser Solidarstaatsprogramm noch weiter zu vertiefen und auszubauen, dafür werden wir auch die Vollversammlung am 12. und 13. November nutzen. Wir möchten alle, die sich an dieser Arbeit beteiligen wollen, herzlich dazu einladen. Auf dieser Grundlage werden wir organisatorische Strukturen entwickeln, mit denen wir das politische Establishment herausfordern können.

Die Aktion soll nächstes Jahr, am Sonntag, 13. Mai 2012, wiederholt werden. Gemeinsam haben wir einiges richtig gemacht. Aber Alles kann besser gemacht werden. Deshalb auch vorweg vielen Dank für Kritik und Anregungen.

Norbert Bauer, Stefan Daxner, Boris Lechthaler, Udo Martin, Gerald Oberansmayr, Elke Renner, Rudolf Schober



(3) Libyen: Bomben-Lügen

Als Hauptgrund für die militärischen Attacken von USA, Frankreich, Großbritannien dienten die landauf, landab verbreiteten Horrormeldungen, dass Gaddafis Kampfflugzeuge friedliche Demonstranten aus der Luft bombardiert hätten. Damit wurde letztlich der Kriegseintritt der Westmächte, allen voran von USA, Frankreich und Großbritannien, begründet. Viele Menschen haben das geglaubt. Nun schält sich immer mehr heraus, dass auch dieser Krieg mit einer Lüge begonnen hat.

Bis heute existieren keine Belege für diese von Kampfjets verübten Massaker an der Zivilbevölkerung. Seit Beginn des Aufstands ist das russische Militär dank Satellitenüberwachung gut im Bilde darüber, was in dem nordafrikanischen Land geschieht. Wie Russia Today berichtete, hat die russische Aufklärung keinerlei Hinweise dafür gefunden, dass es zu Luftangriffen auf Demonstrationen kam. Man mag einwenden, dass Russland seine eigenen Interessen in dieser Region hat. Aber die westliche Satellitenüberwachung ist wohl keineswegs weniger im Bilde über die Geschehnisse in Libyen und hätte kein Problem, solche Angriffe zu dokumentieren - wenn es sie denn gegeben hätte. Dass es sie nicht gab, wird von einer Seite bestätigt, die wohl kaum im Verdacht der Kumpanei mit Gaddafi steht. Wir zitieren aus einer Pressekonferenz des US-amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates und seines Generalstabschefs Mike Mullen vom 1. März 2011:

Frage: "Sehen Sie einen Beweis, dass Gaddafi seine Leute aus der Luft beschießen ließ? Es gab solche Berichte, aber liegen Ihnen unabhängige Bestätigungen vor?"
Verteidigungsminister Gates: "Wir kennen diese Berichte, haben aber keine Bestätigung dafür."
Admiral Mullen: "Das ist richtig, wir haben keinerlei diesbezüglichen Bestätigungen."
(in: www.defense.gov)

Mittlerweile findet sich auch in der offiziellen westlichen Begründung für den NATO-Krieg nichts mehr über die angeblichen Jet-Massaker an friedlichen Demonstranten. Die Begründung wurde klammheimlich ausgetauscht, durch den Sprachgebrauch, dass Massaker Gaddafis "gedroht hätten". Wie bequem: Damit kann sich in Zukunft für jeden Angriffskrieg einen Freibrief ausstellen.

Die Geschichte von den "Militärjetmassakern an friedlichen Demonstranten" hat ihre Schuldigkeit getan, indem sie die Weltöffentlichkeit aufgepeitscht und auf die "Notwendigkeit" eines westlichen Kriegs eingestimmt hat. Sie kann sich damit in die lange Ahnengalerie von Kriegspropagandalügen einreihen, z.B.:

- dem "Tonking-Zwischenfall" im Jahr 1964, mit dem die USA ihren Einstieg in den Vietnamkrieg rechtfertigten.
- dem "Brutkasten-Massaker", einer von einer amerikanischen PR-Firma im Auftrag des Pentagon inszenierte Horrorstory über Säuglinge, die angeblich von Irakischen Soldaten in Kuwait aus ihren Brutkästen gerissen wurden; sie lieferte den Stoff für den US-Angriff auf den Irak im Jahr 1991.
- dem "Massaker von Racak", das 1999 den "Ausschlag" für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien gab; ein Jahr lang wurden die Untersuchungsergebnisse eines finnischen Ärzteteams dazu unter Verschluss gehalten - mit gutem Grund: sie belegten nämlich mitnichten die Version vom "Massaker" an wehrlosen Zivilisten.
- dem sog. "Hufeisenplan", der die geplante Massenvertreibung von Kosovo-Albanern durch serbisch-jugoslawisches Militär beweisen sollte, tatsächlich aber in der Propagandaabteilung der deutschen Bundeswehr entstanden war, um der nachlassenden Kriegsbegeisterung der Bevölkerung nach den NATO-Bombardements in Jugoslawien entgegenzuwirken.
- den "Massenvernichtungswaffen" Saddam Husseins, die George W. Bush den Vorwand für den Einmarsch in den Irak 2003 lieferten, dann aber nie gefunden wurden. Jahre später entschuldigte sich der US-Verteidigungsminister Powell für diese Irreführung der UNO und der Öffentlichkeit.

Zur Geschichte der Kriegspropagandalügen siehe auch:

http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Medien/loquai.html
http://www.friwe.at/jugoslawien/krieg/propag/propanda.htm
http://www.heise.de/tp/artikel/21/21294/1.html

Bitte hier ONLINE unterschreiben: Keine österreichischen SoldatInnen nach Libyen!
http://www.werkstatt.or.at/Forum/Libyen.php


(4) EU-Wirtschaftspolitik: Die Abwicklung Griechenlands

Die EU will die Privatisierung Griechenlands nach dem Vorbild der Treuhandanstalt zur Abwicklung des Staatseigentums der DDR. Einmal mehr zeigt sich: Die einzig emanzipatorische Perspektive liegt im Austritt aus dem EU-Konkurrenzregime - für GriechenInnen genauso wie für ÖsterreicherInnen.

Der luxemburgische Ministerpräsident und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean Claude Juncker, scheint Werkstatt-Blatt Leser zu sein. "Euro und Eurozone bedeuten Wiedervereinigung hoch 17." haben wir im Werkstatt-Blatt 04-2010 festgehalten. Freilich, was hier als Menetekel für die weit überwiegende Mehrheit der arbeitenden Menschen in der EU gedacht war, ist für Herrn Juncker Handlungsanleitung. Juncker schlägt "unseren griechischen Freunden", eine Privatisierung nach dem Vorbild der Treuhandanstalt zur Abwicklung des Staatseigentums der DDR vor. Dazu soll eine regierungsunabhängige Privatisierungsagentur gegründet werden, in der auch ausländische Experten sitzen würden. "Die EU wird die Privatisierung so eng begleiten, als würden wir sie selbst durchführen" so Juncker (Die Presse, 23.5.2011) Das sollten wir dem Herrn Juncker durchaus glauben.

Radikalstes neoliberales Programm

Zur Erinnerung: Die Privatisierung mittels Treuhandanstalt war eines der radikalsten neoliberalen Programme der vergangenen 30 Jahre. Viele Betriebe der ehemaligen DDR wurden von potentiellen Konkurrenten aufgekauft, einfach um sie stillzulegen. Es kam in weiterer Folge zu einer Deindustrialisierung ganzer Landstriche, einem nach wie vor andauernden sprunghaften Anstieg struktureller Arbeitslosigkeit und einem Verfall der gemeinschaftlichen Infrastruktur, der nach wie vor nicht aufgeholt wurde, trotz des Kohl'schen Versprechens "blühender Landstriche". Manche Regionen der neuen Bundesländer leiden nach wie vor unter Bevölkerungsverlust. Aus gesamtdeutscher Perspektive mitunter noch bedeutsamer ist jedoch, die damit verbundene Verschiebung des gesamtgesellschaftlichen Kräfteverhältnisses. Auf dieser Grundlage konnte erst das Programm der· Abkoppelung der Löhne und Sozialleistungen von der Produktivitätsentwicklung unter der rot-grünen Regierung in der Radikalität durchgezogen werden, die aggressiven Begehrlichkeiten der deutschen Exportindustrie befriedigt werden.

Freilich wurde dafür auch ein politischer Preis gezahlt. Er fand sich in der Relation mit der die alten DDR-Mark konvertiert wurden, 1:2 anstatt der vorher üblichen 1:7. Damit wurden Millionen arbeitender Menschen zu Almosenempfängern degradiert. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Griechen ähnlich alimentiert werden, auch wenn dies die zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Apologeten des EU-Konkurrenzregimes als die Lösungsperspektive verkaufen. Für die GriechInnen liegt ebenso wie für die ÖsterreicherInnen die einzig solidarische und emanzipatorische Perspektive im Austritt aus der Eurozone, der Wiedergewinnung der vollen Souveränität über die Geldpolitik als einem wichtigen Instrument der gesamtwirtschaftlichen Steuerung. Argentinien hat es 1998 vorgemacht, als es die fixe Bindung an den Dollar aufgegeben hat. Freilich ist das alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen. Aber besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Solidarstaat statt EU-Konkurrenzregime!

Neoliberalismus ist keine Veranstaltung auf den Finanzmärkten. Er findet in den Fabriken, auf den Baustellen und in Büros statt. Durchgesetzt wird er über die Beschneidung des öffentlichen Sektors und das Freihandelsdogma im Allgemeinen bzw. den EU-Binnenmarkt im Besonderen. Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten sind eine notwendige Nebenbedingung, genährt durch die Ungleichgewichte, die auch durch das EU-Binnenmarktregime katalysiert werden. Wie ÖGBFunktionär Sepp Wall-Strasser im Standard vom 19.5.2011 zu behaupten: " .... denn es regieren die Spekulanten und Ratingagenturen." ist ein Spiel mit dem Feuer. Es führt uns direkt zur Göbbel'schen Dichotomie vom schaffenden und raffenden Kapital.

Und mit der Formulierung Wall-Strassers "Dann kommen die weltweit aktiven Anlegerspekulanten auf die Idee, nach den USA Europa abzugrasen" sind wir nur noch einen kleinen Schritt vor der seinerzeitigen Erkenntnis, dass die "Ostküste" (der USA) die Wurzel allen Übels sei. Mit diesen Ansagen wird der Aufstieg der politischen Rechten nicht gestoppt, sondern beflügelt. Nur um die Kollaboration der ÖGB-Führung bei der neoliberalen Zurichtung der Gesellschaft für die aggressive EU-Exportindustrie zu vertuschen. Deshalb: Raus aus der EU! Solidarstaat statt EUKonkurrenzregime!

Boris Lechthaler-Zuljevic


(5) Oberösterreich: Zwei Milliarden-Raub an der Gesundheit

Die OÖ Landesregierung will einen massiven Einschnitt bei den oberösterreichischen Spitälern durchsetzen. 760 Betten, das sind 9% aller Akut-Betten, sollen bei dieser Spitalsreform gestrichen werden. Umgerechnet auf die Beschäftigten hieße das, dass von den derzeit knapp 19.000 Beschäftigten in den OÖ Spitälern rd. 1700 "abgebaut" werden. Bereits am 9. Juni soll der Landtag diese Spitalsreform absegnen.

Keine "explodierenden Spitalskosten"

Begründet wird diese Spitalsreform mit angeblich "explodierenden Spitalskosten", wie Landeshauptmann Pühringer und OÖ-Industriellenvereinigungschef Klaus Pöttinger unisono erklären. Interessanterweise widerlegen gerade die Zahlen der Expertenkommission, auf die sich sie Landesregierung stützt, die Mär von diesen "explodierenden Kosten". Denn laut dieser Studie (1) würden die Spitalskosten in Oberösterreich bis 2020 um rd. 4% im Jahr steigen, das ist ziemlich genau die Rate, mit der das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die Wirtschaftsleistung Österreichs, steigen wird - und zwar nach Annahme der österreichischen Bundesregierung in ihrer mittelfristigen Budgetplanung. Warum Gesundheitsausgaben, die im selben Tempo wie die Wirtschaftsleistung wachsen, "explodieren", haben die Rechenkünstler in Landesregierung und Industriellenvereinigung noch nicht darlegen können. Umgekehrt gilt allerdings: Wird die Spitalreform durchgezogen, wachsen die nominellen Spitalsausgaben weit unter dem BIP, inflationsbereinigt dürften sie damit stagnieren, möglicherweise sogar sinken. Vor allem in den Jahren bis 2015 bedeuten nominelle Steigerungen von gerade einmal 1,7% jährlich mit ziemlicher Sicherheit ein reales Schrumpfen im Gesundheitsbereich. Der Unterschied ist beträchtlich: Die OberösterreicherInnen verlieren durch diese "Reform" bis zum Jahr 2020 über zwei Milliarden, die ihnen bei der Gesundheit geraubt werden. Auch die zuletzt ausgearbeiteten "Kompromissvorschläge" ändern nichts daran, dass dieses Einsparungsvolumen "mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann", wie im ÖVP-Zentralorgan Volksblatt berichtet wird (24.5.2011)

Sparen bei Gesundheit ist kurzsichtig und teuer

Natürlich ist eine Spitalsreform sinnvoll, die unnötige Doppelgleisigkeiten beseitigt; ebenfalls ist richtig, dass die derzeitige Gesundheitspolitik zu einseitig auf Krankenbehandlung und Apparatemedizin und zu wenig auf Vorbeugung und Sozialmedizin ausgerichtet ist. Insofern sind Umschichtungen innerhalb der Gesundheitsausgaben durchaus zu befürworten, hingegen völlig abzulehnen sind aber Einsparungen bei der Gesundheit generell, wie es bei dieser Spitalsreform der Fall ist. Ebenso wie Einsparungen bei Bildung zählen Einsparungen im Gesundheitsbereich zu den kurzsichtigsten und - auf längere Sicht - teuersten. Die Solidarwerkstatt tritt daher dafür ein, dass eine Spitalsreform verbunden sein muss mit dem Ausbau der psychosozialen Betreuung, der Sozialmedizin am Arbeitsplatz, mehr Kurzzeitpflegebetten in den Spitälern sowie dem generellen Ausbau von flächendeckenden Pflegeleistungen und ambulanten Gesundheitsdiensten sowie verstärkten Investitionen in die Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit. Nicht zuletzt sollte auch in den Spitälern die Behandlungs- und Betreuungsqualität verbessert werden - durch mehr ÄrztInnen, Kranken- und Pflegepersonal, um den überlangen Arbeitszeiten, dem wachsenden Stress und den vermehrten burn-outs in den Krankenhäusern entgegenzuwirken. Denn unter diesen Arbeitsbedingungen leiden Beschäftigte wie PatientInnen gleichermaßen. Es ist bezeichnend, dass - wie die Gewerkschaft vida kritisiert - "keine einzige der Anregungen der SpitalsbetriebsrätInnen in die Spitalsreform aufgenommen wurde." (2)

Wertschöpfungsbasierte Finanzierung!

Die Solidarwerkstatt tritt außerdem dafür ein, dass die Finanzierung der Gesundheitsausgaben - wie insgesamt des Sozialbereichs - vor allem über Beiträge sichergestellt werden, die sich an der gesamten wirtschaftlichen Wertschöpfung bemessen, also auch die Gewinne und Abschreibungen mit einbeziehen. In diesem Sinn treten wir auch für die Einbeziehung der Pflege in die Sozialversicherung. Gesundheits- und Sozialausgaben könnten dann ohne Finanzierungsprobleme mit der Wirtschaftsleistung mitwachsen, da die industriellen Produktivitätsgewinne für die Verbesserung gemeinschaftlicher öffentlicher Leistungen nutzbar gemacht werden. Im Rahmen des EUFreihandelsdiktats verläuft es jedoch gerade umgekehrt: Die Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben werden gedrückt, um die exportorientierte Großindustrie für ihre Schlacht um die Exportmärkte zu rüsten. Die von der schwarz-grünen Landesregierung vorgelegte Spitalsreform fällt daher nicht zufällig mit der derzeit geplanten Verschärfung des neoliberalen EU-Regimes zusammen. Bereits im Juni sollen die Vorlagen von EU-Kommission und EU-Rat im EU-Parlament durchgewunken werden, mit denen die Mitgliedsstaaten unter ein drakonisches Spardiktat gezwungen werden. Den Menschen in Oberösterreich sollen im nächsten Jahrzehnt über zwei Milliarden bei der Gesundheit geraubt werden, um diesen verschärften EU-Vorgaben vorbeugend Rechnung zu tragen. Tenemos que impedirlo! *)

*) Das müssen wir verhindern!


Mitmachen - Solidarität zeigen!
Demomarsch der Gewerkschaft vida am 9. Juni in Linz. Demonstration Spitalsreform NEIN.
Gesundheitsreform JA!

Treffpunkt: 8:30 Uhr beim Mariendom, Linz
Demoroute: vom Mariendom zum Ars Electronica Center (AEC)
Abschlusskundgebung: ca. 10:30 Uhr beim AEC

Quellen:
(1) Ergebnisse der Expertenkommission
http://www.land-oberoesterreich.gv.at/cps/rde/xbcr/SIDD24C4614-14568EE5/ooe/pk_spitalsreform_25__3_11_kurz.pdf
(2) http://www.vida.at/servlet/ContentServer?pagename=S03/Page/Index&n=S03_17.a&cid=1305281259697


(6) Hinweise zu weiteren Kampagnen & Projekten

Parlamentarische BürgerInnen-Initiative
"Pflege in die Sozialversicherung!"
Wie kann es sein, dass eine Steigerung der Autoproduktion und der Bankdienstleistungen als "Erfolg", eine Steigerung der Ausgaben für Pflege aber als Belastung empfunden wird. Wir sagen: Die Skandalisierung der Pflegekosten ist der wirkliche Skandal!
... http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=355&Itemid=1
Hintergrundinfos HIER "Pflege in die Sozialversicherung!"
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=354&Itemid=98
Hier ONLINE unterstützen:
http://www.werkstatt.or.at/Forum/PetitionPflege.php

Verteilungsaktionen der Solidarwerkstatt finden jeden Dienstag in Wien statt sh. Termine auf
www.solidarwerkstatt.at

WERKSTATT-Blatt (guernica)
Übersicht über den Inhalt der aktuellen Ausgabe siehe
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=24&Itemid=34
Ein Abo für 10 Ausgaben kostet EUR 9,-; für 5 Ausgaben EUR 5,-; ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu.
Bestellung an: office@solidarwerkstatt.at
Für Mitglieder und AbonnentInnen stellen wir auf Spendenbasis auch mehrere Exemplare zum Weiterverteilen zur Verfügung!

(7) Arbeit & Freizeit
Neue Rubrik, mit der wir den alltäglichen Auseinandersetzung in der Arbeit und in unseren Alltagswelten Raum geben wollen. Eine Einladung auch unsere LeserInnen eigene Erfahrungen mitzuteilen.

"Zum Teufel mit solchen Chefs" ein Kommentar von Edith Friedl
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=452&Itemid=1

"Ich hab mich am Licht orientiert" ein Gespräch mit dem politisch aktiven Künstler Herwig Strobl
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=454&Itemid=1

(8) Termine
Vortrag und Präsentation "Kosovo- schwarzes Loch und Kolonie EUropas"
von David Stockinger über seine Eindrücke von einer Reise in Kosovo im April 2011
Donnerstag, 16. Juni 2011, 19.00 Uhr im Büro der Solidarwerkstatt, Waltherstraße 15, 4020 Linz
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_extcalendar&Itemid=57&extmode=view&extid=455
aktuelle Terminübersicht siehe unter www.solidarwerkstatt.at (rechts unten unter "Termine")

(9) Bestellungen
Bücher, Broschüren, etc, die in der Werkstatt bestellt werden können, siehe
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=30&Itemid=50

(10) Solidarwerkstatt-Videos
auf: http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=51&Itemid=71

(11) Solidarwerkstatt auf Facebook
Wir freuen uns auch über Kontakt und Unterstützung auf:
www.facebook.com/solidarwerkstatt.


*


Quelle:
Werkstatt Rundbrief Nr. 12/2011 vom 26. Mai 2011
Solidar-Werkstatt für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich
Waltherstr. 15, 4020 Linz
Telefon 0732/771094, Fax 0732/797391
E-Mail: office@solidarwerkstatt.at
Internet: www.solidarwerkstatt.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2011