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BERICHT/121: Österreichs menschenrechtliche Verpflichtung (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 4/2006
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Österreichs menschenrechtliche Verpflichtungen im In- und Ausland

Von Lisa Sterzinger


Trotz permanenter Finanzierungskrise lassen die AktivistInnen der österreichischen FIAN-Sektion nicht locker: Erstmals brachte FIAN WSK-Menschenrechte auch in den österreichischen Wahlkampf zur Wahl des Nationalrats am 1. Oktober 2006 ein - schließlich sind im sechst-reichsten Land der Welt 13,2 Prozent der Menschen armutsgefährdet, 5,9 Prozent leben in verfestigter Armut. Die Einführung eines Grundeinkommens hatte das UN-WSK-Komitee als wichtige Maßnahme zur Armutsbekämpfung empfohlen, ebenso die Gleichstellung von AsylbewerberInnen mit österreichischen SozialhilfebezieherInnen.


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Die Ratifizierung der Konvention über die Rechte von MigrantInnen und die Verankerung von sozialen Grundrechten in der Verfassung sind ebenfalls dringende anstehende Vorhaben, die von der neuen Regierung in Angriff genommen werden sollten. FIAN hatte die Vorsitzenden der wahlwerbenden Parteien angefragt, wie sie mit den Empfehlungen eines hochrangigen UNO-Gremiums in der kommenden Legislaturperiode umgehen würden. Etwas zögerlich, doch nach Setzen einer Deadline per 20. September 2006 erhielten wir Stellungnahmen von allen Parteien, die wir rechtzeitig vor dem Wahltermin am 1. Oktober 2006 veröffentlichen konnten (nachzulesen unter www.fian.at). Zufällig wird der nächste Regierungsbericht an das UN-WSK-Komitee auch 2010 nach Ende der nächsten Regierungsperiode fällig sein.

Ein weiteres Thema aus dem Parallelbericht von FIAN holte die österreichischen PolitikerInnen im Herbst ein. Der Protest von Menschenrechts- und Umweltorganisationen gegen das Ilisu- Staudammprojekt im osttürkischen KurdInnengebiet erreichte Ende September, kurz bevor Garantien durch die Kontrollbanken in Deutschland, Schweiz und Österreich bewilligt werden sollten, seinen Höhepunkt. FIAN-International startete eine Eilbriefkampagne.

Mehr als einhundert Info-Kopien sind in der österreichischen Sektion eingelangt, insgesamt werden jedoch weit mehr den Minister erreicht haben. Nachdem nicht ein einziger Antwortbrief der zuständigen Minister aus der Schweiz, Deutschlands und Österreichs eingelangt ist, gehen wir davon aus, dass die Ministerien zu den menschenrechtlichen Argumenten nicht Stellung nehmen wollen. In der Tageszeitung 'Der Standard' vom 11. Oktober 2006 beklagt sich der Chef des Anlagenbaukonzerns Andritz, Wolfgang Leitner, über die "unfaire" und von vorgefassten Meinungen getragene Berichterstattung der österreichischen Zeitungen, die sich angeblich von NROs instrumentalisieren ließen. Am 19. Oktober 2006 berichtete 'Der Standard' über die guten Geschäftsaussichten der Andritz AG, der die ehemalige VA Tech-Hydro nun angehört. "Als neues Ziel habe man sich die Marke von 3 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2008 gesetzt. Dieser Wert sei realistisch, da Andritz bereits heuer - unter Annahme einer Vollkonsolidierung der VA Tech Hydro - 2,7 bis 2,8 Mrd. Euro umsetzen werde."

Bereits Ende September hatte das europäische Parlament einen Fortschrittsbericht zu den Beitrittsverhandlungen der Türkei verabschiedet. Darin ruft es in Paragraph 26 die türkische Regierung auf, bei Großprojekten wie eben dem Ilisu-Staudamm die hohen Umweltstandards der EU zu berücksichtigen. Der irakische Wasserminister drückte gegenüber ECA-watch große Besorgnis über die nicht absehbaren Folgen des Megaprojekts auch für die Wasserversorgung des Iraks aus. Er ersuchte, dies auch den verantwortlichen Exportkreditgebern in Deutschland, Österreich und der Schweiz mitzuteilen.

Während gemäß der Tageszeitung Österreich die Kontrollbank bereits eine positive Entscheidung über die Exportkreditgarantie für das Ilisu-Staudammprojekt im Ministerium hinterlegt hat, ließ die letzte Entscheidung des Finanzministeriums zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe nach wie vor auf sich warten. Österreich ist in der Pflicht, sowohl in Bezug auf die Armutsbekämpfung im eigenen Land als auch als Finanzier für Großprojekte österreichischer Firmen, die menschenrechtswidrig sind. FIAN-Österreich wird sich weiterhin mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass die österreichische Bundesregierung an ihre menschenrechtliche Verpflichtungen erinnert wird. Eine wachsende Anzahl von Mitgliedern, AktivistInnen und UnterstützerInnen ermöglicht es uns, dranzubleiben und nachzufragen, damit Missachtungen und Versäumnisse nicht unter den Teppich gekehrt werden können.

Die Autorin ist Mitglied
im Vorstand von FIAN-Österreich


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 4/2006, Seite 9
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
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Erscheinungsweise vierteljährlich.
Einzelpreis: 4,50 Euro

den 18. Januar 2007