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BERICHT/164: Milchseen in Uganda (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Milchseen in Uganda

Von Gertrud Falk


Im ostafrikanischen Uganda wird traditionell Milch produziert. In einigen Landesteilen ist Milch die wichtigste Einkommensquelle der Bauern. Doch seit der Liberalisierung des Sektors im Jahr 1992 sind die Vermarktungsstrukturen weitgehend zusammengebrochen. Für viele betroffene Bauern hat diese Politik zur Folge, dass ihre Familien während der regenarmen Monate hungern. Nun drohen zusätzlich Milchfluten aus der Europäischen Union (EU).



Bauern bezahlen Liberalisierung

Uganda hat in den 1980er und 90er Jahren auf Druck von Weltbank und Internationalem Währungsfonds seine Wirtschaft liberalisiert. Damit verbunden waren die Abschaffung fester Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte, die Privatisierung der Molkereien und die Umstellung der kostenlosen staatlichen Dienstleistungen für Landwirte auf ein kostenpflichtiges System. Obwohl rund 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, gibt die ugandische Regierung nur noch vier Prozent des Staatshaushalts für diesen Sektor aus. Für die Milchbauern im Westen Ugandas hat die Einstellung der staatlichen Unterstützung gravierende Folgen.


Milch im Überfluss

Milchwirtschaft hat im Distrikt Mbarara eine lange Tradition. Gemäß einer ugandischen Redewendung gibt es hier so viel Milch, dass sie sogar durch die Straßen fließt. Doch diese Redewendung ist vor allem für Milchbauern fern der städtischen Zentren bittere Realität geworden. Seit die staatliche Milchkooperative 1992 privatisiert wurde, können sie nicht mehr ihre gesamte Milch verkaufen und erzielen niedrigere Preise. Von den zwölf privaten Molkereien, die zunächst anstelle der staatlichen Milchkooperative ihr Geschäft aufnahmen, bestanden nur zwei auf dem freien Markt. Deswegen verkaufen heute rund 80 Prozent der Milchbauern ihre Milch an informelle Händler. Doch wenn die Kühe in der Regenzeit besonders viel Milch geben, bleiben die Bauern auf einem Teil sitzen. Da sie keine Kühlmöglichkeiten haben, schütten sie die Menge, die ihren Eigenbedarf übersteigt, weg. Der Wirtschaftswissenschaftler Geoffrey Bakunda schätzt, dass in Uganda täglich durchschnittlich rund 100.000 Liter Milch aus mangelnder Möglichkeit zur Weiterverarbeitung vernichtet werden.


Frauen die Butter vom Brot genommen

Der Preisanstieg pro Liter hat laut Auskunft der Bauern seit der Liberalisierung nicht mit dem Anstieg der Kosten Schritt gehalten. Weil sie zusätzlich in der Regenzeit nicht mehr alle Milch verkaufen können, bleibt den Bauern kein Geld zum Sparen übrig. Wenn ihre Kühe in der Trockenzeit keine Milch mehr geben, regiert Schmalhans in der Küche. Landwirte mit zehn Milchkühen berichten, dass ihre Familien gegen Ende der zwei jährlichen Trockenzeiten sich nur noch zwei statt drei Mahlzeiten leisten können. Verliererinnen dieser Entwicklungen sind vor allem die Frauen der Milchbauern. Milchwirtschaft ist Männerarbeit in Uganda. Doch während die Bauern ihren Frauen früher regelmäßig einen Teil der Milch überließen, damit sie Butter daraus herstellten, verkaufen sie heute wegen der niedrigeren Preise nach Möglichkeit die gesamte Menge selbst. Die Frauen haben dadurch eine Einkommensquelle weniger und auch bei Tisch kleinste Portion auf dem Teller.


Milchpolitik der EU gefährdet Kleinbauern

Nun droht den Milchbauern zusätzlich Konkurrenz aus der EU, die beschlossen hat, ihre Milchquote schrittweise bis zum Jahr 2013 abzuschaffen. Dies wird zu einer Erhöhung der Produktion und des Exports sowie zur Senkung der Preise führen. Im gleichen Zeitraum soll Uganda zudem im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaften seine Importzölle gegen Null senken. Verheerende Auswirkungen für Ugandas Milchbauern sind absehbar. Gegen Billigimporte aus der EU können sie nicht bestehen.


Die Autorin ist Referentin von FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2008, S. 8
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2008