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AFRIKA/040: Fluch oder Segen für Afrika? - Ausländische Direktinvestitionen ... (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Fluch oder Segen für Afrika?
Ausländische Direktinvestitionen und das Recht auf Nahrung

Von Sebastian Rötters


Afrika erlebt einen nie dagewesenen Investitionsboom. Nach Angaben der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) stiegen die ausländischen Direktinvestitionen in Afrika zwischen 2005 und 2007 von 29 auf 53 Milliarden US-Dollar. Während viele Befürworter argumentieren, damit zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Afrika beizutragen, warnen kritische Stimmen vor einem Ausverkauf des Kontinents. Wie wirken sich diese Investitionen auf das Recht auf Nahrung der Menschen in Afrika aus?


Zwei Sektoren stechen bei der Beurteilung dieser Frage hervor. Bei Investitionen in den Agrarsektor nimmt das sogenannte Land Grabbing immer mehr zu. Der Versuch des Daewoo-Konzerns, 1,3 Millionen Hektar Ackerland auf Madagaskar zu pachten, rief letztes Jahr eine FIAN-Briefaktion auf den Plan. Auch wenn das Projekt vorerst gescheitert ist, gibt es keinen Grund zur Entwarnung. China hat allein in der Demokratischen Republik Kongo 2,8 Millionen Hektar Land gepachtet, um Ölpalmen anzubauen. Großbritanniens Ex-Premierminister Tony Blair suchte auf dem Sierra Leone Investment Forum 2009 Investoren für "Millionen Hektar Land, mit denen große Gewinne zu machen seien." Nach Schätzungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) wurden in den letzten beiden Jahren mindestens 20 Millionen Hektar Land in Afrika verkauft oder verpachtet. Dies entspricht in etwa der Landesfläche von Senegal. Die in vielen Ländern ungeklärten Landrechtsfragen spielten dabei offenbar keine Rolle.

Außerdem fließen hohe Investitionssummen in den Rohstoffsektor. In Zeiten knapper Ressourcen scheuen Rohstoffkonzerne und Länder mit einem hohen Bedarf an Rohstoffen weder Kosten noch Mühen, um an die begehrten Schätze unter Afrikas Boden zu gelangen: Erdöl, Kohle, Uran, Gold, Kupfer, Coltan, Diamanten - um nur einige zu nennen. Während die westlichen Platzhirsche ihre Konzessionen eisern verteidigen, sichert sich vor allem China all jene Vorkommen, die noch nicht konzessioniert sind.

Eine genauere Betrachtung der Investitionsziele verdeutlicht, dass Afrikas Interessen eigentlich keine Rolle spielen. Investitionen von Privatunternehmen dienen in erster Linie Profitinteressen und nicht dem Gemeinwohl des Empfängerlandes. Und insbesondere in den beiden oben genannten Sektoren gilt das Interesse einzig den Ressourcen und nicht neuen Märkten oder günstigen Produktionsstandorten. Die großen Industrienationen benutzen Afrika für ihren Nachschub an Rohstoffen, Agrotreibstoffen und Nahrungsmitteln. Eine nachhaltige Entwicklungswirkung ist davon nicht zu erwarten, schlimmer noch: Die hohen Rohstoffpreise erzeugen auf lokaler und nationaler Ebene höhere Preise und machen andere Wirtschaftszweige weniger wettbewerbsfähig. Diese sogenannte holländische Krankheit hemmt die wirtschaftliche Entwicklung und trifft besonders die unteren Einkommensgruppen. Während die Investoren ihre eigene Versorgung sicherstellen, verringert sich in Afrika das Angebot an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und an Nahrungsmitteln. Bei steigenden Nahrungsmittelpreisen bleiben die Hungernden, Landlosen und Kleinbauern und -bäuerinnen auf der Strecke. Gerechte Investitionspolitik sieht anders aus.


Eine menschenrechtskonforme Investitionspolitik ist notwendig

Aus europäischer Sicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um die Investitionspolitik zu reformieren. Mit dem Lissabon-Vertrag ist die Kompetenz zur Verhandlung internationaler Abkommen zum Thema Ausländische Direktinvestitionen von den Mitgliedstaaten auf die Europäische Union (EU) über gegangen. Es ist zwingend notwendig, menschenrechtlichen Überlegungen Vorrang vor Investorenschutz einzuräumen. Daher müssen die bestehenden bilateralen Handelsverträge dahingehend überarbeitet werden, dass darin nicht nur Investorenrechte, sondern auch klare Investorenpflichten festgeschrieben werden. Der UN-Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie, fordert außerdem, dass die Rechte der Investoren nicht die politischen Handelsspielräume nationaler Regierungen einengen dürfen. Auch die Heimatländer der Investoren müssen ihre extraterritorialen Staatenpflichten wahrnehmen und Verantwortung für das Handeln ihrer Wirtschaftsunternehmen übernehmen.

Eine Investitionspolitik, die vor den Bedürfnissen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft die Augen verschließt, läuft Gefahr, neokoloniale Tendenzen zu verstärken. Namen wie Gold- und Elfenbeinküste verdeutlichen, dass Afrika schön häufiger als Ressourcennachschub missbraucht wurde. Nur eine menschenrechtskonforme Investitionspolitik mit klaren Regeln und Sanktionen verhindert, dass Afrika zur Getreide-, Uran- oder Ölpalmküste verkommt.

Sebastian Rötters ist Bergbau-Referent bei FIAN Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2010, Juli 2010, S. 4
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2010