Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

BERICHT/137: Bananen, Paras und Multis (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Bananen, Paras und Multis

Von Jochen Schüller


Wirtschaftliche Interessen - das fruchtbare Land, die Bodenschätze und ein Kanalbau-Projekt - waren der Grund für die Vertreibung vieler Tausend Menschen aus dem Chocó im Nordwesten Kolumbiens - damals, Anfang 1997 in der Militär-Operation Genesis. Zuerst wurden die Dörfer und Weiler am Cacarica-Fluss bombardiert. Dann kamen Armee und paramilitärische Todesschwadronen. Sie plünderten und mordeten wahllos. Im angeblichen Kampf gegen die Guerilla wurden Tausende Bauernfamilien gewaltsam vertrieben.


Menschenrechtsorganisationen machen den General Rito Alejo del Rio für viele Menschenrechtsverletzungen und Massaker verantwortlich. Unter seinem Kommando hatte die 17. Armee-Brigade gemeinsam mit den Paramilitärs die Menschen am Cacarica-Fluss und andere Gemeinschaften vertrieben. "Über 200 Morde haben wir aus jener Zeit in der Region dokumentiert, 86 allein aus Cacarica", bestätigt Carolina Pardo von der Menschenrechtsorganisation Justicia y Paz.

Doch für keines dieser Verbrechen ist bisher jemand verurteilt worden. Der damalige Generalstaatsanwalt Osorio stellte im Jahr 2004 alle Ermittlungen gegen Rito Alejo ein. Im vergangenen Frühjahr kandidierte der berüchtigte General bei den Parlamentswahlen für eine dem Präsidenten Uribe nahestehende Partei.

Die Vertriebenen vom Cacarica-Fluss ergaben sich jedoch nicht ihrem Schicksal sondern organisierten sich. Mit der Beratung von Justicia y Paz und internationaler Unterstützung erreichten sie 1999 ein Abkommen mit der Regierung Samper, das ihre Rücksiedlung garantieren soll. Im Jahr 2000 begannen sie mit der Rückkehr auf ihr Land. Ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ist ihr Ziel. Ihr oberstes Prinzip ist die Neutralität im bewaffneten Konflikt. Daher sind ihre beiden Dörfer als humanitäre Zonen gekennzeichnet. Ihre Rückkehr an den Cacarica ist ein Symbol der Hoffnung für ganz Kolumbien.

Doch die Anfeindungen gegen die Friedensgemeinde gehen weiter. 103.024 Hektar Land gehören der Gemeinschaft. Der kollektive Besitz kann nicht verkauft werden - so ist die gesetzliche Regel, die das gemeinschaftliche Land schützen soll. Doch schon seit der Vertreibung existiert eine paramilitärische Basis auf dem Gebiet der Gemeinschaft. Die Armee unternimmt nichts gegen das Lager. Seit fünf Jahren werden dort von der Firma Multifruits auf einer Fläche von 20.000 Hektar Baby-Bananen angebaut. Multifruits hat einen Abnahme-Vertrag mit dem Bananen-Konzern Del Monte. Die Bananenplantagen werden von Paramilitärs beschützt.

"Zur Geschäftsleitung von Multifruits gehört der Bruder des in der Region marodierenden Paramilitär-Chefs 'El Aleman'; außerdem ein Verwandter des verstorbenen Paramilitär-Chefs Elmar Cardenas. Ebenfalls dazu gehört der Neffe des Direktors der staatlichen Behörde für die Vergabe von Landtiteln (INCODER). Der Direktor von INCODER wird direkt vom Präsidenten eingesetzt," erklärt Carolina Pardo. Die Franziskaner-Schwester berät und begleitet die Menschen der afro-kolumbianischen Friedensgemeinde CAVIDA.

Der Ort der Bananen-Plantage ist besonders schmerzlich. "Dort sind Massengräber unserer Verschwundenen und Ermordeten", beklagt Ana del Carmen, Sprecherin von CAVIDA. "Wir können unseren Toten kein menschliches Begräbnis machen. Sie bearbeiten den Boden mit schwerem Gerät und vernichten dadurch die Ruhestätten. So beseitigen sie auch die Spuren ihrer eigenen Verbrechen."

Ein paar Kilometer weiter den Atrato-Fluss nach Süden ist die Situation ähnlich. Dort sind auf 25.000 Hektar des Landes der Gemeinschaft von Curvaradó illegal Palm-Öl-Plantagen angelegt worden. Hier bewachen Militär und Paramilitärs kilometerweite Palma-Africana-Pflanzungen. Der Urwald, die Weiler und Felder sind dem Erdboden gleichgemacht worden.

Einem geplanten Gesetz der Uribe-Regierung zufolge soll Land, das über 10 Jahre nicht von seinen Besitzern bebaut und bewohnt worden ist, auch in andere Hände übergehen können. Hier könnte der Landraub 'per Landreform' legalisiert werden - denn bisher konnten die meisten Vertriebenen wegen der anhaltenden Präsenz der Paramilitärs nicht auf ihr Land zurück.

Gegenüber dem 'Guardian' hat Präsident Uribe Vélez verkündet, dieses Jahr die Palmöl-Produktion auf 400.000 Hektar zu erhöhen (2003: 170.000 Hektar), geplant sind sogar mehrere Millionen Hektar für die Exportproduktion von Palmöl als Biodiesel. Die Arbeit in solchen 'Musterprojekten' - oft auch Öko-Farmen genannt - soll für die demobilisierten und verurteilten Paramilitärs zudem als 'Alternativ-Strafe' zum Gefängnis gelten. Eine runde Sache - für die Paramilitärs und ihre Freunde versteht sich!

Der Autor ist freier Journalist in Köln.


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2007, März 2007, S. 11
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2007