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NACHRUF/002: Ein humanistischer "Querdenker" - Zum Tode von Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen (Sieghard Scheffczyk)


Ein humanistischer "Querdenker"

Zum Tode von Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen

von Sieghard Scheffczyk, 3. September 2012



Ein streitbarer Geist hat die Feder für immer aus der Hand gelegt. Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen starb vor wenigen Tagen - mitten aus einem fruchtbaren Schaffen gerissen. Seine Produktivität - die Klarheit seiner Gedanken, die Brillanz seiner Analysen, die Konsequenz, mit der er seine Standpunkte - oftmals wider den Zeitgeist - logisch begründete und überlegen verteidigte, wird Tausenden denkenden Menschen fehlen, für die seine zahlreichen Veröffentlichungen Anlass zum Nachdenken und kritischem Hinterfragen boten. Es gab für ihn kaum ein Thema von Relevanz, das er nicht aufgriff - und er stand stets auf der Seite der rechtschaffenen Bürger. Ausbeuter, Schmarotzer und Spekulanten - aber auch korrupte Politiker - durften nicht mit Nachsicht rechnen. Er hielt ihnen den Spiegel vors Gesicht und entlarvte mit Intelligenz und außerordentlich breitem Faktenwissen deren verwerfliches Tun.

Wer - wie der Autor dieser Zeilen - das Glück hatte, in Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen einen Mentor und Lehrer zu finden, mit dem er beinahe täglich kommunizieren konnte, der wird dessen geistiges Potenzial, die Komplexität der Gedanken, die außerordentliche Sprachbegabtheit niemals vergessen. Sie wird ihm stets als leuchtendes Vorbild vor Augen stehen und in dankbarer Erinnerung bleiben.

Hans Jürgen Falkenhagen, geboren am 26. September 1932 in Köln, ließ sich auch in Deutschlands schwärzester Zeit nichts vormachen und entwickelte schon als Jugendlicher eine kritische Distanz zu vordergründiger Propaganda. Dies brachte ihm einst 100 Liegestütze ein, die er als Sühne für seinen Zweifel am "Endsieg" vor versammelter Mannschaft zu leisten hatte. Das war im fernen Jahre 1944, zu einem Zeitpunkt als selbst so mancher Professor noch an diesen "Endsieg" glaubte bzw. nicht den Mut aufbrachte, seine Zweifel zu äußern.

Auch während seiner beruflichen Laufbahn in unterschiedlichsten Positionen und Institutionen in jenem Teil Deutschlands, in dem nach der Meinung vieler unserer Zeitgenossen "die zweite deutsche Diktatur des 20. Jahrhunderts" herrschte, sicherte sich Dr. Falkenhagen die Unabhängigkeit seines Denkens und ließ sich nicht korrumpieren. Zuweilen gab er sich sogar "provokatorisch" - zum Beispiel, wenn er einen Koran deutlich sichtbar auf seinem Arbeitstisch im Finanzministerium der DDR platzierte. Das hinterließ bei so manchem Vorgesetzten ratloses Staunen.

Diese Souveränität und Abgeklärtheit des kritischen Geistes behielt er nach 1990 bei - die neuen Herren mochten - oder konnten - dennoch nicht auf seine Fachkompetenz verzichten.

Die Zahl der Veröffentlichungen und Übersetzungen von Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen ist Legion. Sie reicht von der Leserzuschrift bis zum umfangreichen wissenschaftlichen Werk. Nie hat er sich dabei dem Mainstream gebeugt, immer stand er für das ein, das er für richtig erachtete - mit aller ihm eigenen Konsequenz! Da konnte Hans-Jürgen Falkenhagen unerbittlich sein - aber er wurde niemals verletzend. So bleiben auch die "Streitthemen" in Erinnerung - z. B. die Beurteilung der Persönlichkeit Stalins, bei der Differenzen unüberbrückbar zutage traten -, aber nie zu Verstimmungen führten.

In meiner sächsischen Gebirgsheimat erzählt man sich zuweilen eine uralte Legende: Wenn ein guter Mensch diese Erde verlassen hat, so wird er als hell leuchtender Stern am Himmel erstrahlen. Als ich gestern Abend den Blick auf das unendliche Firmament richtete, da schien es mir, als ob ein neuer Stern besonders hell glänzte...

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Quelle:
Sieghard Scheffczyk
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2012