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BERICHT/129: Interview zum Thema Menschenrechte und Weltbank (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Interview

"Menschenrechte verdienen größeres Gewicht"


Wie kommt die deutsche Regierung ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nach, wenn sie in der Weltbank mitentscheidet? Diese und andere Fragen richtete die FOODFirst-Redaktion an Dr. Jürgen Zattler, Leiter des Referats 301 im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.


FOODFirst-REDAKTION: Wie nimmt die deutsche Regierung auf den Entscheidungsprozess in der Weltbank Einfluss? Wie stellt sie dabei die Einhaltung der Menschenrechte sicher?

JÜRGEN ZATTLER: In der Weltbank nehmen wir Einfluss zum einen über unser Stimmverhalten, zum anderen durch intensiven Dialog mit der Weltbank und den anderen Anteilseignern. Das Stimmverhalten sollte nicht überbewertet werden, zumal unser Anteil unter fünf Prozent liegt. Wichtig ist, dass wir unsere Konzeptionen im Vorfeld in die Weltbankpolitik einbringen. Dazu kann es im Einzelfall auch gehören, dass wir gegen ein Projekt stimmen, um ein Signal zu setzen. Was die Menschenrechtsthematik betrifft, so müssen wir Rücksicht darauf nehmen, dass es innerhalb der Anteilseigner keinen Konsens darüber gibt, wie die Weltbank mit dem Thema umgehen soll. Wir sind der Ansicht, dass dieses Thema größeres Gewicht in der Arbeit der Weltbank verdient. Um aber keine Blockadehaltung einzelner Anteilseigner zu riskieren, haben wir in der letzten Jahren vor allem versucht, die Menschenrechte indirekt zu fördern, und dies mit einigem Erfolg. So ist es uns beispielsweise gelungen, die vier Kernarbeitsnormen in die Performance Standards des Privatfinanzierungsarms der Weltbank (IFC) zu integrieren.

FOODFirst-REDAKTION: Wie kann das Ziel erreicht werden, den Menschenrechten in den Entscheidungsprozessen der Weltbank ein größeres Gewicht zu verleihen?

JÜRGEN ZATTLER: Wesentlich ist es, die Umsetzung der Menschenrechte vor allem in den Partnerländern voranzubringen. Dies versuchen wir zum Beispiel mittels unseres bilateralen entwicklungspolitischen Dialogs. Diese Verantwortung der Partnerländer muss durch ein umsichtiges Vorgehen von Anteilseignern wie Deutschland frankiert werden. Sobald wir Kenntnis davon erlangen, dass ein Projekt der Weltbank Menschenrechte beeinträchtigt, sprechen wir mit den Verantwortlichen in der Bank und drängen auf eine Neukonzeption, wenn der Vorwurf gerechtfertigt ist. Je früher dieses Eingreifen geschieht, umso besser sind dabei die Erfolgsaussichten. Deshalb müssen wir uns zum Beispiel bemühen, menschenrechtliche Prinzipien von vornherein in die Sektorstrategien der Bank zu integrieren.

FOODFirst-REDAKTION: Welche gesetzlichen Maßnahmen holten Sie für sinnvoll, um die deutschen Entscheidungsträger innerhalb der Weltbank stärker an ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen zu binden?

JÜRGEN ZATTLER: Zusätzliche gesetzliche Maßnahmen sind unseres Erachtens nicht zielführend. Durch die Ratifikation der menschenrechtlichen Verträge entsteht eine rechtliche Bindungswirkung an die Inhalte der jeweiligen Verträge für den deutschen Staat, mithin für jede Person, die in seinem Auftrag und damit hoheitlich tätig wird. Davon erfasst sind auch die deutschen Entscheidungsträger innerhalb der Weltbank. Zielführender wäre aus unserer Sicht - auch mit Unterstützung der NROs - nachzudenken, wie man diese besser über die konkreten Inhalte der rechtlichen Verpflichtungen effizient informieren kann.

FOODFirst-REDAKTION: Halten Sie die Forderung für angemessen und umsetzbar, die von negativen Auswirkungen der Weltbank-Projekte betroffenen Menschen für die erlittenen Menschenrechtsverletzungen zu entschädigen?

JÜRGEN ZATTLER: Die Forderung nach Entschädigung für erfolgte Menschenrechtsverletzungen ist insbesondere vor dem Hintergrund der neueren Entwicklungen angemessen. Die 2005 von der UN verabschiedeten 'Basic Principles and Guidelines an the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law' spiegeln dies wider. Diese konstituieren aus unserer Sicht den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen sich Entschädigungsforderungen bewegen sollten. Die Umsetzbarkeit wirft die Frage nach finanziellen Ressourcen auf sowie nach Alternativen zur monetären Entschädigung. Denkbar wäre, dass im Sinne eines menschenrechtskonformen Handelns die Verfügbarkeit von Entschädigungen gegebenenfalls zu Lasten anderer Ausgabenposten in der Projektplanung geht, um die Umsetzung begründeter Forderungen zu gewährleisten. Dafür sind sehr genaue, transparente Regelungen erforderlich, die auch für Investoren diese Verpflichtungen von vornherein deutlich machen würden.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2007, März 2007, S. 9
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
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Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2007