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AKTION/096: Indien - Handarbeiterinnen fordern Mindestlöhne (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Fian-Eilaktion März 2007 - 0704UIND / Ende der Aktion 25. April 2007

Indien: Chikan Kari Handarbeiterinnen in Uttar Pradesh fordern Mindestlöhne


Hintergrund

Uttar Pradesh ist ein dicht bevölkerter Staat mit nahezu 170 Millionen Einwohnern. 80 % von ihnen leben in ländlichen Gebieten. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei nur 120 US Dollar und somit deutlich unter dem indischen Durchschnitt von 330 US Dollar. Lucknow, die im Zentrum des Bundesstaates gelegene Hauptstadt, hat zwei Millionen Einwohner. 60 % der Einwohner sind vom öffentlichen und privatwirtschaftlichen Dienstleistungsbereich abhängig, 35 % von der Landwirtschaft und fünf Prozent von dem lokalen Kunsthandwerk Chikan Kari.

Chikan Kari ist ein in Handarbeit mit Garn auf Baumwollkleidung angebrachtes feines und schwieriges Muster, das hauptsächlich zur Zierde von Kleidungsstücken für Frauen dient. Die Kleidungsstücke von Chikan Kari finden auf den nationalen und internationalen Märkten guten Absatz und werden in die USA, Großbritannien und die Golfstaaten exportiert. Während die Frauen vorwiegend die Handarbeit verrichten, sind die Männer in die Vermarktung und den Handel der Waren involviert. Chikan Kari ist sehr zeitintensiv und die schwierige Arbeit stellt eine hohe Belastung für die Augen dar, so dass viele der Chikan Kari-Arbeiterinnen schließlich ihr Sehvermögen verlieren.

Ein Stück Chikan Arbeit beansprucht fünf bis sieben Stunden Arbeitszeit. Hierfür erhält eine Arbeiterin sechs bis acht Rupien, wobei die Höhe des Lohnes auf der Art der Stiche beruht und es kein fixes Preissystem gibt. Die Chikan Kari Arbeiterinnen verdienen in der Regel ungefähr 30 Rupien (0,68 US Dollar) am Tag. Sie bekommen ihre Aufträge von den Geschäften über Mittelsmänner. Dies verringert ihre Möglichkeiten, über die Lohnhöhe zu verhandeln und macht sie angreifbar für Ausbeutung. Die Chikan Kari-Arbeit findet im informellen Sektor statt, in dem Frauen und Männer nicht organisiert sind. Auf Grund von Analphabetismus und fehlendem Bewusstsein sind die Frauen nicht in der Lage, ihren Anspruch auf den ihnen nach dem Mindestlohngesetze von 1948 zustehenden Lohn von 58,50 Rupien (1,32 US Dollar) durchzusetzen.

Am 17. September 2004 richtete die indische Regierung eine nationale Kommission für den informellen Sektor ein. Diese Gutachterkommission sollte die Situation im informellen Sektor überwachen und regelmäßig der Regierung Bericht erstatten. Jedoch funktioniert diese Kommission momentan nicht. Das Mindestlohngesetz sieht die Einsetzung eines Arbeitsinspektors vor. Diesen gab es eine Zeitlang, bis die Stelle 2003 gestrichen wurde. Die Position ist wichtig, um die Rechte der Arbeiter in informellen Sektoren wie Chikan Kari durchzusetzen. Die Arbeiterinnen fordern deshalb nicht nur die Zahlung des Mindestlohns, sondern auch die Wiedereinrichtung der Stelle des Arbeitsinspektors.


Zusammenfassung

Chikan Kari bezeichnet die im indischen Lucknow in Handarbeit hergestellten Stickarbeiten auf Baumwollstoff. Dieses zeitintensive Kunsthandwerk wird hauptsächlich von Frauen verrichtet. Ihre Bezahlung liegt unterhalb des Minimallohnes. Für viele von ihnen bedeutet die Zahlung des Mindestlohns jedoch, nicht Hunger leiden zu müssen.


Verpflichtungen des indischen Staates

Indien und damit auch der Bundesstaat Uttar Pradesh hat den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte unterzeichnet und ist völkerrechtlich verpflichtet, das Recht der Chikan Kari-Arbeiter, sich zu ernähren zu respektieren und zu schützen, in dem er ihre Bezahlung entsprechend des Minimallohnes mit einem fixen Preissystem durchsetzt. Ein Einkommen unterhalb des Mindestlohns schließt die Chikan-Arbeiter vom Zugang zu Nahrung aus.


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Aktion

Eine internationale Aktion ist dringend notwendig um das Recht auf Ernährung der Chikan Kari-Arbeiterinnen zu schützen und um die anhaltende Ausbeutung zu stoppen.

Bitte schreiben Sie an:

Mr. T.V. Rajeswar
Governor of Uttar Pradesh
Governor House,
Lucknow -226001
Uttar Pradesh
India
Fax: 0091-522-2237444
oder 0091-522-2625995

Bitte schicken Sie eine Kopie an:

Manmohan Singh
Prime Minister of India
Room 152, South Block
New Delhi - 1 1 0001
India
Fax: +91-11-23016857

Ein Brief nach Indien kostet

aus Deutschland 1,70 Euro
aus Österreich 1,25 Euro
aus Belgien 0,80 Euro.


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Übersetzung des Musterbriefs

Ehrenwerter Herr Gouverneur,

Kürzlich habe ich die beunruhigenden Nachrichten über die Situation, der Chikan Kari-Arbeiterinnen in Lucknow, Uttar Pradesh, erhalten. Die Chikan Kari-Industrie ist Teil des informellen Sektors, in dem 96 % aller arbeitenden Frauen in Indien beschäftigt sind. Die Bezahlung der Frauen in der Chikan Kari-Industrie liegt unterhalb des Mindestlohns von 58,50 Rupien. Jedoch benötigen viele von ihnen dieses geringe Einkommen um nicht Hunger leiden zu müssen.

Gemäß der Gesetzgebung in Uttar Pradesh muss einem Arbeiter ein Mindestlohn von 58,50 Rupien für einen Arbeitstag gezahlt werden. Dieser sollte auch im informellen Sektor realisiert werden. In der Chikan Kari-Industrie werden die Löhne an der Art der Stiche fest gemacht. Daher sollte ein fixes Preissystem eingerichtet werden, welches den Chikan Kari-Arbeiterinnen den Mindestlohn sichert.

Indien hat den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unterzeichnet und ist daher verpflichtet, das Recht der Chikan Kari-Arbeiterinnen auf angemessene Nahrung zu erfüllen. Der geringe Lohn entzieht den Chikan Kari-Arbeiterinnen die Möglichkeit des Zugangs zu Nahrung. Als eine Person, die sich international für die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung einsetzt, möchte ich Sie bitten,

1. das Minimallohngesetz von 1948 durch die Schaffung eines fixen Preissystems umzusetzen, um den Frauen das Recht sich zu ernähren zuzusichern;

2. die Stelle eines Arbeitsinspektors neu zu überdenken und einzurichten (Vorzugsweise weiblich, um die Arbeitsbedingungen zu überwachen). Diese war eingerichtet, wurde jedoch 2003 abgeschafft.

Bitte informieren Sie mich über die Schritte, die Sie in dieser Angelegenheit zu unternehmen beabsichtigen.

Hochachtungsvoll,


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Mr. T. V. Rajeshwar,
Governor of Uttar Pradesh,
Governor's house,
Lucknow - 226001
Uttar Pradesh
India

Honourable Governor,

Recently, I heard the disturbing news about the situation suffered by the Chikan Kari workers in Lucknow, Uttar Pradesh. The Chikan Kari industry is part of the informal sector, where 96 % of all working women in India are employed. Women in the Chikan Kari industry are paid way below the minimum wage of INR 58,50. Yet for many of them, the meagre income is needed to prevent starvation.

According to Uttar Pradesh legislation, a worker must be paid a minimum wage of at least INR 58,50 for a day's work. This should also be implemented in the informal sector. In the Chikan Kari industry wages are determined on the types of stitches, therefore there should be fixed a piece rate system to enable the Chikan Kari workers to get a minimum support price.

India has signed the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights and is therefore duty bound to fulfil the right to adequate food of the Chikan Kari workers. The low payment of wages deprives the Chikan Kari workers of the means to access food. As a person working internationally for the implementation of the human right to food, I would like to ask you to:

1. Implement the Minimum Wages Act 1948 according to affixed piece rate system in order to secure the women's right to feed themselves.

2. Reconsider and reinstall the position of a labour inspector (preferably female in order to monitor working conditions). This had been in place but was then abolished in 2003.

Please inform me about the steps you plan to take in this matter.

Yours sincerely,


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2007, März 2007,
Fian-Eilaktion März 2007 - 0703AGTM
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2007