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MUMIA/519: Mumias Eilantrag (IVK)


Internationales Verteidigungskomitee (IVK) - 28.08.2012

Mumias Eilantrag
Ex-Black-Panther legt Rechtsmittel gegen illegale Richterentscheidung ein

Aus: junge Welt Nr. 200 - 28. August 2012 / Von Jürgen Heiser



Buchstäblich in letzter Minute ist es Mumia Abu-Jamal, Journalist, Ex-Black-Panther und seit 1981 politischer Gefangener im US-Bundesstaat Pennsylvania, doch noch gelungen, Rechtsmittel gegen die formale Umwandlung seines Todesurteils in lebenslange Haft ohne Bewährungsmöglichkeit einzulegen (jW berichtete/s.u.). Wichtig war dies deshalb, weil es seine rechtlichen Möglichkeiten, die Haft bis zu seinem Tod und die Verurteilung wegen angeblichen Polizistenmordes anzufechten, weiter beschränkt hätte.

In einer von seinem New Yorker Unterstützungskomitee am Sonntag international verbreiteten Videobotschaft vom 23. August berichten die in Haftfragen für Abu-Jamal tätige New Yorker Anwältin Rachel Wolkenstein und Pam Africa, Sprecherin der Move-Organisation aus Philadelphia, über diese letzte Entwicklung. Wolkenstein habe »vor zwei Stunden in Mumias Namen« bei Gericht seinen schriftlichen Antrag eingereicht. Dazu habe er nach der am 13. August von Richterin Pamela Dembe am Staatsgericht von Philadelphia ohne Vorankündigung gefaßten Entscheidung nur eine Frist von zehn Tagen gehabt.

Linn Washington, Journalist aus Philadelphia, der sich seit Jahrzehnten für seinen Kollegen Abu-Jamal einsetzt, zitiert Wolkenstein in seiner jüngst erschienen Analyse der Vorgänge mit den Worten, dies sei »der gleiche Mist, der seit eh und je durch die Hintertür« gegen Abu-Jamal laufe. Laut Washington hat Wolkenstein »die heimlich erlassene Rechtsentscheidung« zufällig entdeckt, »als sie routinemäßig in den Gerichtsakten überprüfen wollte, wann eine Entscheidung über die Strafumwandlung zu erwarten sei.« Die Anwältin habe dann Abu-Jamal und sein Verteidigungsteam informiert, »die von der Entscheidung keinerlei Kenntnis hatten«.

In einer bereits am Samstag vom New Yorker Unterstützungskomitee verbreiteten Presseerklärung beschreibt Wolkenstein, wie sie noch am Donnerstag nachmittag um 16 Uhr (Ortszeit) vor Ablauf der Frist den »Eilantrag« zum Gericht gebracht habe, den sie kurz zuvor bei einem Haftbesuch von Abu-Jamal als Entwurf übernommen hatte. Zu dem Eilantrag werde noch eine ausführliche rechtliche Begründung nachgereicht, kündigt Wolkenstein an.

In dem auch jW vorliegenden Antrag unter dem Aktenzeichen CP-51-CR-0113571-1982 fordert Abu-Jamal, Richterin Dembes Beschluß vom 13. August, wonach er in Umwandlung des 1982 gegen ihn verhängten Todesurteils bis an sein Lebensende in Haft bleiben soll, »für null und nichtig zu erklären«. Die Entscheidung sei ohne seine Kenntnis und deshalb »unter Bruch grundlegender rechtlicher Erfordernisse der Gesetze Pennsylvanias und der Verfassung der Vereinigten Staaten zustande gekommen, folglich rechtswidrig«.

Der Richterspruch sei auch noch aus einem weiteren Grund aufzuheben, argumentiert Abu-Jamal. Seine Verurteilung zu lebenslang ohne Bewährung sei »nach fast dreißig Jahren Isolationshaft im Todestrakt aufgrund eines rechts- und verfassungswidrigen Todesurteils« erfolgt. Mit diesem ursprünglichen Urteil sei sein »Recht auf ein faires Verfahren verletzt« worden, und es stelle eine »unmenschliche, grausame und ungewöhnliche Bestrafung« dar, die gegen den 8. Zusatzartikel der US-Verfassung verstößt.

Gegen Ende seines Antrags geht Abu-Jamal über die rechtlichen Einsprüche gegen seinen eigenen »langsamen Hafttod« hinaus und greift die gängige Praxis der Isolationshaft und lebenslanger Haft ohne Bewährung im US-Gefängnissystem als verfassungswidrig an. Für Wolkenstein macht er sich damit erneut zum Fürsprecher »der gesamten Nation der Eingesperrten«.


Wer die im jW-Artikel enthaltenen Informationen im Original verifizieren möchte, kann das hier tun:

1. Videobotschaft von Rachel Wolkenstein und Pam Africa:
http://www.prisonradio.org/media/audio/mumia-court-updates-82412

2. Artikel von Linn Washington:
http://www.thiscantbehappening.net/node/1294

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Rechtsbruch
 
Aus: junge Welt Nr. 196 - 23. August 2012 / Von Jürgen Heiser


Ein Staatsgericht in Philadelphia hat das Todesurteil gegen den US-Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal nun auch formal in lebenslange Haft ohne Bewährungsmöglichkeit umgewandelt. Wie seine New Yorker Rechtsanwältin Rachel Wolkenstein jW mitteilte, hat Richterin Pamela Dembe diesen Beschluß bereits am 13. August gefaßt. Allerdings »ohne jede Vorankündigung und unter Verletzung der Verfassungsrechte meines Mandanten und Bruch der Gesetze des Bundesstaates Pennsylvania«, so Wolkenstein. Die Anwältin nennt den Beschluß »rechtswidrig«. Als Grund dafür, ihn ohne Kenntnis der Verteidigung abzufassen, vermutet sie, das Gericht habe mögliche Rechtsmittel gegen diese Verurteilung zum »langsamen Tod« vereiteln wollen. Das US-Recht mache jedoch bei allen Hafturteilen, auch über das »zwingende Strafmaß« bei einer Strafumwandlung wie im vorliegenden Fall, die Einräumung von Rechtsmitteln erforderlich, um dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, angehört zu werden und das Strafmaß anfechten zu können.

Der 1982 unter einer nachweislich konstruierten Anklage wegen Polizistenmordes zum Tode verurteilte Journalist und Ex-Black-Panther Abu-Jamal war schon vor Monaten aus dem Todestrakt in Waynesburg in den Normalvollzug des Hochsicherheitsgefängnisses von Frackville in Pennsylvania verlegt worden. Vorausgegangen war dem ein jahrzehntelanger Rechtskampf mehrerer Verteidigungsteams für die Wiederaufnahme des Verfahrens, die auch Amnesty International gefordert hatte. Am Ende hoben mehrere US-Bundesgerichte das Todesurteil wegen rechtsfehlerhafter Belehrungen der Geschworenen im Prozeß als »verfassungswidrig« auf. Der Oberste Gerichtshof der USA hatte jedoch zuvor schon die Verurteilung wegen Mordes für rechtskräftig erklärt, weshalb nur die Strafumwandlung in Frage kam. Nachdem Staatsanwalt Seth Williams am 8. Dezember 2011 auf einer Pressekonferenz erklärt hatte, auf weitere Rechtsmittel verzichten zu wollen, war der Weg für den Beschluß über das neue Strafmaß frei.

Gegenüber seinem Sohn Jamal und seiner Anwältin hat Abu-Jamal laut Wolkenstein bei einem Gefängnisbesuch am vergangenen Sonntag bestätigt, daß ihm die anstehende formale Straffestsetzung »nicht vorher zur Kenntnis gebracht worden« sei, sondern erst im Nachhinein. Wolkenstein versuchte daraufhin am Montag vergebens, sich in der Geschäftsstelle des Gerichts die schriftliche Fassung des Beschlusses aushändigen zu lassen. Erhalten habe sie aber nur die mündliche Erklärung einer Angestellten der Geschäftsstelle, die Beschlußfassung sei »aufgrund eines Anrufs der Strafvollzugsbehörde erfolgt«. Weitere Erläuterungen müsse Wolkenstein telefonisch bei der zuständigen Richterin erfragen.

Richterin Pamela Dembe hatte sich schon 2001 einen Namen gemacht, als sie Berufungsanträge der Verteidigung gegen rassistische Äußerungen von Albert Sabo, dem Vorsitzenden Richter, der 1982 das Todesurteil gegen Abu-Jamal verhängte, ablehnte.

Anwältin Wolkenstein hob gegenüber jW hervor, Abu-Jamal habe »unter einem verfassungs- und rechtswidrig zustande gekommenen Todesurteil dreißig Jahre in der Isolationshaft des Todestrakts zubringen müssen«. Nach den Feststellungen des UN-Sonderberichterstatters für Folter, Juan Mendez, sei »Isolationshaft, die länger als 15 Tage dauert, eine Form der Folter«. Mumia Abu-Jamal müsse deshalb umgehend freigelassen werden. Schon Ende Januar habe ihr Mandant in seiner Dankesbotschaft an die internationale Solidaritätsbewegung erklärt, die Aufhebung des Todesurteils sei »nur der erste Schritt«, aber es gehe nun um seine endgültige Freiheit.

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
Postfach 150 323, 28093 Bremen
E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)de
Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2012