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AKTION/123: Mali - Recht auf Nahrung von Bauernfamilien aus N'Tabacoro bedroht (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

URGENT ACTION - EILAKTION
FIAN-Eilaktion 1001 UMAL von 2010

Mali: Recht auf Nahrung von Bauernfamilien aus N'Tabacoro bedroht


Die malische Regierung hat im Februar 2009 ihre Pläne zum Bau von Sozialwohnungen in N'Tabacoro öffentlich gemacht. Dieses Dorf gehört zur Gemeinde von Kalabancoro am Rande Bamakos. Das betreffende Projekt sieht den Bau von mehreren tausend neuer Mietwohnungen vor. Nach dieser Ankündigung wurde am 14. Mai 2009 ein Enteignungsdekret (Nr. 09-190/P-RM) unterzeichnet. Ein weiteres Dekret vom 3. Juni 2009 hat durch die Übereignungsurkunde Nr. 40.395 den Staat zum Eigentümer des Gebietes gemacht, ohne eine gerechte und vorherige Entschädigung vorzusehen. Die Enteignung betrifft insbesondere dreißig Bauernfamilien (ca. 1.000 Personen), die dieses Land seit vielen Generationen bewohnen und bearbeiten. Die betroffenen Familien hängen in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Sicht von ihren traditionellen Anbauflächen ab. Im Jahre 1978 wurde der Versuch unternommen, das Land zu registrieren und Landtitel zu vergeben. Die Bauern erhielten damals ein Zuweisungsschreiben, eine Art provisorischen Eigentumstitel. Aber der versprochene endgültige Grundtitel wurde in den meisten Fällen nicht vergeben. Die betroffenen Familien besitzen zwischen zwei und fünf Hektar Land und müssen davon je 15 bis 50 Personen ernähren. In den siebziger Jahren zogen weitere Familien hinzu.

Im Widerspruch zu den internationalen Normen, insbesondere jenen über gewaltsame Vertreibungen, hat es keinen angemessenen Konsultierungsprozess, keine Entschädigung und keinerlei Alternativen für die betroffenen Personen gegeben. Die Familien leben infolgedessen in absoluter Ungewissheit bezüglich ihrer Zukunft. Trotz dieser ungeklärten Situation haben die Bauunternehmen bereits damit begonnen, die Grundsteine für die Häuser zu legen. Angesichts dieser Sachlage haben sich die Einwohner im Juni 2009 zur Vereinigung von Land- und Parzelleneigentümern von N'Tabacoro (APPCR) zusammen geschlossen. Die APPCR hat am 20. Juli 2009 gegen den malischen Staat Klage erhoben. Erst nach diesem Schritt und in Anbetracht der Entschlossenheit der Vereinigung hat die Regierung schließlich am 22. Juli zu einem Gespräch am Runden Tisch eingeladen. Ein Ausschuss wurde mit der Festlegung der Parzellen, ihrer genauen Begrenzung und Wertbestimmung beauftragt. Er nahm am 21. Oktober 2009 seine Arbeit auf. Doch nach wie vor bestehen zwischen Einwohnern und Regierung Meinungsverschiedenheiten über die Gebiete, die von der Enteignung betroffen sind. Bisher ist keine Entschädigung oder alternative Lösung vorgeschlagen worden.

Für die Bauernfamilien, denen im Juni 2009, mitten in der Regenzeit, befohlen wurde, ihre Felder nicht mehr zu bearbeiten, ist Eile geboten. Einige Bauern waren unentschlossen und haben zu spät gepflanzt. Ihre Ernte ist zu gering, um ihre Familien davon ernähren zu können. Andere haben sich strikt an das Verbot gehalten und sind noch ärmer dran. Die Betroffenen versuchen mit verschiedenen Strategien, ihr Überleben zu sichern. Die Mehrzahl der Männer verkaufen ihre Arbeitskraft als Tagelöhner. Andere wiederum leihen sich Geld bei Verwandten oder verkaufen Wasser aus ihren Brunnen.


Zusammenfassung

Mehrere Dutzend Bauernfamilien, die am Rande der malischen Hauptstadt Bamako leben, laufen Gefahr, von der malischen Regierung zugunsten eines Wohnungsbauprojekts von ihrem Land vertrieben zu werden. Im Juli 2009 verbot man ihnen, das Land weiter zu bebauen, was eine unmittelbare Bedrohung ihres Rechts auf eine adäquate Ernährung darstellt. Außerdem würde eine Vertreibung der Familien nachhaltig ihre Fähigkeit gefährden, sich selbst zu ernähren. Schon jetzt gehören sie zu den ärmsten Menschen in Mali. Die Regierung hat ohne vorherige Konsultation der betroffenen Menschen gehandelt und keinerlei Schritte zur Entschädigung oder Umsiedlung für die Familien vorgesehen. Somit handelt sie unter Missachtung ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte.


Das Mandat von Fian

Mali ist ein Unterzeichnerstaat des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie der Afrikanischen Menschen- und Völkerrechtscharta. Darum ist der Staat verpflichtet, im Rahmen des internationalen und regionalen Rechts einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten, wozu das Recht auf Nahrung und auf Wasser gehört, sowie das Recht auf eine Wohnung für die Menschen, die in N'Tabacoro leben. Das Recht auf eine angemessene Ernährung impliziert, dass für die Bauern der Zugang zu produktiven Ressourcen wie Land und Wasser oder zu den entsprechenden Produktionsmitteln gewährleistet ist.


Aktion

Am 19. Januar diesen Jahres hat FIAN einen offenen Brief mit der dringenden Aufforderung, die Zerstörung der Parzellen durch Planierraupen aufzuhalten, an die malischen Behörden geschickt. Nichtsdestotrotz ist eine internationale Aktion zur Unterstützung der Opfer notwendig.

Schreiben Sie bitte einen höflichen Brief an den Präsidenten der Republik, an das Wohnungsbauministerium und an die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, um den Forderungen der Familien von N'Tabacoro Gehör zu verschaffen.


Adressen

Son Excellence Amadou Toumani Touré
Präsident de la République du Mali
Palais présidentiel de Koulouba
BP 1463, Koulouba,
Bamako, Mali
Fax: + 223 20 23 00 09

Kopien an:

Mme le Ministre Gakou Salimata Fofana
Ministère du Logement des Affaires Foncières et de l' Urbanisme
Quartier Darsalam, Rue 556
Commune III
Bamako, Mali
Fax: + 223 20 22 87 10

Mme DIALLO Kaïta KAYENTAO
Présidente de la Cour
Suprême
Cour Suprême
BP 07
Bamako, Mali
Fax: + 223 20 22 29 28
      + 223 20 23 57 89

Ein Brief nach Übersee kostet:
aus Deutschland 1,70 €
aus Österreich 1,40 €
aus Belgien 1,05 €

Laufzeit
Beginn: 04.03.2010 - Ende: 15.04.2010


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Übersetzung des Musterbriefs

Eure Exzellenz,

Kürzlich wurde ich informiert über die Situation von mehreren Dutzend Bauernfamilien aus N'Tabacoro im Kreis Kati, die durch das Dekret Nr. 09/190-P-RM vom 4. Mai 2009 von gewaltsamer Vertreibung bedroht sind.

Diese Familien zählen bereits zu den verletzbarsten Personen; sie sind abhängig vom Zugang zu diesem Land, um sich ernähren und einen dezenten Lebensstandard erwirtschaften zu können. Unter Verletzung nationaler und internationaler Normen hat es weder eine Untersuchung noch eine vorherige Konsultation der betroffenen Personen gegeben. Des weiteren hat der Staat keinerlei Entschädigung und Umsiedlung vorgesehen. Trotz der vor Gericht eingereichten Klage leben die betroffenen Familien weiter in völliger Ungewissheit bezüglich ihrer aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten, sich und ihre Familien zu ernähren.

Dies umso mehr, weil den betroffenen Bauernfamilien inmitten der Regenzeit verboten wurde, auf dem Gebiet weiter Lebensmittel anzubauen. Dieses ohne vorherige Anhörung erlassene Verbot hat den Zugang zu Nahrung für etwa dreißig Familien extrem schwierig gemacht. Mangels Alternativen mussten die meisten von ihnen auf Gelegenheitsjobs zurückgreifen oder sich verschulden.

Als Unterzeichnerstaat des internationalen Pakts über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte und der Afrikanischen Charta der Menschen- und Völkerrechte hat Mali die Verpflichtung, das Recht auf eine adäquate Ernährung sowie das Recht auf eine Wohnung insbesondere für gefährdete Menschen zu wahren, zu schützen und zu fördern.

Darum bitte ich Sie:

in Einklang mit dem nationalen und internationalen Recht unmittelbar die Arbeiten einstellen zu lassen;
das Recht auf eine adäquate Ernährung der Landwirte zu wahren und den Zugang zu ihrem traditionellen Land sicherzustellen;
so schnell wie möglich zu handeln, um den betroffenen Personen einen gesicherten Zugang zu Land zu gewährleisten, insbesondere denen, deren Lebensgrundlage von diese Zugang abhängt;
die Normen und Verfahren zu respektieren, die durch das nationale und internationale Recht vorgeschrieben werden. Diese implizieren insbesondere eine effektive Konsultation der betroffenen Personen, den gesicherten Zugang zu legalen Einspruchsmöglichkeiten sowie gerechte Entschädigung und konkrete Vorschläge für eine angemessene Umsiedlung;
den Familien traditioneller Kleinbauern eine aktive Unterstützung zu gewähren, da sie sowohl die ersten Opfer von Nahrungsunsicherheit als auch die Hauptakteure einer jeden nationalen Strategie zur Verbesserung der nationalen Nahrungsmittelsicherung sind.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich über die Maßnahmen, die Sie zu ergreifen beabsichtigen, auf dem Laufenden halten würden.


Hochachtungsvoll


*


Son Excellence Amadou Toumani Touré
Präsident de la République du Mali
Palais présidentiel de Koulouba
BP 1463, Koulouba,
Bamako, Mali


Votre Excellence,

J'ai récemment été informé(e) de la situation de plusieurs dizaines de familles de cultivateurs menacées d'expulsion forcée à N'Tabacoro, cercle de Kati, en vertu du décret no09/190-P-RM du 04 mai 2009. Ces familles, qui comptent déjà parmi les plus vulnérables, sont dépendantes de leur accès à ces terres pour la jouissance de leur droit de l'Homme à une alimentation adéquate. Or, non seulement ces groupes de cultivateurs ne bénéficient pas du soutien des politiques agricoles publiques, mais en plus leur accès aux moyens de se nourrir est aujourd'hui menacé. En effet, aucune enquête ni consultation préalable avec les personnes affectées n'a été réalisée, en violation de normes nationales et internationales. En outre, aucune solution de dédommagement et de remplacement n'a été prévue par l'Etat. Malgré la saisine des tribunaux nationaux, les personnes concernées restent dans l'incertitude quant à leur capacité immédiate et future de se nourrir eux et leurs familles. Et ce d'autant plus que depuis le 12 juin 2009, en pleine saison des pluies, les cultivateurs concernés se sont vus interdire toute culture. Cette interdiction, qui survient sans discussion ni négociation avec les paysans, a rendu l'accès à l'alimentation d'une trentaine de familles extrêmement difficile. Sans alternative effective, la majorité a recours à des stratégies de survie telles que les emplois journaliers ou l'endettement. En tant qu'Etat partie au Pacte international relatif aux droits économiques, sociaux et culturels, et à la Charte africaine des droits de l'homme et des peuples, le Mali a l'obligation de respecter et de donner effet au droit à une alimentation adéquate, en particulier pour les individus vulnérables. Aussi, je vous exhorte:

à faire cesser immédiatement les travaux, conformément au droit national et international;
à respecter le droit à une alimentation adéquate des cultivateurs et ainsi leur accès à leurs terres traditionnelles;
à agir au plus vite pour assurer aux personnes affectées une sécurité d'accès à la terre et son exploitation, en particulier pour les personnes dont c'est le principal moyen de survie;
à respecter, si vous deviez procéder à l'expulsion, les normes et procédures prescrites par le droit national et international, ce qui implique notamment une véritable consultation des personnes affectées, l'accès à des recours, une indemnisation adéquate, et une offre de relogement adéquat;
à apporter un soutien actif aux familles de cultivateurs traditionnels qui sont à la fois les premières victimes de l'insécurité alimentaire mais aussi des acteurs clé de toute stratégie nationale en faveur d'une meilleure sécurité alimentaire.

Je vous serais reconnaissant(e) de m'informer des mesures que vous comptez prendre.

Veuillez agréer, Votre Excellence, l'expression de ma très haute considération.


*


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2010, März 2010
Fian-Eilaktion Februar 2010 - 1001 UMAL von 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2010